Zuletzt ereigneten sich einige schwere Raser-Unfälle in Köln. Oft saßen die Verursacher in Mietautos. Hochmotorisierte Rennwagen leisten sich die jungen Männer auch durch einen Trick.
Autoposer-Szene wächstWie junge Kölner Raser sich teure Autos leisten
Irgendwann bei einer Fahrzeugkontrolle hat Ernst Klein, Erster Polizeihauptkommissar und Leiter der Verkehrsinspektion 1 bei der Kölner Polizei, die Frage gestellt, die viele Menschen beschäftigt. Vor ihm stand ein sehr stark motorisierter und schick getunter Mercedes im sechsstelligen Wert, am Steuer saß ein junger Mann. Wie er sich dieses Auto leisten könne, lautete die Frage des Beamten. Die Antwort war simpel. Sechs bis sieben junge Männer schließen sich zusammen, einer von ihnen hat ein Gewerbe angemeldet und least für 1500 Euro im Monat einen Luxussportwagen, seine Freunde beteiligen sich an den Kosten und dürfen einmal pro Woche ans Steuer. „Das ist ein gängiges Modell“, hat Klein inzwischen festgestellt.
Köln: Tödliche Unfälle mit Rasern
Jüngst haben mehrere Unfälle junger Autofahrer, die in Mietfahrzeugen mit hoher Geschwindigkeit durch die Stadt rasen, für Entsetzen gesorgt. Am Montag starb in Höhenhaus eine Autofahrerin (86), die frontal mit dem Leihfahrzeug eines Mannes (24) aus Solingen kollidiert war. Der Fahrer soll deutlich zu schnell unterwegs gewesen sein. Ein Mann (28) aus Katar sitzt in Untersuchungshaft, weil er in Deutz mit hohem Tempo in neun Autos gerast war. Und am Niehler Damm starb Ende August eine junge Frau (16), die nach einer Party mit anderen Freunden in einen Mietwagen gestiegen war, der von einem betrunkenen 17-Jährigen ohne Führerschein gelenkt worden war.
„Fakt ist, dass wir eine deutliche Zunahme verbotener Kraftfahrzeugrennen feststellen“, sagt Ernst Klein. Dies liege einerseits an einer starken Sensibilisierung, die dieses Thema bei Polizei und Öffentlichkeit gewonnen hat. Andererseits bestehe inzwischen eine „gefestigte Rechtsprechung." Seit dem Jahr 2017 gelten Fahrzeugrennen nicht mehr bloß als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftatbestand. Auch Bundesgerichtshof und Oberlandesgerichte haben sich bereits mit tödlichen Raserunfällen befasst. So gilt die Flucht vor der Polizei mittlerweile automatisch als verbotenes Rennen.
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Früher cruisten junge Männer mit lärmenden Motoren an den Wochenenden über die Ringe, dann traf sich die Szene am Kennedyufer, seit der Corona-Pandemie ist die Alfred-Schütte-Allee in Poll asphaltierte Bühne für junge Männer mit dicken Autos. „Vor einigen Jahren waren aufmotzte 3er BMW das Mittel der Darstellung. Heute fahren sie hochwertige Fahrzeuge mit 400 bis 600 PS“, stellt Atilla Mutlu fest. Er ist stellvertretender Leiter des Einsatztrupps Verkehr und damit so etwas wie ein szenekundiger Beamter. „Es geht ums Auffallen, manchmal wird kurz beschleunigt, um den Klang der Abgasanlage vorzuführen“, erzählt er.
Motorengeheul fürs Ego
Die Klientel der Autoinsassen hat sich nicht verändert. Bei einem Vortrag beim Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar skizzierte Ernst Klein die Fahrer als „ausnahmslos männlich, 18 bis 25 Jahre alt, Deutsche - vorwiegend mit Migrationshintergrund.“ Viele von ihnen erhielten „wenig Bestätigung in Schule oder Beruf“ die Motorisierung ihrer Autos bewege sich „jenseits des Handelsüblichen.“
Es gibt einige Firmen, die sich auf junge PS-Junkies als Kundschaft spezialisiert haben. Hier lassen sich hochmotorisierte Fahrzeuge tageswiese oder für ein Wochenende leihen. Einem AMG Mercedes mit V8-Motor und 510 PS gibt es für 399 Euro am Tag oder 849 Euro fürs Wochenende. Hinzu kommen Online-Shops, die allerlei Tuning-Material für erschwingliches Geld bieten – von der Klappenauspuffanlage bis zu Folien zum Abdunkeln von Brems- und Rücklichtern. Der „Einsatztrupp Verkehr“ der Kölner Polizei besteht aus zwölf Beamtinnen und Beamten. „Es besteht ein respektvoller Umgang auf beiden Seiten. Die wissen, wir haben Ahnung. Und wir behandeln niemanden von oben herab“, erklärt Mutlu.
Zunahme von Drogen am Steuer
Zugenommen haben nicht nur die illegalen Rennen auf Kölns Straßen, sondern auch die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit vieler Menschen durch Partydrogen, Haschisch oder Cannabis. „Dies ist ein großes Problem“, stellt Ernst Klein fest. Die Zahl der Verunglückten bei Unfällen unter Drogeneinfluss stieg voriges Jahr in Köln um 14,9 Prozent, bei Alkohol wurde eine Zunahme von 24,6 Prozent festgestellt. Mehrfach hatte die Gewerkschaft der Polizei zuletzt die Rückkehr zu „anlasslosen“ Verkehrskontrollen gefordert, die es kaum noch gibt.
Atilla Mutlu hatte früher selbst ein Faible für schicke Autos. Er kennt die gängigen Veränderungen, um auf der Straße optische Reize zu setzen. „Beliebt sind Gewindefahrwerke und spezielle Felgen, durch die das Fahrzeug tiefer liegt und breiter wirkt“, sagt er. Tiefer als die im Fahrzeugschein eingetragenen Abstände darf die Vorderachse nicht liegen. „Wer dann am Auto schraubt, riskiert den Verlust der Betriebserlaubnis“, erklärt er. Auch Heckspoiler und Klappenauspuffanlagen seien übliche Mittel der Autoverschönerung. Um stets auf dem aktuellen Stand der Technik zu sein, sind neueste Tuningtrends im polizeiinternen Intranet zusammengefasst.
Die Polizei setzt stark auf Prävention. Durch die Vortragsreihe „Crashkurs“ werden bei rund 70 Veranstaltungen etwa 10.000 junge Menschen pro Jahr erreicht. Sie werden mit Unfallbildern und Unfallfolgen konfrontiert. Manchmal erzählen Opfer von ihrem Schicksal. „Da herrscht 90 Minuten lang absolute Ruhe“, weiß Klein.