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Karneval in KölnSo feierte die Zülpicher Straße - Viel Regen und ein Experiment

Lesezeit 7 Minuten
Voll war die Zülpicher Straße. Doch im Vergleich zu den Vorjahren hat das Regenwetter doch einige abgeschreckt.

Voll war die Zülpicher Straße. Doch im Vergleich zu den Vorjahren hat das Regenwetter doch einige abgeschreckt.

Auf der Zülpicher Straße feierten wetterbedingt deutlich weniger Menschen als am Elften Elften. Die neue Bühne zog nur wenige Menschen an.

Sie gibt alles, die Moderatorin auf der Bühne am Hohenstaufenring. Aus voller Kehle fordert sie das Publikum zum Applaus auf. Und die Jecken vor ihr jubeln auch auf Teufel komm raus. Ausnahmslos alle. Alle zwölf. Nein, sie hat nicht die Erwartungen erfüllt, die Bühne in Nachbarschaft zur Zülpicher Straße. Entzerren sollte sie den Massenauflauf im Quartier Latäng und war doch nur Durchgangsstation. Sollten es über den Tag verteilt – je nach Band – auch schon mal mehr werden als zwölf Zuschauer. Massen zog das Programm auf dem Hohenstaufenring nicht an. 7500 Menschen hätte die dortige Veranstaltungsfläche fassen können. Wenn es mal 100 waren, wie bei der Band Stadtrand, war das schon ein Spitzenwert. Die Jungs von „Stadtrand“ nehmen es mit Humor: „Singt alle mit, auch die auf den Rängen.“

Ist das Konzept mit der Bühne gescheitert?

Dieses harsche Urteil wäre ungerecht. Das Wetter hat an Weiberfastnacht eine große Rolle gespielt.   Dauerregen statt Konfettiregen. Selbst die Zülpicher Straße kam bei weitem nicht an den „Füllstand“ heran wie am vergangenen Elften im Elften.   Der war sicherlich eine Extremerscheinung auf der Karnevalsmeile der Extreme, fiel er doch auf einen Samstag und zog dadurch nie gesehene Massen an feierwilligen jungen Menschen an.   Der Fairness halber muss der Bühne auch zugestanden werden, dass es eine Prämiere war. Ein neues Angebot muss auch die Chance haben, sich zu etablieren.

Die Rhythmussportgruppe auf der Bühne am Hohenstaufenring.

Die Rhythmussportgruppe auf der Bühne am Hohenstaufenring.

Ging es gesitteter zu auf der Zülpi?

Mag der Andrang auch nicht ganz so groß gewesen sein, wie in einigen Vorjahren, voll war es dennoch auf der Zülpicher Straße. Und von gesittet kann natürlich nicht die Rede sein auf der Meile, die für ihre Alkoholexzesse berüchtigt ist. Wer sich nach 11.11 Uhr durch die Massen drängte, dessen Füße schritten über einen „Teppich“ aus leeren Schnaps-Plastikflaschen. Und seine Nase hing in einer Cannabis-Wolke. Für die Schnapsfläschchen waren vor allem die Hersteller verantwortlich, die auf den Marketing-Gag kamen, „Patronengürtel“ mit den Fläschchen anzubieten. Kaum ein junger Mensch, der nicht mindestens zwei davon bei sich trug – um die Hüfte und über der Brust. 25 „Schuss“ ergeben eine „Alkoholleiche“. Volltrunkene lagen auch an diesem Weiberfastnacht wieder viele in den Hauseingängen und Gossen der Zülpicher Straße. Ist Alkohol der Klassiker, so ist Cannabis der Trend. Selten war es so offensichtlich und deutlich riechbar wie in diesem Jahr auf der Feiermeile anzutreffen. Die Bugwelle der Legalisierung?

Greift weiterhin das Sicherheitskonzept?

Das Konzept aus Wegeführung und Absperrungen, wie es zu Weiberfastnacht stand, existiert nun im zweiten Jahr. Geht es um die Lenkung der Massen, kann gesagt werden, dass es sich bewährt hat. Doch wer die vergangenen Jahre die Entwicklung rund um das Kwartier Latäng beobachtet hat, macht eine Entwicklung aus, die nachdenklich stimmen muss, weil sie eigentlich so gar nicht dem „Geist vom Karneval“ entspricht. Die Stadt ist vor allem von den Ringen bis zum Univiertel ein Hochsicherheitstrakt geworden. Massen von Zäunen und Absperrungen machen es unmöglich, sich frei zu bewegen. Rund 1500 Polizisten sind im Einsatz – Ordnungsamtsmitarbeiter und Sicherheitspersonal nicht mitgerechnet. Über der Zülpicher Straße kreist immer wieder in geringer Höhe ein großer Polizeihubschrauber. Über dem Zülpicher Platz eine mächtige Drohne. Köln hat zu Weiberfastnacht das Gesicht eines Krisengebiets.

Schirme und Brücken war bei dem Regenwetter begehrt.

Schirme und Brücken war bei dem Regenwetter begehrt.

Was sagen die Beteiligten?

Ein abschließendes Fazit für das neue Angebot auf dem Hohenstaufenring will Professor Joachim Zöller, Präsident der „Grossen von 1823“ , am Nachmittag noch nicht ziehen. Ausgewertet wird in den kommenden Tagen. „Bis auf das Wetter bin ich sehr zufrieden“, sagt Zöller. „Ich würde mir aber wünschen, dass noch mehr Menschen von der Zülpicher Straße zu uns kommen würden.“

Das oberste Ziel, dass die Menschen friedlich gemeinsam feiern, habe sich erfüllt, resümierte Oberbürgermeisterin Henriette Reker bei ihrem Besuch an der Bühne. „Ich bin aber ein bisschen traurig, dass wir heute die Ernstsituation nicht proben können, also wie die Veranstaltung wird, wenn sie wirklich für die Entlastung notwendig ist.“ Der Grund, auf einen Entlastungsbereich auszuweichen, sei schlichtweg nicht vorhanden gewesen. „Trotzdem muss ich sagen: Hier sind Menschen hingekommen. Es ist also attraktiv genug, um junge Leute anzuziehen. Darüber freue ich mich.“

Polizeipräsident Johannes Hermanns, Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn und Oberbürgermeisterin Henriette Reker.

Polizeipräsident Johannes Hermanns, Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn und Oberbürgermeisterin Henriette Reker.

Auch Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn macht sich am Nachmittag ein Bild von der neuen Bühne. „Wir sind sehr glücklich, dass die Beratungen am Runden Tisch dazu geführt haben, dass wir eine Gesellschaft gefunden haben, die den Mut hat und hier etwas ausprobiert“, sagt Kuckelkorn.   „Was hier aufgebaut ist, ist hochprofessionell und auch geeignet, junge Menschen anzuziehen. Nur sind heute deutlich weniger Menschen in der Stadt unterwegs.“ Die Bühne könne ein Konzept für die Zukunft sein.

Hatte die Bühne Auswirkungen auf die Schaafenstraße?

Matthias Eiting ist Sprecher der Wirte auf der Schaafenstraße. Die haben die Bühne am Hohenstaufenring – direkt am Eingang der Feiermeile für die Queere-Szene – von Anfang an kritisch begleitet. Eine der Befürchtungen: Alkoholisierte Jugendlichen könnten sich in der Schaafenstraße durch homophobes Gebaren aufspielen. Eiting gesteht der Bühne zu, dass unter den Bedingungen an diesem Tag kein abschließendes Urteil gefällt werden kann. Auch begrüßt er die Entscheidung, das Programm dort um 17 Uhr enden zu lassen. Eine Zeit, zu der in der Schaafenstraße die Feiern der Queeren-Szene Fahrt aufnehmen. Nach dem Bühnenprogramm kann die Vollsperung der Schaafenstraße von der Ringseite aus wieder aufgehoben werden. Das alles ändert aber nichts an Eitings kritischen Grundhaltung. Die Bühne müsste für ihn eher im Bereich Rudolfplatz/Friesenplatz stehen, solle sie wirklich entzerren.

Wie kam die Bühne bei den Feiernden an?

Alle, die sich auf das neue Angebot auf dem Hohenstaufenring einlassen, haben ihren Spaß. Doch gegen die Feiermeile auf der Zülpicher, die sich seit Jahren zum „Place to be“ bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenenen entwickelt hat, kommt jedes neue Alternativprogramm offensichtlich nur schwer an. „Wir sind immer hier, alle sind hier, deswegen gehen wir dieses Jahr wieder auf auf die Zülpicher“, sagen die Mitglieder einer Vierer-WG auf der Zülpicher Straße. Musik gebe es dort schließlich auch. Zwar nicht von der Bühne, aber aus zahlreichen Boxen. „Und von den Bands, die auf den Ringen auftreten, kenne ich sowieso keine“, sagt ein als Ninja verkleideter WG-Gast. Seine drei Begleiter hätten im Übrigen gar nicht mitbekommen, dass es eine neue Bühne gibt. „Würden Querbeat und Kasalla dort spielen, würden wir hingehen“, meint einer.

Welches Fazit zieht die Polizei?

Im Vergleich zum Elften Elften und Weiberfastnacht 2023 erlebte die Polizei einen vergleichsweise ruhigen Einsatztag im Kwartier Latäng. „Aus polizeilicher Sicht hatten wir bisher eine völlig friedliche Weiberfastnacht“, sagt Polizeipräsident Johannes Hermanns am Nachmittag. „Die Menschen sind ruhig, es sind allerdings auch nicht so viele Menschen in der Stadt wie am Elften Elften oder im vergangenen Jahr.“ Besondere Vorfälle seien bis auf die karnevalstypische Auseinandersetzungen ausgeblieben.

Wie war der Andrang in der neuen Versorgungsstation?

Erstmals richtete die Stadt in der Berufsschule Humboldtstraße ein Versorgungszentrum ein. Insbesondere sollten die umliegenden Kliniken entlastet werden, die sich an den Karnevalstagen erfahrungs um viele „Alkoholleichen“ kümmern müssen. Die Kapazität war groß, der Bedarf gering. Bis zum Nachmittag versorgten die Rettungskräfte in der neu eingerichteten Anlaufstelle gerade einmal fünf Personen, die zu tief ins Glas geschaut hatten.

Uniwiese weitestgehend ungenutzt

500 000Euro hat die Stadt erneut in die mit Bodenplatten ausgelegte Entlastungsfläche auf der Uniwiese investiert. Am Elften Elften war auch die Uniwiese schon früh am Tag mit über 50 000 Menschen gefüllt. Am Donnerstag blieb die Fläche weitestgehend ungenutzt und die Musikboxen den ganzen Tag aus.

Am Nachmittag tummelten sich etwas mehr Menschen auf der Feierfläche, die erstmals am Elften Elften 2022 zum Einsatz kam. „Voll lahm hier“, fanden dennoch viele. Für Unmut sorgte bei vielen der rutschige Untergrund und die fehlende Musikbeschallung. Beliebt beim anhaltenden Dauerregen war dagegen die Unterführung an der Dasselstraße. Dort staute sich die Masse am frühen Nachmittag.

Die Uniwiese als Ausweichfläche wurde kaum benötigt.

Die Uniwiese als Ausweichfläche wurde kaum benötigt.

Auch der Aachener Weiher war an Weiberfastnacht kein Faktor. Noch am Elften Elften feierten dort Zehntausende und hinterließen Scherben und Müll auf dem ungeschützten Boden. Die Stadt reagierte mit drei weiteren Schutzzonen. Sowohl der Aachener Weiher als auch die beiden Waldstücke im Osten und Westen des Hiroshima-Nagasaki-Parks waren komplett umzäunt – und die Parkanlage fast komplett verwaist.

Die Naturschützer des BUND hatten sich vor dem Start in den Straßenkarneval erneut klar gegen eine Nutzung des Inneren Grüngürtels für die Feiern positioniert. Mit einem rechtlichen Widerspruch bei der Stadt und der Bezirksregierung war der BUND aber gescheitert. Auch viele Anwohner setzen sich weiterhin gegen die Auswüchse im Kwartier Latäng und die Entlastungsfläche im Grüngürtel ein. Der von Bezirksbürgermeister Andreas Hupke einberufene Veedelsbeirat Zülpicher Straße trifft sich Ende Februar. Dann sollen auch rechtliche Schritte geprüft werden.