„Ich habe immer meine Fotos bekommen“, sagt Brigitte Stachowski rückblickend - und erzählt, wie sie das gemacht hat.
Brigitte StachowskiSo rettet die Greven Stiftung das Werk der Kölner Pressefotografin für die Allgemeinheit
Papst Johannes Paul II im Kölner Dom, der Dalai Lama, Oberstadtdirektor Kurt Rossa privat, der vom Affen Petermann verletzte Zoodirektor Gunter Nogge, Demonstrationen, Unfälle, Staatsbesuche oder erste Babyschwimmkurse. In rund 30 Jahren bei der Kölnischen Rundschau hat Fotografin Brigitte Stachowski unzählige Momente festgehalten. Beginnend in den 1970er Jahren war sie tagtäglich in der Stadt unterwegs, dokumentierte Szene um Szene. Jetzt will die gemeinnützige Irene und Sigurd Greven Stiftung ihr Werk retten. In einem digitalen Archiv soll es für die Allgemeinheit zugänglich werden.
Als Frau in einer Männerdomäne
Der Name des Projekts: „Der andere Blick“. Denn als einzige Frau in einem von Männern dominierten Berufsfeld nahm die Pressefotografin durchaus eine Sonderrolle ein. „Es war schon nicht so einfach, als Frau anzufangen“, erinnert sie sich. Dass die gebürtige Hannoveranerin, die dort am 28. Dezember 1944 zur Welt kam, sich für eine Lehre in einem Fotolabor und später für die Arbeit in einem Atelier entschied, ließ sich noch einigermaßen mit dem Frauenbild der 1960er Jahre vereinbaren. „Ich fand es aber nicht schön, im Atelier zu sein“, sagt die fast 80-Jährige. Sie machte sich selbstständig, reiste, ging für zwei Jahre nach England, arbeitete als freie Fotografin.
Schließlich fand sie den Weg zur Rundschau. Lokalredaktionsleiter Jürgen C. Jagla ließ sie zur Probe arbeiten. Und die junge Frau überzeugte. Was immer man von ihr wollte, sie bekam ihr Foto. Mit einem gehörigen Maß an Durchsetzungsvermögen. „Ich bin schon zäh“, stellt sie fest. Wenn es Drängelei gab, Fernsehkameraleute sich nach vorne drängten oder auch schon mal eine Kamera an ihren Kopf knallte, ließ sich die zierliche Frau nicht entmutigen. „Die haben gedacht: Ach die Kleine. Aber ich konnte auch mal gegen ein Bein treten.“ Oder sie schlüpfte einfach durch nach vorne. Mit einer Größe von 1,65 Metern gelang das in der Regel. Vor der Linse hatte sie dann die Bundeskanzler Brandt, Schmidt, Kohl. Immer wieder Landesvater Johannes Rau, wechselnde Kölner Oberbürgermeister und, und, und …
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„Einmal hat ein Politiker, den ich mit seiner Zigarre fotografieren wollte, darauf bestanden, dass ich auch eine rauche“, erinnert sie sich. Klar machte sie das – auch wenn sie eingefleischte Nichtraucherin war. Zimperlich sein, das galt nicht. Auch nicht als Bodyguards von Henry Ford Junior ihr im Interconti einen Blitz aus der Hand schlugen. Immerhin entschuldigte sich der Industrielle bei der Pressefotografin - und ließ sich bereitwillig fotografieren.
Bei anderen Fotos kam Brigitte Stachowski das Glück, der Zufall oder vielleicht auch so etwas wie Intuition zugute. Als die RAF im Oktober 1977 Hans Martin Schleyer im Stadtteil Braunsfeld entführt hatte, kam sie zufällig vorbeigefahren. Als eine der ersten hatte sie ihr Foto vom Wagen mit den Einschusslöchern und dem getöteten Fahrer. Auch die Attentäterin, die Oskar Lafontaine 1990 in der Mülheimer Stadthalle ein Messer in den Hals stach, fotografierte Brigitte Stachowski.
Als Profi mit Passion war sie keine, die sich selbst in den Vordergrund rückte. „Emotional schwierig war es für mich beispielsweise als wir bei der Familie des getöteten Schleyer-Fahrers waren“, erinnert sie sich.
„Ich habe immer meine Fotos bekommen“, stellt sie fest. Neben historischen Ereignissen dokumentieren die Bilder unmittelbar Zeitgeschichte, Lebensgefühl und Werte. Das fasziniert auch Dr. Damian van Melis, Vorstand der Irene und Sigurd Greven Stiftung. „Die Fotos lassen einen neuen Blick auf die Geschichte zu“, sagt der promovierte Historiker vor allem mit Blick auf die abgebildeten Alltagssituationen.
Van Melis ist begeistert vom Werk der Pressefotografin. „Sie hat ihre eigene Bildsprache. Man merkt eine Demut gegenüber dem, was vor der Kamera passiert, das erscheint wichtiger als sie selbst.“ Spürbar sei auch eine wertschätzende Grundhaltung. „Frau Stachowski nimmt sich selbst nicht so wichtig, deshalb nehmen wir sie wichtig“, bringt es van Melis auf den Punkt.
Wertschätzung und Respekt als Grundhaltung
Dabei ist das Unternehmen, die Fotos zu digitalisieren, bombastisch. Im Archiv der Kölnischen Rundschau lagerten Unmengen von Stachowski-Fotos, zusammen mit all denen ihrer Kollegen. Es gilt, sie alle zu sichten und auf allerhöchstem technischem Niveau und ohne Qualitätsverlust zu digitalisieren. Rund ein Jahr beschäftigt sich Kunsthistoriker Dr. Dennis Janzen im Auftrag der Greven Stiftung schon mit dem Werk der Pressefotografin. „Etwa 12.000 Fotoabzüge von Brigitte Stachowski sind schon digitalisiert“, erläutert Janzen. Etwa eine Million Negative, die Brigitte Stachowski bis zum Ende ihrer Berufslaufbahn bei der Rundschau belichtete, sollen noch ausgewertet werden.
Mit einer großzügigen Förderung beteiligt sich der Landschaftsverband Rheinland an dem Projekt „Der andere Blick“. Bis es vollständig abgeschlossen ist, dürften noch rund zwei Jahre vergehen. Zumal man die Bilder einer zweiten wichtigen Kölner Pressefotografin hinzunehmen wird. Ingeborg Spielmans, die 2007 verstorben ist, arbeitete von etwa 1950 bis in die 1970er Jahre für den Kölner Stadtanzeiger. „Mit den Werken der beiden Fotografinnen können wir dann 50 Jahre Stadtgeschichte aus der Sicht von Frauen dokumentieren“, sagt van Melis. Brigitte Stachowski gefällt das. „Ich bin froh, dass das bei Greven gelandet ist“, sagt sie.
Einzigartiges Projekt
Das Kooperations-Projekt zwischen Kölnischer Rundschau und der Greven-Stiftung ist nach Auskunft von Stiftungs-Vorstand Dr. Damian van Melis deutschlandweit einzigartig. Mit dem analogen Fotoarchiv der Kölnischen Rundschau steht der Stiftung ein riesiger Fundus zur Verfügung, der ohne Qualitätsverluste digitalisiert, geordnet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
Das Projekt begann 2019. Es wird von dem Kunsthistoriker Dr. Dennis Janzen und dem langjährigen und inzwischen pensionierten Rundschau-Fotografen Günter Meisenberg begleitet.
212.000 Fotos sind bereits digitalisiert. Hinter dem Team liegt eine mühsame Sortierarbeit und ein Abschluss ist noch nicht in Sicht, da es neben den Papierabzügen auch eine Vielzahl an Negativstreifen gibt.
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