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Kölner „Spurensuche“Peter Paul Rubens – Im Herzen ein kölscher Jung

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KölnWo hat sich Friedrich Nietzsche den Tod geholt? Wo kam Martin Luther auf die Idee, die römisch-katholische Kirche zu reformieren? In unserer Serie „Spurensuche“ stellen wir berühmte Personen und ihre Zeit in Köln vor. Der Historiker Anselm Weyer spürt Orten nach, an denen Großes begann oder seinen Lauf nahm. Heute geht es um Peter Paul Rubens und warum er kein kölscher Jung wurde.

„Ich habe eine große Vorliebe für die Stadt Köln“, schreibt Peter Paul Rubens im Jahr 1637, „weil ich allda geboren und erzogen bin bis ins zehnte Jahr meines Lebens“. Trotz dieser doch außerordentlich eindeutigen Briefzeilen stritten sich Köln und Antwerpen Jahrhunderte um die Ehre, Geburtsstadt des Malers zu sein. Aber wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte, in diesem Fall Siegen.

Peter Paul Rubens war ein Flüchtlingskind

Dass Rubens doch kein Kölscher Jung wurde, liegt am berühmten Freiheitskämpfer Wilhelm von Oranien, dem Stammvater des niederländischen Königshauses, der bei unseren Nachbarn bis heute noch in den Trikotfarben der Nationalmannschaft („Oranje“) sowie mit der Nationalhymne, genannt „Het Wilhelmus“, geehrt wird.

Peter Paul Rubens war ein Flüchtlingskind. Die Familie hatte noch vor seiner Geburt wegen ihrer calvinistischen Konfession aus dem damals niederländischen Antwerpen fliehen müssen, weil der Landesherr, Philipp II. von Spanien, sein Herrschaftsgebiet rekatholisieren wollte und es hierfür zielführend fand, Calvinisten aus dem Antwerpener Stadtrat hinzurichten. Es begann der 80 Jahre währende blutige niederländische Freiheitskampf.

Zuflucht fand Familie Rubens 1568 in Köln. Die katholische Stadt war zwar andersgläubigen Asylsuchenden gegenüber eher skeptisch – selbst wenn der Augsburger Religionsfrieden aus dem Jahre 1555 die Freie Reichsstadt eigentlich verpflichtete, auch Protestanten vor Verfolgung zu schützen. Als Peter Pauls Vater Jan Rubens jedoch auf die Aufforderung hin, binnen acht Tagen die Stadt zu verlassen, glaubhaft machen konnte, dass er vermögend und gut ausgebildeter Rechtsanwalt sei, waren Köln diese Einwanderer dann doch genehm – schon damals waren gute Fachkräfte begehrt.

Er ist zwar in Siegen geboren, hat aber doch die ersten zehn Jahre seines Lebens in Köln verbracht und die Stadt lieben gelernt: Der Maler Peter Paul Rubens, dessen Selbstporträt wir hier zeigen, hat im Rinkenpfuhl.  Eines seiner letzten  Bilder,  „Die Kreuzigung Petri“, hängt bis heute  in der Kunststation St. Peter.

Die wohlhabenden Kriegsflüchtlinge mieteten sich zunächst Haus, Hof und Weingarten im Kirchspiel Klein St. Martin. Jan Rubens verdiente gut als Anwalt, der besonders Flüchtlinge vertrat, die gegen die Beschlagnahmung ihrer Güter vorgehen wollten.

In Köln wohnte zur gleichen Zeit auch im Rinkenhof, heute Am Rinkenpfuhl 24, Prinzessin Anna von Sachsen, zweite Ehefrau von Wilhelm von Oranien, der gerade von der Dillenburg bei Siegen aus für die Freiheit der Niederlande von Spanien kämpfte. Entsprechend selten sah sich das Paar, das wohl ohnehin eine problematische Ehe führte. Anna von Sachsen ihrerseits wählte sich nun in der Abwesenheit des Gatten Jan Rubens zunächst als Anwalt, dann offenbar für mehr. Jan Rubens gestand jedenfalls später, Anna von Sachsen „nicht feind gewesen“ zu sein und dass es schließlich „durch listige Verführung des Teufels“ so weit gekommen sei, dass er und sie sich „gröblich vergessen“ hätten. Dies wurde dadurch vereinfacht, dass auch die Familie Rubens in den Rinkenhof übersiedelte.

Rubens ein Siegener ist, kein Kölner

Der Kontakt zwischen Anwalt und Klientin riss auch nicht ab, als Anna von Sachen 1570 wieder in die Nähe ihres Mannes nach Siegen zog. Ob und was Wilhelm von Oranien, genannt der Schweiger, über das Verhältnis seiner Frau mit ihrem Rechtsberater wusste, oder ob er seine inzwischen nicht mehr so heiß geliebte Ehefrau einfach loswerden sollte, weiß man nicht sicher, aber als Anna von Sachsen 1571 ein Kind erwartete, bestritt er, selbst der Vater zu sein. Er lockte Jan Rubens in sein Herrschaftsgebiet und ließ ihn festnehmen.

Jans Ehefrau Maria fiel in Köln aus allen Wolken, als man ihr nach drei Wochen der Ungewissheit berichtete, dass ihr Gatte, der von seiner Geschäftsreise nicht zurückgekehrt war, wegen Ehebruchs mit Prinzessin Anna von Sachsen gefangen gehalten wurde. Sie reiste, um ihm beizustehen, nach Siegen. In dieser Zeit nun, als Jan Rubens seinen Ehebruch zunächst mit zwei Jahren Freiheitsentzug im Dillenburger Schloss büßte und anschließend Siegen nicht verlassen durfte, wurde 1577 Peter Paul Rubens geboren. Da Maria sich zwei Wochen vor der Geburt nachweislich in Siegen aufhielt, wird heute kaum mehr bezweifelt, dass Rubens ein Siegener ist, kein Kölner.

Ein Jahr nach Anna von Sachsens Tod 1577 ließ Wilhelm von Oranien Jan Rubens frei. Die Familie siedelte mit dem einjährigen Peter Paul 1578 zurück nach Köln, wo sie zunächst in der Breitestraße „in Herrn Lyskirchens Haus“, später im sogenannten Gronsfelder Hof in der Sternengasse Nr. 10, eine der besten Adressen der damaligen Zeit, wohnte.

Als Jan Rubens im Jahr 1587 starb, wurde er, inzwischen mitsamt seiner Familie zum Katholizismus übergetreten, in der Kirche Sankt Peter beigesetzt. Seine Frau ließ einen leider inzwischen zerstörten Grabstein errichten, auf dem stand, dass sie mit ihrem Mann sechsundzwanzig Jahre in Eintracht und ohne irgendeinen Missklang gelebt habe, davon neunzehn in Köln.

1589 zog Maria Rubens mit ihren jüngsten Kindern zurück nach Antwerpen. Peter Paul Rubens aber erinnerte sich immer gerne an seine Jugend und die Stadt Köln. „Mittlerweil hab ich Verlangen getragen, nach einer so langen Zeit, dieselbe noch einmal zu sehen“, schreibt er 1637.

Rubens ist mittlerweile der wohl berühmteste Maler seiner Zeit

In Person kehrte er zwar nicht zurück, dafür aber mit zwei Kunstwerken. Für den Kölner Dom entwarf er die lange Zeit vergessenen und erst nach dem Zweiten Weltkrieg wiederentdeckten sogenannten Teppiche, die den „Triumph der Eucharistie“ zum Thema haben und jedes Jahr nur für kurze Zeit zwischen den Langhauspfeilern des Kölner Doms aufgehängt zu besichtigen sind.

Auch eines seiner letzten Bilder – vielleicht sogar das letzte –, das ihn eigenen Aussagen zufolge mehr als alles andere, das er gerade unter den Händen hatte, lockte und das verspreche, eines der besten Stücke zu werden, die er je geschaffen habe, malte Rubens, mittlerweile der wohl berühmteste Maler seiner Zeit, für die Pfarrkirche seiner Kindheit, in der er auch getauft worden war: Die Kreuzigung Petri, die seit 1642 – mit einigen kleineren Unterbrechungen – bis heute in Sankt Peter zu sehen ist.