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„Es wirkt wie eine Durchseuchung“Wie Kölner Schulen durch Corona ans Limit stoßen

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Weiße Flaggen als Zeichen der Überlastung hissten viele Kölner Grundschulen, auch die GGS Antwerpener Straße. 

Köln – Die einen fühlen sich als Schulleiter wie auf einer riskanten Segeltour bei schwerem Wetter, andere sprechen von einer Gratwanderung mit der ständigen Unsicherheit, was der nächste Schultag wohl bringen wird: Schulen und Familien leiden besonders, einige geraten ans Limit.

„Es wirkt teilweise schon wie eine Durchseuchung“

„Auch viele Offene Ganztagsangebote sind am Anschlag. Das betrifft vor allem die Grundschulen“, bestätigt Nathalie Binz von der Stadtschulpflegschaft Köln. „Es wirkt teilweise schon wie eine Durchseuchung“, meint sie mit Blick auf die schwierige Lage, Präsenzunterricht weiter zu gewährleisten. „An einer kleinen Grundschule lief am Dienstag nichts mehr wegen Personalmangels“, berichtet die Vertreterin der Elternschaft. Morgens früh um sieben Uhr seien Mails an betroffene Familien rausgegangen mit der dringenden Bitte der Schule, die Kinder möglichst zuhause zu lassen. Ein extremer Fall.

Kölns Schulen hangeln sich von einem Tag zum nächsten

„Ich habe gerade das Gefühl, wir segeln an der Kante von einem Tag zum anderen: Schaffen wir es oder schaffen wir es nicht?“, beschreibt Susanne Hobbhahn die Situation. Die Leiterin der GGS Antwerpener Straße und einige Kolleginnen und Kollegen anderer Schulen plagen in diesen Tagen Bedenken, ob der Schulbetrieb so aufrecht erhalten werden kann. Noch geht es in der Innenstadt-Grundschule. Am Montag gab es dort keinen positiven Pooltest. „Bisher fehlten bis auf ein einziges Mal keine ganzen Klassen, doch es gibt zunehmend mehr Lehrkräfte, die ausfallen“, so Hobbhahn.

Daten

Infizierten-Zahlen zu Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften weist die Stadt aktuell nicht mehr aus. Die Zahlen, die dem Gesundheitsamt vorliegen, seien derzeit nicht valide, sagt die Stadt. Das Gesundheitsamt arbeite daran, den Rückstand bei der Erfassung der Indexfälle abzuarbeiten.

1068 Infektionen gab es am Mittwoch vergangener Woche an Kölner Schulen unter den Kindern und Jugendlichen. Es war der zwischenzeitliche Höchststand einer stark ansteigenden Kurve, sowie 178 Infektionsfälle unter den Mitarbeitenden in Schulen. Die Zahlen sind längst überholt.

1704 betrug die Inzidenz für sieben Tage am vergangenen Dienstag (bezogen auf 100 000 Einwohner). Für den Mittwoch liegt der Wert aktuell bei 1559, er kann sich noch ändern.

Sie hofft, dass Prognosen sich bewahrheiten und die Zahlen nach einem steilen Anstieg der Omikron-Wand Mitte Februar wieder sinken. „Die Devise bei uns ist: Die nächsten zwei Wochen durchhalten, dann könnte es eine Entspannung geben.“ Gute Planung ist nötig, allein um das plötzlich geänderte Testverfahren zu stemmen. Die NRW-Landesregierung hatte vorige Woche plötzlich verkündet, dass an Grundschulen ab sofort nach den ersten PCR-Pooltests bei positivem Ergebnis in der Folge Schnelltests verwendet werden sollen.

Kinder sollen nur getestet zur Schule gehen

Die Schulleitung appellierte dringend an die Eltern, nur getestete Kinder in die Schule zu schicken, die an offiziellen Teststellen getestet wurden. Das sei ein Riesenaufwand, aber es klappe – bis auf einzelne Kinder, die morgens vor Unterrichtsbeginn am Schultor ungetestet „eingesammelt“ und nachgetestet werden. Dadurch gehe Unterrichtszeit verloren, schätzungsweise eine Stunde am Tag. Auf dem Stundenplan steht für Kollegien derzeit vor allem eines: Improvisieren. „Ein Risikospiel.“

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Es gebe je nach Schule „eine total unterschiedliche Situation“, sagt Eva-Maria Zimmermann, Geschäftsführerin des GEW-Stadtverbands Köln. Schon vor Corona habe es Personalmangel gegeben, nun würden Schulen durch zusätzlichen Lehrkräfteausfall an ihre Grenzen stoßen, etliche fielen wegen Krankheit und Quarantäne aus. Das müsse aufgefangen werden, „aber es fallen im Zweifel auch Sachen aus“. Generell gebe es einen „Riesen-Organisationsaufwand zusätzlich“ zum Unterricht mit Testungen, dem Einhalten der Corona-Regeln und mehr. Außerdem „versuchen Lehrkräfte beide zu bedienen, die Kinder vor Ort und diejenigen zuhause. Die Aufgaben potenzieren sich. Die Grenzen sind überschritten.“

Personalengpässe durch erkrankte Lehrer und Lehrerinnen

Zunehmend würden auch Lehrkräfte vermehrt ausfallen, weil sie infiziert sind oder in Quarantäne, berichten einige Schulen, hinzu kommen „normale“ Krankheitsfälle. Auch für die Eltern heißt es improvisieren und Nerven bewahren, wenn wieder eine Mail der Schule eintrifft: „Wir hatten einen positiven Pooltest, lassen Sie ihr Kind heute bitte zuhause.“ Das bedeutet wieder: Schnell testen. . .

Man sei „fast nur noch mit Testen beschäftigt“, meint ein Lehrer. Es sei „für viele Berufsgruppen schwierig ist bei dem explodierenden Pandemiegeschehen“, zeigt eine Grundschulpädagogin Verständnis. Sie will nicht klagen, sondern lieber die Kinder loben: „Es ist toll, wie diszipliniert und geduldig sie die Situation meistern, der Zusammenhalt ist groß.“