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KinderarmutFast ein Viertel aller Kölner Kinder betroffen – in diesen Stadtteilen besonders

Lesezeit 5 Minuten
Ein Kind schaukelt vor einem Hochhaus in Meschenich bei Köln.

Ein Spielplatz in Meschenich: Über 40 Prozent aller unter 15-Jährigen leben hier von Bürger- oder Sozialgeld.

Rund 39.500 Kinder und Jugendliche leben in Köln von Hilfen wie Bürger- und Sozialgeld. Kritik gibt es an zu viel Bürokratie des Teilhabepakets.

Wenn es vor den Sommerferien die Zeugnisse gibt, geht es danach zur Belohnung mit Mama und Papa zur Eisdiele. Kleine Momente wie diese gehören nicht für alle zum Repertoire der schönen Kindheitserinnerungen. Vielen Eltern fehlt das Geld. Auch in Köln leben tausende Kinder und Jugendliche in Armut. Rund 39.500 waren es 2022 laut statistischem Jahrbuch der Stadt. Somit sind 22,4 Prozent aller Unter-18-Jährigen in Köln von Armut betroffen. Fast ein Viertel. Ein Kind geht in die Statistik ein, wenn es sogenannte Regelleistungen, wie Bürgergeld (einst Hartz IV), Sozialgeld oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhält. Nicht in der Statistik sind jene, die zwar keine Leistungen beziehen, aber trotzdem nicht genug Geld haben. Eine Dunkelziffer ist deshalb naheliegend. Die Folgen sind heftig.

„Es mangelt an alltäglichen Dingen, die für ein gesundes, gelingendes und erfreuliches Aufwachsen und Kinderleben nötig sind“, erklärt Ingrid Hack, Geschäftsführerin des Vereins „Kindernöte“, der in Chorweiler ansässig ist. Seit über 25 Jahren kämpft er mit zahlreichen Projekten gegen Kinderarmut in diesem Stadtteil. In Chorweiler sind laut Stadt mit am meisten Kinder in Köln betroffen. Über 40 Prozent der Unter-15-Jährigen bezieht dort Sozialleistungen über das SGB II (zweites Buch des Sozialgesetzbuch).

„Kinderarmut äußert sich nicht nur materiell, sondern auch in weniger Teilhabe. Die Betroffenen werden nicht in Musikschulen oder Sportvereinen angemeldet oder es gibt Probleme damit, eine Klassenfahrt zu finanzieren“, sagt Hack. Armut wirke sich auf fast alle Lebensbereiche der Kinder aus. So komme es auch zu einer „Wissens- und Bildungsarmut, Chancenarmut und Perspektivenarmut“.

Es macht etwas mit den Kindern, wenn andere Kinder in der Schule von ihren Urlauben erzählen und ihre eigene Familie sich keinen leisten kann.
Ingrid Hack, Geschäftsführerin „Kindernöte e.V.“

Wer kein Geld dafür hat, sein Veedel zu verlassen, muss oft auf ein Stück Förderung für seine Kinder verzichten: „Wenn Kinder weniger Möglichkeiten haben, raus in die Welt zu gehen und sie zu erfahren, können sie sich auch weniger Wissen über ihre Umgebung aneignen“, erklärt Hack. „Es fehlt oft schlicht an Möglichkeiten, auch die durchaus vorhandenen kostenfreien Freizeitmöglichkeiten in Köln zu entdecken.“ Manchmal sei schon die Mobilität ein Problem, weil die Familie keine Fahrräder oder kein Auto habe.

„Es macht etwas mit den Kindern, wenn andere Kinder in der Schule von ihren Urlauben erzählen und ihre eigene Familie sich keinen leisten kann. Solche Situationen können sich auf ihr Selbstwertgefühl auswirken.“ Zudem fehlt oft ein Rückzugsort zuhause. „Oft leben die von Armut betroffenen Kinder in zu kleinen Wohnungen. Sie haben keinen Platz mal für sich zu sein, Tagebuch zu schreiben oder zu malen.“

Finanzielle Hilfe: Das Bildungs- und Teilhabepaket

Das seit 2010 bestehende Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) soll einen Beitrag gegen Kinderarmut leisten. Deutschlandweit können darüber Menschen bis einschließlich 25 Jahren aus Familien mit geringen Einkommen finanzielle Unterstützung erhalten. Geld gibt es für Unterschiedliches, darunter Klassenfahrten, Nachhilfe oder Schulessen.

Zur Teilhabe am Sport- und Vereinsleben lässt sich eine Pauschale über 15 Euro im Monat oder 180 Euro im Jahr beantragen. Für Schulbedarf gibt es darüber hinaus einen jährlichen Zuschuss von 174 Euro. Schulessen, Ausflüge oder Klassenfahrten sind hingegen nicht gedeckelt.

Rund 10.000 der für das Paket berechtigten Menschen unter 25 Jahren brauchten 2022 in Köln einen Zuschuss zum Schulessen, gibt die Bundesagentur für Arbeit an. Fast 15.000 beantragten Unterstützung bei einem eintägigen Schulausflug.

Ist die Beantragung des BuT eine zu große Hürde?

Doch längst nicht alle, die Nutzen aus dem Paket ziehen könnten, beantragen es auch: Rund 27 Prozent aller Kölner Kinder aus Bürgergeld-Familien haben 2022 Gebrauch von der sozial-kulturellen Komponente des Pakets gemacht, die beispielsweise Vereinsaktivitäten finanziert. Das ergab eine Untersuchung des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Diese Komponente des Pakets komme laut Verband folglich „selten“ an.

Warum ist das so? Hack sieht einen Zusammenhang mit der Beantragung. Während es beim Schulessen oder der Klassenfahrt reicht, den Bescheid über Leistungen vom Jobcenter bei Schule oder Kita vorzulegen und der Zuschuss zum Schulbedarf automatisch mit der staatlichen Hilfe überwiesen wird, müssen bei den anderen Leistungen einzelne Anträge gestellt werden. Hinzu kommt in vielen Fällen ein Hauptantrag. „Die Eltern sind sicher nicht einfach zu faul. Die Beantragung ist aufwendig und für viele nicht machbar. Für manche Eltern aus sprachlichen, für andere aus Informationsgründen“, erklärt sie.

Das Paket muss dringend in eine unbürokratische und faire Kindergrundsicherung überführt werden.
Ingrid Hack, Geschäftsführerin „Kindernöte e.V.“

Die Stadt teilte auf Anfrage der Rundschau mit, dass sich in den letzten Jahren eine „erhebliche Steigerung der Inanspruchnahme“ des Pakets ergab, die auch für die Folgejahre erwartet wird. Anscheinend ist die Steigerung jedoch nicht hoch genug: „Für Februar 2024 ist in Kooperation des Amtes für Schulentwicklung und des Amtes für Soziales, Arbeit und Senioren eine Informationsveranstaltung mit den örtlichen Schulsozialarbeiter*innen geplant, um sich zu Fragen und Ideen rund um das Thema Bildungspaket auszutauschen und insbesondere nochmal ausdrücklich auf die Möglichkeit vereinfachter Antrags- und Abrechnungsverfahren hinzuweisen“, so die Stadt.

„Das Paket muss dringend in eine unbürokratische und faire Kindergrundsicherung überführt werden“, fordert Hack. „Die steht zwar erfreulicherweise endlich im Koalitionsvertrag, aber die Entwicklungen stimmen mich nicht optimistisch“, sagt sie. Der geplante Start der Grundsicherung im Januar 2025 ist laut Bundesagentur für Arbeit nicht möglich. Sie hält einen „schrittweisen Einstieg ab Juli 2025“ für machbar.


Kinderarmut in Kölns Stadtteilen

Die größte Kinderarmut gibt es in den Stadtteilen Chorweiler, Bocklemünd und Mengenich, Meschenich, Kalk, Höhenberg, Neubrück, Gremberghoven und Finkenberg. Dort bezieht jedes dritte Kind (über 40 Prozent) SGB II-Leistungen.

Auf der rechten Rheinseite leben Kinder öfter in armen Verhältnissen, als linksrheinisch. Auf der Schäl Sick liegt die Quote der Kinder, die von SGB-II-Leistungen leben, in fast in der Hälfte aller Stadtteile bei über 30 Prozent. Auf der linken Rheinseite ist das nur in einem Zehntel der Stadtteile der Fall.

Nur in zwei Stadtteilen rechts vom Rhein liegt die Quote bei unter zehn Prozent, nämlich in Rath/Heumar und Libur. Linksrheinisch gibt es 17 Stadtteile, in denen die Quote so gering ist, darunter Lindenthal, Junkersdorf, Nippes und Sülz.

Das Bildungs- undTeilhabepaket

Berechtigt für das Bildungs- und Teilhabepaket (auch BuT) sind Kinder und Jugendliche, deren Eltern Bürgergeld, Sozialhilfe, Wohngeld, den Kinderzuschlag oder Leistungen als Asylbewerber beziehen. Darüber hinaus teilweise auch Kinder von Geringverdienenden.

Die Kinder müssen jünger als 25 Jahre alt sein, eine Kita oder eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten.

Leistungen erhalten die Berechtigten von ihrer Stadt oder Gemeinde. Alle Informationen gibt es auf der Website der Stadt Köln und beim Jobcenter Köln.