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Hundehaltung in KölnDer Leinenzwang wird lockerer gehandhabt als anderswo

Lesezeit 6 Minuten
Hundehalter_in_Koeln

In Köln sind annähernd 40.000 Hunde gemeldet.

Köln wächst. Der Satz ist in den vergangenen Jahren Programm geworden. Die Domstadt ist Anziehungspunkt. Immer mehr Menschen wollen in ihr wohnen. Doch Köln wächst nicht nur in Bezug auf die Einwohner. Wo der Mensch ist, da ist sein „bester Freund“ nicht weit. Auch die Zahl der Hunde nimmt stetig zu – und mit ihr die Probleme, die das so nach sich ziehen kann.

Fast 40.000 Vierbeiner sind in Köln unterwegs. Mal an der langen Leine, mal an der kurzen und gerne auch mal ganz ohne Leine. Bei zwei Mal Gassi gehen am Tag kommen da schätzungsweise 80.000 Hundehaufen täglich zusammen. Mal vom Herrchen artig eingetütet, mal nicht.

Und dann noch die „kleinen“ Reibereien – zwischen Hund und Hund sowie zwischen Hund und Mensch. Da kommt zwangsläufig die Frage auf: Wie gut passen der „domestizierte Wolf“ und die Großstadt zusammen?

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Das Handy im Blick, der Hund auf Jück

„Im Grunde bin ich erstaunt, dass es noch oft gut geht“, sagt Hundetrainerin Agata Stefanski, Inhaberin der Hundeschule Unitas. Die Problemlage kann die Expertin kurz zusammenfassen: „Immer mehr Hunde, enge Parkanlagen, wenige und schlecht platzierte Freilaufflächen und egoistische Hundebesitzer.“

Fangen wir mit den Herrchen und Frauchen an: „Ich sehe oft, dass Besitzer ihren Hund beim Spaziergang im Park gar nicht im Blick behalten“, berichtet Stefanski. Stattdessen werde intensiv aufs Handy geschaut oder mit einem Bekannten gequatscht, während der Hund buddelt, Hunden hinterher oder auf Spaziergänger zuläuft.“

Wenn der „Dackelblick“ den Kauf besiegelt

Dazu komme, viele angehende Hundebesitzer ließen sich bei der Anschaffung von Bauch und Herz leiten: „Ganz wenige machen es mit Bedacht.“ Seit über fünf Jahren bietet Stefanski in ihrer Hundeschule Unitas Kaufberatungen an. „Das Angebot wird sehr wenig genutzt.“

Die Folge kann sein: Hund und Herrchen passen nicht gut zusammen. Da schafft sich ein Couchpotato einen Sprinter oder ein Jogger einen Bettvorleger an. Und dann gibt es noch „Modehunde“. „Die Vizla-Rasse ist mittlerweile in Ehrenfeld sehr etabliert“, sagt Stefanski.

Ein Jagdhund, dessen Revier so ganz und gar nicht die Großstadt ist. Damit urbane Menschen dennoch der Mode frönen können, wird den Hunden vermehrt ihr Jagdtrieb weggezüchtet.

Verhaltenstests für „gefährliche“ Hunde

15 Hunderassen stuft das Landeshundegesetz NRW als gefährlich ein. Mag der Hund im Einzelfall auch friedlich sein, Besitzer beispielsweise eines American Staffordshire Terrier oder eines Pitbulls müssen die Friedfertigkeit ihres Tieres nachweisen, wollen sie es ohne Maulkorb oder Leine führen. Prüfungen werden durch amtliche Tierärzte oder teils auch vom Landesumweltamt durchgeführt.

Vier Testermine bietet das städtische Veterinäramt in der Regel pro Jahr an. Für eine Maulkorbbefreiung werden die Tiere mit Alltagsreizen konfrontiert, die sie aufregen oder den Jagdtrieb auslösen können. Reagieren darf der Hund durchaus auf den Reiz, es kommt aber darauf an, wie sein Halter mit der Reaktion umgeht und wie schnell der Hund sich wieder beruhigen lässt.

Sechs Halter mit jeweils einem Hund werden je Termin zugelassen. Soll das Tier auch vom Leinenzwang befreit werden, ist eine Maulkorbbefreiung Voraussetzung. Für die Leinenbefreiung muss der Hund einen guten Grundgehorsam zeigen und auch unter Ablenkungen reagieren. Über drei Stunden werden Alltagssituationen herbeigeführt. Für die Tiere gibt es aber immer wieder Pausen. (ngo)

So sind die Konflikte programmiert, und Stefanski sieht in Köln für sie einen fruchtbaren Boden. Ein Verbraucherportal im Internet hatte vor einigen Jahren mal die 25 größten Städte Deutschlands auf ihre Hundefreundlichkeit hin geprüft. Köln landete auf Platz 21.

Die Unitas-Chefin kann das schlechte Abschneiden verstehen. „Es gibt zwar viele Parkanlagen, aber in vielen von ihnen gilt Leinenzwang“, sagt sie. Dass der oft nicht beachtet werde, liege auch an zu wenigen Freilaufflächen. Und: „Die wenigen vorhandenen Freilaufflächen liegen oft an stark befahrenen Straßen und sind häufig nicht eingezäunt.

So kann die Expertin nur empfehlen: „Ein Hundekauf will gut überlegt und langfristig vorbereitet sein.“

Das Problem am anderen Ende der Leine

Soweit die Expertin. Wird ihre Einschätzung von Hundebesitzern geteilt? Andrea Petzenhauser wohnt mit ihren zwei Hunden in der Südstadt: ein englischer Springer Spaniel und eine bulgarische Promenadenmischung. Bevor sie 2018 nach Köln zog, wohnte sie auf dem Land, wurde dort mit Hunden groß.

„Großstadt und Hund vertragen sich schon. Was sich weniger verträgt, sind die Besitzer“, sagt sie. Viele wüssten mit ihrem Tier nicht umzugehen. Der Leinenzwang werde oft missachtet. Rücksichtnahme sei die Ausnahme. „Vor wenigen Tagen noch wurde ich von einem Hundebesitzer aufs Übelste angegangen , als ich ihn bat, seinen Hund bitte an die Leine zu nehmen.“

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Petzenhauser greift manchmal zu einem Trick. Obwohl ihre Hunde nicht unter den Maulkorbzwang fallen, verpasst sie ihnen schon mal einen. „Das lässt sie gefährlicher aussehen. Darum halten dann andere mit ihren Hunden lieber Abstand.“

Die mangelnde Freilaufflächen kritisiert auch sie. Ist Köln eine Hundestadt? Da ist ihr Urteil gespalten. „Ich finde es toll, dass meine Hunde kostenlos in der KVB mitfahren können. Aber die Spender für Hundetüten werden viel zu selten nachgefüllt. Die sind fast immer leer. Gerade in der Südstadt, denn hier gibt es schon viele Hunde.“ Auch bei Hundespielplätzen sieht sie großen Nachholbedarf. Die gebe es viel zu wenig in Köln.

„Freundschaftsanfrage“ auf vier Pfoten

Doch wenn das Thema Hund in der Großstadt ein so konfliktbeladenes ist, warum schaffen sich immer mehr Stadtmenschen einen an? „Man kommt raus, lernt schnell Leute kennen, kommt unkompliziert mit ihnen ins Gespräch.“ Das habe ihr beim Umzug nach Köln vor rund vier Jahren sehr geholfen, hier Fuß zu fassen, so Petzenhauser. Der Hund als Kontaktvermittler – in einer Stadt mit zunehmenden Singlehaushalten ein wichtiger Faktor und mit Grund für die steigende Zahl der Tiere.

Der Zusammenhang von Singlehaushalten und Hunden – das ist der Punkt, durch den Rolf Albach auf den Plan gerufen wird. Der Kölner FDP-Politiker hat im zuständigen Umweltausschuss nachgefragt, wie es sich in Köln mit den Hunden verhält. Wie sehr ist deren Zahl gestiegen? In welchen Stadtvierteln sind die Vierbeiner am stärksten vertreten?

So kam heraus, dass der Hund in Köln seit Jahren auf dem Vormarsch ist. Übrigens, angeblich unabhängig von Corona: „Die Zahl ist seit Jahren steigend. Eine zusätzliche Corona-Spitze können wir nicht feststellen“, sagt ein Stadtsprecher.

Weil der Trend ein stetiger ist, fordert Albach, dass er bei zukünftigen Stadtplanungen auch bedacht werden müsse. „Der Hund ist Mitbewohner geworden. Das muss beim Wohnungsbau mit eingerechnet werden“, sagt der FDP-Politiker. Jetzige Planungen gingen von 41 Quadratmeter pro Kopf aus. Doch wenn es immer mehr Hunde gerade in Singlehaushalten gebe, dann müsse das zu mehr Quadratmetern führen.

Gassi-Tourismus in der laxen Domstadt

Was die Hundeexpertin Stefanski und die Hundebesitzerin Petzenhauser freuen dürfte: Der Politiker fordert auch Konsequenzen für die Grünflächen: „Wir brauchen dann auch mehr Freilaufflächen.“ Den laxen Umgang mit dem Leinenzwang kennt auch Albach. Er sieht aber zumindest eine Teilschuld bei den Ordnungshütern. „Das muss besser kontrolliert werden.“ Er wisse von Hundebesitzern aus Leverkusen, die in Köln Gassi gehen, „weil das hier lockerer gehandhabt wird.“