Die Bundestagswahl findet in der Karnevalszeit statt. Für viele Rednerinnen und Redner ist das eine willkommene Vorlage. Die Häme verteilt sich gleichmäßig auf alle Parteien.
Guido Cantz bis Marc MetzgerDas bieten die Redner der Session im Kölner Karneval
Fast schon flehentlich klingt der Versuch von Reimredner Jörg Runge, den Termin der vorgezogenen Bundestagswahl doch bitte nicht Karnevalssonntag stattfinden zu lassen. „Ich habe sofort Berlin informiert, wir Rheinländer wären da indisponiert“, gibt der „Tuppes vum Land“ zu bedenken, bevor er über die Verwechslungsgefahr von Wahllokal und Karnevalssitzung sinniert und sich Gedanken über die günstigste Reihenfolge der Besuche macht.
Das Ampel-Aus und der Wahltermin sind Steilvorlagen für die Büttenredner im Karneval, obwohl politische Themen zuweilen gerne ausgespart werden, weil das Feld der guten Witze schon von sämtlichen Kabarettisten und Komödianten der Republik in Jahresrückblicken und Soloprogrammen beackert worden ist.
Als Guido Cantz vor 33 Jahren, also im Jahr 1992, erstmals als „Der Mann für alle Fälle“ im Karneval auftrat, hieß der Bundeskanzler noch Helmut Kohl. Politik hat damals so gut wie keine Rolle in seinen Vorträgen gespielt, doch das hat sich gründlich geändert. „Olaf Scholz denkt wirklich, er könnte wiedergewählt werden. Das ist so, als würde der Hamburger SV im Regal Platz freimachen für die Meisterschale“, witzelt Cantz. Wirtschaftsminister Robert Habeck attestiert er „leistungsunabhängige Selbstüberschätzung“, CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz beschreibt er als „einen 69-Jährigen Sauerländer mit der Ausstrahlung einer Wäschespinne“. Und dann ist da noch die FDP. „Die finde ich süß. Ein bisschen wie Kölsch: Klein, gelb. Und unter fünf Prozent“, meint Cantz.
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Auch „Blötschkopp“ mit Seitenhieb gegen Politik
Die Frage für viele Rednerinnen und Redner ist ohnehin, worüber heute überhaupt noch Witze gemacht werden sollten. Wenn früher schon alles immer politisch korrekt gelaufen wäre, so gibt es Jörg Weber zu bedenken, „hätte es manche Karnevalskarriere nie gegeben.“ Doch selbst Marc Metzger, der als „Blötschkopp“ sehr bewusst den „Blödsinn“ zum inhaltlichen Markenzeichen erhoben hat, kommt ohne Seitenhiebe Richtung Politik dieses Mal auch nicht davon. Den Bundeskanzler tituliert er als „Kuschel-Olaf, den Schneemann aus der Eiskönigin“ und stellt eine allgemeine gesellschaftliche „Unzufriedenheit“ fest. „Wir brauchen mehr Kirmes, mehr Phantasialand. Doch das kann man nicht mehr bezahlen. Und schon ist man wieder unzufrieden“, erklärt er einen depressiv anmutenden Teufelskreis.
Nahezu alle Rednerinnen und Redner leben von ihren Bühnenauftritten und sind das gesamte Jahr als Spaßmacher unterwegs, bedienen Radio-Formate oder sind durch eigene Podcasts permanent auf Sendung. So fordert es die multimedial erschlossene Welt, in der die Menschen permanent auf Empfang sind. „Nur die Aufmerksamkeitsspanne wird immer kürzer“, bemängelt Martin Schopps und schlägt Werbeunterbrechungen im Klassenzimmer vor, weil es die Kinder so gewöhnt sind.
Gescheiterte Ampel-Regierung gerne im Visier
Vor allem an den Protagonisten der gescheiterten Ampel-Regierung arbeiten sich die Redner süffisant ab. „Die rhetorische Fehlzündung Olaf Scholz. Ich nenne ihn nur noch: die schweigende Aktentasche von der Elbe“, meint Schopps. Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck bezeichnet er als „philosophierende Wärmepumpe aus dem Windkraftwerk der warmen Worte“ und CDU-Kandidat Friedrich Merz als „fliegendes Finanzfossil.“ Und die AfD? „Das ist eine Alternative, die in Bezug auf die deutsche Geschichte mehr vergessen hat als Ricarda Lang jemals wusste“, ätzt Schopps und teilt gleichzeitig gegen die frühere Grünen-Chefin aus.
Im Grunde bedienen sich die Redner aus dem gleichen Fundus wie auch die Wagenbauer für den Rosenmontagszug. US-Präsident Donald Trump und sein milliardenschwerer Berater-Kumpel Elon Musk werden in der Bütt ebenfalls bedient. „Elon Musk, die Stradivari unter den Arschgeigen“, doziert Sitzungspräsident Volker Weininger und bezeichnet Trump als „oranges Präriefrettchen“, der „mit dem Ding auf dem Kopf zweimal im Jahr zum Tierarzt“ müsse. In Reimform geht das so: „Dem sein Verstand, man kann es kaum fassen, hat die Umlaufbahn doch schon längst verlassen“, meint Jörg Runge.
Da hilft nur noch, selbst in die Politik zu gehen. Guido Cantz empfiehlt die DCB, die „Deutschland Cantz Besser“-Partei, mit der es vielleicht nicht besser, aber doch lustiger wäre. Und er schlägt Olaf Scholz die Verbindung seines Namens mit dem seiner Partei vor, so wie es Sarah Wagenknecht mit ihrem Bündnis vorgemacht hat. Der Parteiname: „Sozialdemokratie Olaf Scholz. Abkürzung: SOS“. Und Tusch.