AboAbonnieren

GlosseReisetipps für Ostdeutsche – Wo Köln so richtig schön „westonkelig“ ist

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Frühling im Rheinpark mit Bimmelbahn

Gemächlich tuckert die Ausflugsbahn durch den Rheinpark. So sehr alte Bundesrepublik, so sehr Westen.

Eine Autorin der Wochenzeitung „Die Zeit“ reiste jetzt für einen ersten (!) Ausflug in den Westen und kam auch in Köln vorbei. Unser Autor hätte noch einige Reisetipps für sie.

Tief im Westen gibt es sie noch, die alte Bundesrepublik. Im Café Reichard mit Blick auf die Kathedrale, wo die Damen die seidigen Haare elegant gefönt tragen. Wo die Finger mit den perfekt lackierten Nägeln vor dem Cappuccino-Genuss den Handspiegel bemühen, das Etui mit dem Lippenstift öffnen und das Tweed-Sakko glatt streichen. Alles so 90er. Gemächlich zieht die Zeit vorbei. Seit Jahrzehnten ist das Café mit der attraktiv gelegenen Terrasse eine Institution. In Köln sowieso und mit der Strahlkraft der Rheinmetropole auch im Westen des Landes, um nicht zu sagen: Westeuropa.

„Wir sollten euch was vom Soli abgeben.“
"Zeit"-Autorin im Angesicht der Innenstadt von Hannover

Zu erleben freilich nur, wenn einem der Vorteil der Reisefreiheit zuteil geworden ist. Die gilt bekanntlich auch zwischen Wismar und Görlitz seit bald 34 Jahren, doch nicht jede und jeder hat bislang die Muße gefunden, mal rüberzumachen in den Bruderstaat..., Verzeihung in die andere Hälfte des vereinigten Deutschlands. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ jedenfalls beschäftigt eine Mitarbeiterin, die sich nun aus der Selbstgeißel befreit und leicht zeitverzögert aufgemacht hat in den: „Westen“. Zum ersten Mal, wie sie sagt, sei sie in München und Hamburg gewesen, aber das sei irgendwie eine andere Kategorie (Ach, so?). Die Reise jedenfalls muss ein Wagnis gewesen sein. Die Kolleginnen raunten vorab auf dem Büroflur: „Provinz“ und, Achtung: „alles etwas dumpf“, was die deutsch-deutsche Forschungskraft schnell bestätigt sah. In Hannover etwa, wo Hässlichkeit und Ödnis der Innenstadt die Autorin zu der Herablassung zwangen: „Wir sollten euch was vom Soli abgeben.“ (Gerne!)

ZEIT ONLINE

Westdeutschland: Tief im Westen

Carolin Würfel

Bonn und Gummersbach kamen nicht viel besser weg, wobei im Oberbergischen zumindest ein Automat mit Sexspielzeug auf dem Damenklo eines Gasthauses für Erheiterung sorgte. Köln, bekanntlich der heißeste Popo der westlichen Hemisphäre, kam vergleichsweise gut weg bei der Leipzigerin. Warum, wird nicht klar, architektonische Schönheiten können es nicht sein, der Dom wird links liegen gelassen. Aber doch attestiert die Zonenfrau: „Köln ist der gediegene Westonkel, der sich von nichts so leicht erschüttern lässt.“

Herkules Hochhaus

Eine Hommage an die Kölner Kachel: das Herkules Hochhaus

Das wiederum würden wir ohne weiteres unterschreiben, hätten für den nächsten Besuch aber den ein oder anderen Reisetipp: Noch viel westonkeliger ist die Stadt im Rheinpark, wo die Ausflugsbahn durchs Grün (Foto oben) tuckert und die Seilbahn zuckerwattig daher schwebt. Oder die Kachelromantik im quietschigen Orange-Blau am Herkuleshochhaus. Hat nicht dieses Gebäude der so typischen Kölner Kacheloptik geradezu ein Denkmal gesetzt? Ganz zu schweigen vom Reissdorf-Männchen am Rudolfplatz. „Er trinkt, sie trinkt.“

Frisch restauriert zeigt sich Köln an dieser Fassade von seiner stärksten Seite: trinkfest seit 2000 Jahren. Ach, wie gerne hätten wir die Stadtführung übernommen. Auch um zu erklären: Nein, im Zentrum schreiben wir nicht das Jahr 1945. Wir bauen nur alles nochmal neu. Das Dom-Hotel, das Römisch-Germanische Museum und ein neues Rheinufer gönnen wir uns auch. Stimmt schon, das ist alles in die Jahre gekommen. Aber jetzt, wo keiner mehr die breiten Straßen will, eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten. Eine grüne Prachtallee etwa über die Hohenzollernbrücke nach Deutz, Kalk und Mülheim. Wohin? Immer Richtung Osten.