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Interview mit den Bläck Fööss„Man braucht die Energie eines Neustarts“

Lesezeit 6 Minuten
Bläck Fööss roncalliplatz

Gezwungenermaßen auf Abstand: die Bläck Fööss beim Ortstermin auf dem Roncalliplatz. 

  1. Am Dom haben die Bläck Fööss einen Videoclip für ihre Fans gedreht: Die Konzerte können erst 2022 stattfinden.
  2. Die Rundschau sprach mit „Bömmel“ Lückerath, Pit Hupperten und Hanz Thodam über die Krise.

KölnEuer Konzert zum 50. Bandgeburtstag sollte im Sommer 2020 stattfinden, daraus wurde 2021, nun wird es 2022. Feiert ihr das längste Bandjubiläum der Musikgeschichte?

Lückerath: (lacht) Es ist schon komisch, den 50. Geburtstag plus 2 zu feiern, aber mit den Konzertverschiebungen stehen wir nicht alleine dar. Wir haben es uns alle ruhiger und schöner vorgestellt, aber wir können es nicht ändern. Nun mussten wir einfach die Reißleine ziehen und erneut verschieben, die Situation ist zu unsicher.

Wenn das Konzert regulär stattgefunden hätte, wären Sie und Erry Stoklosa, das zweite Gründungsmitglied der Band, doch schon in Ruhestand, oder?

Lückerath: Das weiß ich nicht, und für Erry kann ich nicht sprechen. Ich hätte schon noch Lust zu spielen, aber es stimmt, angesichts meines Gesundheitszustandes nach dem Schlaganfall hätte ich vermutlich Ende des Jahres aufgehört. Nun ist noch ein Meniskusschaden dazu gekommen, der mit Probleme bereitet. Aber diese Konzerte auf dem Roncalliplatz will ich natürlich noch mitnehmen. Jetzt habe ich zumindest genug Zeit, um mich zu erholen.

Zur Band gehören (v.l.): Christoph Granderath, Pit Hupperten, Ralph „Gus“ Gusovius, Andreas Wegener, „Bömmel“ Lückerath, Mirko Bäumer, Hanz Thodam und Erry Stoklosa.

Seit einem Jahr ist Christoph Granderath dabei, auch um den Gitarrenpart übernehmen zu können. Das bleibt vorerst so?

Hupperten: Ja, dadurch sind wir zu acht, das ist etwas viel für eine Band. Aber wir freuen uns über diese Lösung und Bömmels weiteren Verbleib in der Band.

Ihr habt so lange nicht gespielt, was macht das mit der Band? Hannes Schöner hat bei den Höhnern mitten im Lockdown gesagt: ,Das war’s.’ Er hat seinen Rückzug auch mit der Vollbremsung des Geschäfts begründet.

Lückerath: Ich wollte ursprünglich bis 75 spielen, das wären noch vier Jahre. Ich weiß nicht, ob das noch geht. Aber jetzt merke ich auch, wie langweilig es ist, zu Hause zu sitzen. Man dreht Däumchen und weiß nicht, was man machen soll, mir fällt wirklich die Decke auf den Kopf. Ich bin nicht auf den Ruhestand vorbereitet. Es ist fürchterlich.

Die Konzerte

3 Gastspiele auf dem Roncalliplatz hatten die Bläck Fööss 2020 geplant. Die musste die Band zunächst auf dieses Jahr (2., 3. und 4. Juli) verschieben, auch das wird nicht möglich sein. Im dritten Versuch sollen die Konzerte nun am 19., 20. und 21. August kommenden Jahres stattfinden. Die Karten behalten weiter ihre Gültigkeit.Die Freitagskarten gelten für den 19., die Samstagskarten für den 20. und die Sonntagskarten für den 21. August.

2 Gründungsmitglieder der Fööss sind heute noch dabei: Günther Antonius „Bömmel“ Lückerath (71) und Ernst „Erry“ Josef Stoklosa (73). Im vergangenen Jahr ist Gitarrist Christoph Granderath (40) zur Band gestoßen, um den erkrankten Lückerath zu vertreten.

Auch in den Jahren zuvor hatte es einige Wechsel gegeben: Bassist Hanz Thodam (51) kam 2019 für Hartmut Priess, Gitarrist Pit Hupperten (46) und Sänger Mirko Bäumer (52) sind seit 2017 dabei. Langjährige Recken der Band sind Andreas Wegener (60) an Synthesizer und Akkordeon (seit 2005) sowie Ralph „Gus“ Gusovius (67) am Schlagzeug (seit 1994). (mft)

www.bläckfoeoess.de

Hupperten: Es gab Phasen, da konnten wir Autokonzerte spielen oder Streamings, virtuelle Sitzungen, das war auch schön, auch für uns als Band zusammen. Aber zurzeit geht fast nichts. Wir schreiben Stücke und treffen uns in kleinen Gruppen um zu proben, dann natürlich mit Tests. Vorläufig ist alles abgesagt. Wir können nur abwarten.

Thodam: Man bekommt zu vielen Dingen einen anderen Bezug. Ich habe mehr Zeit für meine Kinder, das ist schön, aber ich denke auch oft: Arbeiten wäre auch nicht schlecht.

Ihr habt Euch in den Liedern immer mit der Stadt und den Menschen beschäftigt. Derzeit verändert sich viel, manche sagen, es ist eine Zeitenwende. Stoff für neue Songs?

Thodam: Es ist eine Zeit, auf die wir sicher eines Tages zurückblicken werden. Und natürlich lösen die Beschränkungen Emotionen und Gefühle auch bei uns aus, so etwas fließt dann in Songs ein. Ob die dann veröffentlicht werden, ist eine andere Sache (lacht).

Hupperten: Es gibt mehr oder weniger fertige Stücke, die sich unter anderem mit der Corona-Krise beschäftigen, die sind aber noch nicht durch den Band-Tüv.

Lückerath: In der Nachkriegszeit gab es eine Situation, die vielleicht vergleichbar ist oder sein könnte. Wir haben uns intensiv mit den Liedern dieser Zeit beschäftigt. Da gab es eine unheimliche Aufbruchstimmung, man merkte, was für eine Lebenskraft in den Leuten steckt. Und das musste heraus, das fand sich alles in der Musik wieder. Jetzt hätten wir alle viele Zeit, um neue Stücke zu schreiben. Aber es ist weniger eine Frage der Zeit als eine der Perspektive, man braucht die Energie eines Neustarts.

Normalerweise würdet ihr jetzt die nächste Karnevalssession planen, oder?

Lückerath: Stimmt, da wären wir jetzt mittendrin.

Aber auch die ist offen. Wie wird die Session aussehen?

Hupperten: Sie wird hoffentlich nicht ganz ausfallen, aber man wird sich vorsichtig wieder rantasten. Das hängt davon ab, wie es mit den Impfungen weiter geht, ob es neue Mutationen gibt. Wir haben gelernt, uns nicht mehr festzulegen. Vorerst.

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Lückerath: Ich glaube nicht an diese Explosion. Es wird sich langsam entwickeln, die Leute werden vorsichtiger sein.

Seid ihr inzwischen Nachrichten-Junkies geworden? Weil für Euch so viel da dran hängt?

Thodam: Ich informiere mich morgens und abends umfassend, dann muss es auch gut sein. Man hört ja doch oft dasselbe.

Lückerath: Wenn Du hörst, dass die Österreicher oder die Niederländer wieder öffnen, dann schaut man da schon hin. Das sind Hoffnungsschimmer und die will man ja auch sehen.

Ihr seid nicht nur Musiker, sondern auch ein Unternehmen mit Technikern, Bürokräften. Wie geht es weiter für die ,Firma Fööss’?

Hupperten: Manche Mitarbeiter sind in Kurzarbeit gegangen, andere sind selbstständig wie wir, also müssen wir alle sehen wie wir durchkommen. Wir hoffen, dass wir unser Team erhalten können, dass die sich nicht nach anderen Jobs umschauen müssen. Und dass droht uns als Musikern natürlich auch.

Lückerath: Der Erry und ich müssen uns keine großen Sorgen machen. Aber für die Jungen sieht das ganz anders aus, das ist für uns alle bedrückend.

Als Musiker weiß man: Sicherheit gibt es nicht. Hilft das?

Thodam: Man weiß, dass man sich durchschlagen muss. Jeder hat auch mal andere Jobs gemacht oder Cover-Lieder gespielt. Jeder weiß, dass es harte Zeiten geben kann, ich habe immer etwas zur Seite gelegt, soweit das eben ging. Aber Reserven sind natürlich schnell weg. Andererseits: Ich bin Musiker und Songschreiber, ich möchte nichts anderes machen.

Wie wird es nach der Krise weitergehen? Wie vorher?

Hupperten: Ich spüre eine andere Wertschätzung für Musik und Literatur, einfach, weil die Leute mehr Zeit haben. Viele Leute hören wieder in Ruhe Musik, das ist doch schon was, alles ist langsamer. Bei all den Problemen die wir haben: Wir können doch auch froh sein, dass wir in einem Land leben, dass uns und andere in so einer Situation unterstützt.

Thodam: Als Musiker auf der Bühne werden wir ganz schnell wieder in der gleichen Stimmung sein, aber der Austausch mit den Menschen wird anders sein, wahrscheinlich intensiver, das freue ich mich sehr drauf. Das wird toll.

Das Gespräch führten Jens Meifert und Thorsten Moeck