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TourauftaktDie Toten Hosen und ihre Fans feiern 40 gemeinsame Jahre.

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Der Blick auf die Bühne während des Konzerts.

Köln – „Ihr habt uns einen ganz tollen ersten Abend geschenkt“, ruft Sänger Campino nach zwei Stunden Konzert. Die Fans im RheinEnergie-Stadion jubeln, und jeder weiß, dass jetzt noch das Lied kommt, das die Stimmung am besten beschreibt: „Tage wie diese“, Stadionhymne, Glückschor, Freudengesang der Generation Tote Hosen.

Zum offiziellen Tournee-Auftakt (nach Aufwärm-Gigs bei Rock am Ring und in Flensburg) ist das Stadion ausverkauft. Die Glücksgefühle sind nach zwei Jahren Corona besonders intensiv. Gemeinsam moshen, Fahnen schwenken, die Hände recken, Hey-Ho-Wechselgesänge, all diese wunderbaren Live-Rituale zeigen, dass eben nicht alles online von daheim geht. Schon bei der Vorgruppe Feine Sahne Fischfilet wird in der Arena wild gefeiert. Aus vollem Hals „Wir sind Bonny und Clyde“ singen und sich in die Arme fallen ist nirgendwo so schön wie bei voller Lautstärke im Stadion.

Überblick

Die Toten Hosen gründeten sich in der Düsseldorfer Punk-Szene und gaben am 10. April 1982 ihr erstes Konzert. Vier der fünf Musiker sind seit den Anfangstagen dabei. „Alles aus Liebe – 40 Jahre Die Toten Hosen“ heißt ihre aktuelle Tour und das Jubiläums-Album (JKP, digital, Doppel-CD oder 4 LP). Es ist ein Best-Of mit 43 Songs, darunter sieben neuen Songs und sechs Neueinspielungen/Remixen bekannter Songs, etwa von „Willkommen in Deutschland“ und „Wünsch dir was“.

Die Toten Hosen sind für die heute 50-jährigen das, was für die 70-Jährigen die Rolling Stones sind: eine Lebensband. Mit dem Sound und Look aus der Punk-Szene ließen sich ganz früher die Eltern erschrecken. Bei den Schulpartys rockten „Hier kommt Alex“ und der „Bommerlunder“ (aka „Hip Hop Bommi Bop“). In der Studentenkneipe liefen „Alles aus Liebe“ und „Pushed Again“. Beim Gartenfest im Eigenheim gab‘s „Das ist der Moment“ und „Wannsee“, zum Public Viewing „Tage wie diese“. Das ist der Soundtrack eines Lebens.

Die Fans haben rucksäckeweise Erinnerungen und manche auch ihre Kinder mit zum Konzert gebracht, die Toten Hosen all diese wunderbaren Songs und sich selbst: Campino, Kuddel, Breiti, Andi und „den Benjamin der Band“ Vom Ritchie, der „erst seit 22 Jahren“ dabei ist. Das Programm ist ein Best-Of im besten Sinne mit all dem, was die Fans mögen und auch den Musikern selbst sichtlich Spaß macht. Von den neuen Songs sind das kraftvolle „Amore Felice“ dabei, das man hören kann als ein Liebesbekenntnis an Sänger Campinos Ehefrau, die sich konsequent aus der Öffentlichkeit fern hält, das krachende „Alle sagen das“ über Gerüchte, Gelaber und Schubladendenken oder „112“ als Hymne an die Feuerwehr.

Nostalgie ist hier nicht im Klang oder Repertoire

Live und laut im Breitwandformat sind und waren die Toten Hosen immer am Besten. Ihr Stadionsound ist heute härter und glatter als früher, die Outfits und Frisuren monochromer, die Gesichter furchiger. Sänger Campino, bald 60 Jahre alt, klingt frisch und wild, spurtet in Jeans und T-Shirt über die Bühne. Der Hosen-Sound ist bei sachter Entwicklung immer erkennbar geblieben und auch die älteren Songs sind so gut dass der Gig wie aus einem Guss tönt. Nostalgie ist hier nicht im Klang oder Repertoire, sie glimmt in den Herzen und auf den Videowänden mit Retro-Designs in schwarz-weiß oder im Tex-Mex-Stil.

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Das Verspielte und Verrotzte der früheren Band-Tage ist weg, die klare politische Position gegen Rechts, für Frieden und Toleranz bleibt unverändert. Konstant in der Bandgeschichte sind auch die kleinen Überraschungen: Mal traten die Hosen mit dem Kabarettisten Gerhard Polt und der Biermösl Blosn auf, spielten in Mini-Clubs unter dem Decknamen „Düsselpiraten vom Rhein“ und kündigten bei der Popkomm 1998 ihr Weihnachts-Albums bei Spekulatius und Glühwein an - im augustheißen Köln. 45 mal haben die Hosen schon hier gespielt, erinnert sich Campino beim Jubiläumskonzert, und versichert: „Es war immer lustig!“ Dieses Mal war es auch lustig, aber es war vor allem ausgelassen, krachend, befreiend, emotional – und auch performerisch großartig. An Tagen wie diesen wünschen wir uns Unendlichkeit.