Köln – Der Weg in den Weltraum führt über Köln. Genauer nach Porz-Wahn. Dort steht das Astronautenzentrum (EAC) der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA). 140 Menschen arbeiten hier. Das EAC ist eines von fünf Trainingszentren weltweit, in denen Raumfahrer ausgebildet werden.
Rechts vor dem Gebäude flattern die Fahnen der 22 europäischen ESA-Mitgliedsstaaten, links die der vier ISS-Kooperationspartner Russland, USA, Japan und Kanada. Wer hinein möchte, muss an einer Plastik von Yury Gagarin vorbei. Am 12. April 1961 umrundete der sowjetische Kosmonaut mit gerade 27 Jahren als erster Mensch in einem Raumschiff die Erde.
Grundausbildung dauert 1,5 Jahre
Die Anforderungen sind hoch, um es Gagarin nachmachen zu dürfen. Bewerber müssen viele Voraussetzungen erfüllen, um den Herausforderungen in der Schwerelosigkeit gewachsen zu sein.
Die ISS ist zwar so groß wie zwei Fußballfelder, innen drin aber nicht größer als ein Linienflugzeug. Körperlich topfit sollten sie sein, zwischen 27 bis 37 Jahre alt, hoch gebildet, vor allem naturwissenschaftlich und technisch versiert, gut mit körperlichem und geistigen Stress umgehen können, emotional stabil und am besten nicht reizbar sein, gut kommunizieren und in einer Umwelt voller Herausforderungen bestehen können. Flugerfahrung als Pilot schadet auch nicht. Kurz und gut ein Tausendsassa sein, so wie Alexander Gerst, der schon zweimal auf der ISS gewesen ist, zuletzt sogar als Kommandant.
Hat es der Kandidat in die Astronautenklasse geschafft, beginnt seine anderthalbjährige Grundausbildung im EAC Köln. In der Zeit lernt er auch Russisch, das Steuern von Robotern und das Fliegen von Flugzeugen und er bekommt eine Einführung in Außenbordeinsätze im All. Im EAC gibt es dazu ein zehn Meter tiefes Tauchbecken, in dem die angehenden Astronauten in voller Montur Weltraumspaziergänge simulieren können. Ein maßstabsgetreues Columbus-Labor wird dafür im Wasser versenkt.
Für die körperliche Fitness der künftigen Raumfahrer gibt es im EAC ein ausgeklügeltes Sportprogramm. Neben diversen bekannten Geräten gibt es dort ein Laufband, in dem Schwerelosigkeit simuliert werden kann . Auch an Bord der ISS wird trainiert. Mit Erfolg, sagt EAC-Pressesprecher Marco Trovatello: „Alexander Gerst hat man das halbe Jahr im All kaum angemerkt. Viele Vorgänger konnten sich hingegen kaum auf den eigenen Füßen halten“.
ESA – Daten und Fakten
Die Europäische Weltraumagentur ESA ist keine Einrichtung der Europäischen Union. 20 der 22 Mitglieder (Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn und das Vereinigte Königreich) sind jedoch EU-Mitglieder, hinzukommen Norwegen und Schweiz.
Gegründet wurde die ESA 1975. Ihre Zentrale befindet sich in Paris. Forschungs- und Kontrollzentren gibt es in Darmstadt, iin Italien, Spanien, Großbritannien, den Niederlanden und Belgien, sowie das Astronautenzentrum in Köln. ESA-Trägerraketen bringen vom Europäischen Weltraumbahnhof in Kourou, Französisch-Guayana, Satelliten in den Orbit . Wichtigster Beitrag der ESA ist das wissenschaftliche Mehrzwecklabor Columbus auf der ISS, zudem hat die ESA unbemannte Raumfrachter, sogenannte ATV, entwickelt, die Lebensmittel, Treibstoff und weiteren Nachschub zur ISS bringen. Für das Orion-Raumfahrzeug der NASA, das 2020 erstmals unbemannt ins All f liegen soll, entwickelt die ESA das Antriebsmodul.
Jahresbudget der ESA: rund 5,5 Milliarden Euro. (kmü)
Nach der Grundausbildung schließt sich die allgemeine Einsatzvorbereitung auf die Arbeit in der ISS an. Die Astronauten machen sich nicht nur intensiv mit dem ESA-Labor vertraut und üben wissenschaftliche Experimente, sie sind auch bei echten medizinischen Operationen dabei, um im Ernstfall ihren Kollegen im All medizinische Hilfe leisten zu können.
Mit der Nominierung für eine Mission beginnt der letzte und intensivste Teil der Vorbereitung, in der die Astronauten alle Trainingszentren der ISS-Partnerorganisationen in den USA, Russland, Kanada und Japan durchlaufen und alle Module und Systeme kennenlernen. In Köln hält man wie in Houston und bei der DLR in Oberpfaffenhofen ständigen Funkkontakt zur ISS, auch wenn gerade kein ESA-Astronaut an Bord ist. Ob bei Außenbordeinsätzen oder bei Experimenten auf der ISS sind die Männer und Frauen an der sogenannten Eurocom-Konsole in Köln live dabei. „Wir sind die Astronauten am Boden“, sagt Physiker Michael Demel.
Trotz des minutiös durchgeplanten Arbeitstages 400 Kilometer über der Erde, ab 19.30 Uhr genießen die Astronauten Freizeit. Dann gehen die Kameras aus. Ihr persönlicher Bereich an Bord der ISS ist so groß wie eine Telefonzelle, der Schlafsack ist an der Wand befestigt, damit sie im Schlaf nicht wegschweben. Viel Komfort haben sie nicht. Dafür werden sie mit einer Aussicht entschädigt, von der wir unten auf der Erde nur träumen können.