Flaniermeile für einen TagStraßenland-Festival lockte tausende Besucher
Köln – Die Nord-Süd-Fahrt gehört wieder Fußgängern und Radfahrern. Zumindest für einen Tag. Und das ist für die meisten Besucher des Straßenland-Festivals am Sonntag wohl der Höhepunkt der Veranstaltung. An einer Kreuzung liegen Familien auf Paletten-Bänken in der Sonne, Kinder toben auf der kleinen Skate-Anlage daneben oder jagen ein paar Meter weiter nach Seifenblasen. Und so ein Sonntagsspaziergang über die am Vormittag weitestgehend verwaiste Tel-Aviv-Straße – sonst eine der Hauptverkehrs-Achsen der Stadt – hat schon seinen ganz besonderen Reiz.
Genau wie der Fußweg durch den Tunnel unter der Cäcilienstraße und der Schildergasse, der sonst nur Autos vorbehalten ist. „Das hat schon etwas, allein dafür lohnt die Veranstaltung sich“, findet ein älterer Mann, der seinen Rollator gemächlich durch den Tunnel schiebt. Am Nordausgang der Unterführung gibt der Kölner Shantychor ein Konzert. „What shall we do with the drunken sailor“, tönt es stimmungsvoll durch die Röhre.
Straßenland-Festival: Nachhaltiges städtisches Zusammenleben
Das Straßenland findet nach 2019 zum zweiten Mal statt. Auf einer Strecke von anderthalb Kilometern präsentieren sich am Sonntag über 200 Unternehmen, Initiativen, Vereine und Start-ups. Das gemeinsame Ziel: der Austausch über Ideen und Visionen eines nachhaltigen städtischen Zusammenlebens.
Ein Schwerpunkt in diesem Jahr: fleischlose Ernährung. Rund um den Offenbachplatz stellen Unternehmen ihre Lösungen für nachhaltigeren tierfreundlichen Genuss vor. „Wir versuchen gar nicht erst, wie Fleisch auszusehen oder zu schmecken“, sagt Sophia Ohnhaus vom Kölner Unternehmen Bunte Burger mit gleichnamigem Restaurant in Ehrenfeld. Das Burger-Patty aus Roten Bohnen und Rote Bete, leicht stückig und knusprig, hat es bis in die Supermarkt-Regale geschafft. Eine andere Herangehensweise verfolgt das Unternehmen Redefine Meat (die Rundschau berichtete). „Wir richten uns an Menschen, die weniger Fleisch essen wollen aber den Fleischgeschmack und die Konsistenz vermissen“, erklärt David Trümner. Die neueste Erfindung des Unternehmens mit Wurzeln in Israel: Fleisch aus Soja und Kichererbsen aus dem Drucker.
Südlich der Cäcilienstraße dreht sich vieles um einen weiteren Schwerpunkt: Stadtentwicklung und Stadtgestaltung. Auf einer Bühne diskutieren Vertreter aus Politik, Verwaltung, Kultur und Wirtschaft etwa darüber, wie Köln bis 2035 klimaneutral werden kann, wie Kreativräume in der Stadt gesichert werden können und wie tolerant Köln wirklich ist.
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„Auf der einen Seite ist Köln sehr tolerant und lebenswert. Auf der anderen Seite erleben in Köln viele People of Color jeden Tag Diskriminierung“, sagt Ahmet Edis vom Integrationsrat. Es gehe nicht nur darum, beim Lied über den „Stammbaum“ textsicher zu sein, sondern darum, die Inhalte in die Tat umzusetzen.
Unweit der Bühne zieht Sachin Kumar die Aufmerksamkeit auf sich und seinen Stand. Kumar führt seinen persönlichen Beitrag für ein besseres Stadtbild vor: eine Waschanlage für Fahrräder. „Alles ganz einfach, alles mit Selbstbedienung“, sagt Kumar stolz. Sechs Meter ist die Maschine lang, nach einem wenige Minuten dauernden Waschgang sieht das Fahrrad aus wie neu. Kostenpunkt: zehn Euro, heute kostenlos. Das führt zu langen Schlangen. „Ich habe eine Dreiviertelstunde gewartet, um das mal auszuprobieren. Sowas kannte ich noch nicht“, sagt eine Radfahrerin. Einer von vielen Visionen und Denkanstößen, die auch nach dem Festival bleiben und das städtische Leben verändern werden.