Höhenkonzept in KölnWarum am Rudolfplatz zwei Bürohäuser über 30 Meter gebaut werden
Köln – An einem der zentralen Plätze Kölns wachsen aktuell zwei neue Bürohäuser in die Höhe, die das einst recht heruntergekommene Areal aufwerten sollen – nach dem Eindruck einiger Beobachter aber vor allem eines sind: ein Betonblock, 30 Meter und mehr hoch, fast doppelt so hoch wie seine Vorgänger. Im Rathaus sagt ein Bauexperte über den Rudolfplatz: „Das ist eine vertane Chance.“ Und: „Das ist zwei Geschosse zu hoch.“ Zumal die denkmalgeschützte Hahnentorburg als Nachbar nun ziemlich klein wirkt, die Häuser bilden einen Gebäudeblock und überragen sie um bis zu zehn Meter.
„Das kann nur Köln sein“
Der frühere NRW-Korrespondent im Feuilleton der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, Andreas Rossmann, hat ein Buch über Köln geschrieben, es heißt: „Das kann nur Köln sein.“ Er sagt: „Wenn an diesem prominenten Platz eine durchschnittliche Architektur durch die nächste ersetzt wird, fällt einem nichts mehr ein.“ Zum Verhältnis Neubau zur Hahnentorburg sagt Rossmann: „Die Historie wird zum Accessoire entwertet.“
Es bleiben also Fragen: Sollen Kölns prominente Flächen so aussehen? Wie kommt so etwas zustande? Oder aus anderer Perspektive: Sind die Bauten überhaupt schlimm? Braucht Köln nicht Büros und höhere Häuser, um Flächen zu sparen? War es vorher nicht schlimmer? Das Areal rund um das alte Theater war ziemlich heruntergekommen, die Torburg über eine schlichte Brücke mit der anderen Platzseite verbunden.
Was wird am Rudolfplatz gebaut?
1 „Wallarkaden“: Nach vier Jahren Bauzeit soll das achtgeschossige Haus im Sommer fertig sein (siehe Bild, Blick vom Neumarkt). Sein Vorgänger war per Brücke mit der Hahnentorburg verbunden. Verantwortlich ist die Momeni-Gruppe aus Hamburg, Architekt ist Caruso St. John aus London. Im Jahr 2019 ging der Bau für 140 Millionen Euro an eine Gesellschaft berufsständischer Versorgungswerke. Die Firmen WeWork sowie Collection Business Centerwerden einziehen, sie vermieten Büros. Im Erdgeschoss gibt es eine Bäckerei.
Höhe vorher: 15,25 Meter
Höhe nachher: 30,00 Meter (zurückspringende Geschosse bei 19 bis 20 Meter)
Höhe Torburg: 21 Meter.
2 „Haus am Rudolfplatz“: Am Ring Richtung Aachener Weiher lässt Development Partner aktuell das „Haus am Rudolfplatz“ bauen, im Frühjahr 2022 soll es fertig gebaut sein. Development Partner und Momeni hatten sich auf ein verträgliches Erscheinungsbild geeinigt. Die Pläne für das Haus stammen vom Architekten Max Dudler, er setzte sich 2017 gegen die Konkurrenz durch. AEW hat das Haus in der Zwischenzeit für eine deutsche Versicherungsgruppe gekauft. Bisher bekannt als Mieter sind die Restaurantkette Block House, die Commerzbank und ein Lebensmittelmarkt von Rewe im Erdgeschoss.
Höhe vorher: 18,47 Meter
Höhe nachher: 31,48 Meter.
Buchautor Rossmann sagt über das alte Theater: „Nicht, dass man dem Vorgängerbau nachtrauert, aber im Vergleich zu seinem Nachfolger war er geradezu originell: Etwas schräg und chaotisch, war er wenigstens abwechslungsreich, die Kachelfassade, das Fensterband mit den dreieckigen Öffnungen, der Schriftzug „Theater am Rudolfplatz“, das Glasportal, die Werbung, Details – das hatte was. 50er-Jahre-Charme, der zum Schauen und zum Entdecken einlud. Der viel zu hohe, viel zu mächtige Neubau kann das nicht, ein Blick genügt, und man weiß alles. Gesichts- und geschichtslose Architektur. Das kann nur Köln sein? Nein, das kann überall sein.“
Wie üblich haben Jurys über die Architektenentwürfe für die zwei Häuser beraten. In den Gremien sitzen Experten aus Stadtplanern und Architekten, Mitglieder der Verwaltung und Politiker aus dem Stadtrat. So ist es gang und gäbe bei prominenten Bauprojekten, so will eine Stadt ein Stück weit mitbestimmen. Ein gern gewähltes Mittel ist die Einstimmigkeit, auf die Jury-Vorsitzende am Ende setzen, obwohl teils sehr unterschiedliche Meinungen herrschen. Die Einstimmigkeit gilt als Vehikel, „damit ein solches Projekt nicht wenige Monate später schon ins Wackeln gerät“, sagt ein Experte. Ginge eine Abstimmung beispielsweise elf zu zehn aus, könnte das jede öffentliche Debatte im Nachgang befeuern. Das ist nicht gern gesehen.
Am Rudolfplatz baut im östlichen Teil Momeni die „Wallarkaden“, Development Partner zum Ring hin das „Haus am Rudolfplatz“ (siehe Info-Texte). Die Architekten Caruso St. John und Max Dudler haben die Häuser gestaltet, „renommiert“ ist dabei ein gern genommenes Wort. Ex-Baudezernent Franz-Josef Höing sah in den „Wallarkaden“ eine subtile Lösung ohne Holzhammer und im „Haus am Rudolfplatz“ einen „gelungenen baulichen Schlussstein“.
Mitglieder der Jury sind nicht glücklich damit
Ein hochrangiger Baufachmann sagt auf die Frage, ob das Renommee nicht auch ein Hilfsmittel ist, um größer bauen zu dürfen: „So ist es.“ Selbst Mitglieder der Jury sind heute unglücklich: „Das ist sehr unbefriedigend.“ Andererseits sagt ein Experte, ebenfalls Teilnehmer vieler Jurys: „Man kann auch nicht alles verhindern, sondern muss auch mal ’was machen.“
Die Mittel solcher Jurys sind begrenzt. Häufig verkaufen Projektentwickler Grundstücke immer weiter, – doch die Firma, die am Ende baut, hat einen vielfach höheren wirtschaftlichen Druck. Das hat der für Denkmalschutz zuständige Stadtkonservator Thomas Werner schon 2019 gesagt: „Darunter leidet die architektonische Qualität, weil es häufig um die reine Baumasse geht, um möglichst wirtschaftlich zu sein.“ Ein anderer, der sich viel mit Bauen beschäftigt, sagt zum Rudolfplatz: „Dann kommen solche Klötze heraus. Die bleiben Jahrzehnte.“ SPD-Stadtentwicklungsexperte Michael Frenzel sagt: „Wir müssen uns viel stärker auf das Maß und die Umgebung konzentrieren.“
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Spielt die Stadt oder die Jury nicht mit, können Investoren aber patzig sein, ihr Hebel: Dann passiert nichts. So ist es beim „Laurenz-Carré“ am Roncalliplatz gelaufen, als Stadt und Politik nicht so folgten, wie Investor Gerchgroup das wollte. Deren Chef Mathias Düsterdick drohte der Stadt, das Grundstück zu verkaufen, das hässliche Areal wäre vorerst geblieben, das schreckt schon mal ab. Es geht also darum, wie das Selbstverständnis einer Verwaltung ist, und es geht darum, wie resolut eine Jury auftritt. Hat sie am Rudolfplatz versagt? Selbst im Rathaus murren Mitarbeiter, „am Rudolfplatz gibt es nicht zu beschönigen, das ist nicht gut“.
Warum gilt das Höhenkonzept nicht?
Ein Blick auf die Zahlen hilft, um zu dokumentieren, was dort passiert: Vorher waren die Häuser laut Stadt 15,25 und 18,47 Meter hoch, ihre Nachfolger sind 30 und 31,48 Meter hoch, mit zurückgesetzten Geschossen bei den „Wallarkaden“, ein Kompromiss, Werner sagt: „Im Rahmen des Umgebungsschutzes für die Hahnentorburg konnte ich erreichen, dass die Baumasse zumindest in Höhe der Zinnen der Torburg einen Rücksprung bilden muss, damit die Baumasse die Torburg nicht erdrückt.“ Momeni-Projektleiter Felix Weinmann hatte 2015 gesagt, man müsse schauen, ob es wirklich acht Geschosse braucht, man rede mit der Stadt – der Dialog lief offenbar erfolgreich ab.
Aber gilt an dieser Stelle nicht das Höhenkonzept? Demnach dürfen Neubauten nicht höher als 22,50 Meter hoch sein. Oder das Konzept für die Ringstraßen, das dort nur sechs Geschosse plus Staffeldach erlaubt, also 25,70 Meter? Die Verwaltung teilt mit, dass die Hahnentorburg ja nun frei stehe. Und: „Ziel war es, eine umsetzbare Lösung zu finden. Im Zuge der Entwicklung des Gesamtkonzepts wurde deutlich, dass eine vom Höhenkonzept abweichende Baukubatur gestalterisch und dem Standort angemessen umgesetzt werden kann.“ Das Höhenkonzept ist laut Stadt rechtlich nicht bindend.
Einen Kölner Bauexperten lässt das ratlos zurück, er fordert: „Wir müssen in Köln aufwachen.“