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Angriffe auf Mitarbeiter der StadtWas seit Kurt Brauns Tod in Köln geschehen ist

Lesezeit 3 Minuten

Der Tatort am 13. Dezember 2019: In diesem Haus in Dünnwald wurde Kämmerei-Mitarbeiter Kurt Braun von einem psychisch Kranken erstochen.

Köln – Vor zwei Jahren, am 13. Dezember 2019, wurde Kämmerei-Mitarbeiter Kurt Braun tödlich verletzt, als er bei einem Schuldner 387,80 Euro eintreiben wollte. Ein psychisch kranker Mann erstach ihn an der Wohnungstür mit einem Messer. Daraufhin führte die Stadt Ende April 2020 ein Melderegister ein, um potenzielle Gewalttäter zu erfassen. Denn im Fall von Kurt Braun war der Schuldner zuvor schon einmal durch einen Angriff mit einem Schraubendreher aufgefallen, diese Information hatte Braun aber nicht erreicht. Eine Zwischenbilanz.

Was leistet das Melderegister?

Das „Zentrale Melde- und Auskunftssystem bei Gefährdungen“, kurz ZeMAG, soll städtische Mitarbeiter vor Gefahren warnen. Es orientiert sich an den vier Gefährdungslagen des „Aachener Modells“. Erfasst werden alle Vorfälle ab Stufe 2 (Sachbeschädigung, Bedrohung, Nötigung, körperliche Gewalt), sie werden ausnahmslos zur Anzeige gebracht. Alle der mehr als 21 000 Bediensteten können Einträge machen und einen Übergriff melden. Rund 4000 Mitarbeitende können Auskünfte über potenziell gewalttätige Personen einholen, darunter Beschäftigte von Ordnungsamt, Sozialamt, Jugendamt, Rettungsdienst und Kämmerei. Die Stadt informiert jede Person, die in ZeMAG eingetragen wird, schriftlich darüber.

Wie viele Fälle wurden bisher erfasst?

Die Zahl der registrierten Übergriffe nimmt zu. Bis Donnerstag wurden 176 Fälle gemeldet, darunter 81 aus diesem Jahr, 65 aus dem Jahr 2020 sowie 30 Altfälle aus 2019. Pro Fall werden oft mehrere Delikte erfasst. Am häufigsten kommen Bedrohung (108 Mal) und körperliche Gewalt (99) vor. Zudem gab es 19 Übergriffe der Stufe 3, bei denen Angreifer Waffen oder Werkzeuge einsetzten. Nötigung gab es 16 Mal, Sachbeschädigung zehn Mal. Am meisten von Übergriffen betroffen ist der Ordnungsdienst, hier kommt es laut Stadt vor allem bei der Durchsetzung von Coronamaßnahmen immer wieder zu Attacken.

Insgesamt wurden 146 Vorfälle im Außendienst erfasst und 29 Vorfälle im Innendienst, zum Beispiel in Bürgerämtern.

Welche Art Angriffe gibt es?

Der jüngste Fall ereignete sich am Donnerstag. Einer Mitarbeiterin des Ordnungsdienstes wurde mit einer Bierdose gegen den Kopf geschlagen. Auch Angriffe mit Stichwaffen wie Messer oder Schraubendreher kommen immer wieder vor. Einer Mitarbeiterin wurde ein Schlüsselbund ins Gesicht geworfen, einer anderen heißer Kaffee ins Gesicht geschüttet. Andere wurden mit einer schweren Kette geschlagen oder mussten einem Auto ausweichen, mit dem ein Angreifer auf sie zu fuhr.

Gab es Warnungen vor konkreten Gefahren?

Wie oft das System Warnungen ausgibt, wird nicht erfasst. „Wir wissen aber aus vielen Rückmeldungen von Mitarbeitenden, dass sie nach Abfragen Warnhinweise erhalten haben“, betont Dolores Burkert. Sie leitet das 2019 gegründete „Zentrum für Kriminalprävention und Sicherheit“, eine Kooperation von Stadt und Polizei, die auch ZeMAG betreut. Seit Mai 2020 habe das System fast 4000 Zugriffe verzeichnet, im Schnitt sind das rund 200 pro Monat. Das sei sehr viel, die Resonanz groß, sagt Burkert. „Im Juni 2021 haben wir eine mobile ZeMAG-App eingeführt, mit der die Mitarbeitenden unterwegs per Smartphone Abfragen machen können. Seitdem hat sich die Zahl der Zugriffe fast verdreifacht.“

Was ist außerdem noch geplant?

Ämter und Dienststellen mit Kundenkontakt werden mit einem „stillen Alarm“ ausgerüstet, also der Möglichkeit, per Schalter oder PC unauffällig Hilfe anzufordern. „Dies erfolgt flächendeckend, inzwischen sind bereits mehr als die Hälfte der Ämter ausgestattet“, so Burkert. Der Ordnungsdienst soll Bodycams erhalten, derzeit läuft dazu eine Marktsondierung.

Ist ZeMAG ein Vorbild für andere Kommunen?

Bei seiner Einführung war ZeMAG das erste Melderegister seiner Art in Deutschland, nun könnte es als Blaupause dienen. Rund 40 Kommunen bundesweit haben bereits Interesse an dem System gezeigt und es sich per Webinar von den Kölner Verantwortlichen erklären lassen, darunter Berlin und München.

Die Stadt Köln wünscht sich einen klaren Rechtsrahmen für das Register. Bisher begründet sie die Speicherung von Daten potenziell gefährlicher Personen damit, dass für ihre Mitarbeiter eine Gefahr für Leib und Leben drohe. Laut Burkert gibt es Gespräche mit dem Deutschen Städtetag und dem Land NRW mit dem Ziel, eine datenschutzrechtlich einwandfreie Rechtsgrundlage zu schaffen. Sie hofft, dass nächstes Jahr dazu ein Spezialgesetz oder eine Rechtsverordnung erlassen wird.