AboAbonnieren

Brigitte StachowskiSo rettet die Greven Stiftung das Werk der Kölner Pressefotografin für die Allgemeinheit

Lesezeit 5 Minuten
Eine Frau hält Negative in der Hand und blickt in die Kamera.

Kurz vor ihrem 80. Geburtstag: die ehemalige Fotografin der Kölnischen Rundschau, Brigitte Stachowski.

„Ich habe immer meine Fotos bekommen“, sagt Brigitte Stachowski rückblickend - und erzählt, wie sie das gemacht hat.

Papst Johannes Paul II im Kölner Dom, der Dalai Lama, Oberstadtdirektor Kurt Rossa privat, der vom Affen Petermann verletzte Zoodirektor Gunter Nogge, Demonstrationen, Unfälle, Staatsbesuche oder erste Babyschwimmkurse. In rund 30 Jahren bei der Kölnischen Rundschau hat Fotografin Brigitte Stachowski unzählige Momente festgehalten. Beginnend in den 1970er Jahren war sie tagtäglich in der Stadt unterwegs, dokumentierte Szene um Szene. Jetzt will die gemeinnützige Irene und Sigurd Greven Stiftung ihr Werk retten. In einem digitalen Archiv soll es für die Allgemeinheit zugänglich werden.

Als Frau in einer Männerdomäne

Der Name des Projekts: „Der andere Blick“. Denn als einzige Frau in einem von Männern dominierten Berufsfeld nahm die Pressefotografin durchaus eine Sonderrolle ein. „Es war schon nicht so einfach, als Frau anzufangen“, erinnert sie sich. Dass die gebürtige Hannoveranerin, die dort am 28. Dezember 1944 zur Welt kam, sich für eine Lehre in einem Fotolabor und später für die Arbeit in einem Atelier entschied, ließ sich noch einigermaßen mit dem Frauenbild der 1960er Jahre vereinbaren. „Ich fand es aber nicht schön, im Atelier zu sein“, sagt die fast 80-Jährige. Sie machte sich selbstständig, reiste, ging für zwei Jahre nach England, arbeitete als freie Fotografin.

Entführung von Hanns Martin Schleyer, dem Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) sowie ehemaliger SS-Hauptsturmführer, am 5. September 1977 durch die linksextremistische, terroristische Vereinigung Rote Armee Fraktion (RAF) Foto vom 05.09.1977

Entführung von Hanns Martin Schleyer, dem Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) sowie ehemaliger SS-Hauptsturmführer, am 5. September 1977 durch die linksextremistische, terroristische Vereinigung Rote Armee Fraktion (RAF) Foto vom 05.09.1977

Schließlich fand sie den Weg zur Rundschau. Lokalredaktionsleiter Jürgen C. Jagla ließ sie zur Probe arbeiten. Und die junge Frau überzeugte. Was immer man von ihr wollte, sie bekam ihr Foto. Mit einem gehörigen Maß an Durchsetzungsvermögen. „Ich bin schon zäh“, stellt sie fest. Wenn es Drängelei gab, Fernsehkameraleute sich nach vorne drängten oder auch schon mal eine Kamera an ihren Kopf knallte, ließ sich die zierliche Frau nicht entmutigen. „Die haben gedacht: Ach die Kleine. Aber ich konnte auch mal gegen ein Bein treten.“ Oder sie schlüpfte einfach durch nach vorne. Mit einer Größe von 1,65 Metern gelang das in der Regel. Vor der Linse hatte sie dann die Bundeskanzler Brandt, Schmidt, Kohl. Immer wieder Landesvater Johannes Rau, wechselnde Kölner Oberbürgermeister und, und, und …

Geiseldrama Gladbeck
18.08.1988

Geiseldrama Gladbeck 18.08.1988

„Einmal hat ein Politiker, den ich mit seiner Zigarre fotografieren wollte, darauf bestanden, dass ich auch eine rauche“, erinnert sie sich. Klar machte sie das – auch wenn sie eingefleischte Nichtraucherin war. Zimperlich sein, das galt nicht. Auch nicht als Bodyguards von Henry Ford Junior ihr im Interconti einen Blitz aus der Hand schlugen. Immerhin entschuldigte sich der Industrielle bei der Pressefotografin - und ließ sich bereitwillig fotografieren.

Köln - Bundeskanzler Helmut Schmidt hält im Rahmen einer Gedenkstunde der Juden in Deutschland anlässlich derReichspogromnachtvor 40 Jahren eine Rede in der Kölner Synagoge. - Foto vom 09.11.1978

Köln - Bundeskanzler Helmut Schmidt hält im Rahmen einer Gedenkstunde der Juden in Deutschland anlässlich der Reichspogromnacht vor 40 Jahren eine Rede in der Kölner Synagoge. - Foto vom 09.11.1978

Bei anderen Fotos kam Brigitte Stachowski das Glück, der Zufall oder vielleicht auch so etwas wie Intuition zugute. Als die RAF im Oktober 1977 Hans Martin Schleyer im Stadtteil Braunsfeld entführt hatte, kam sie zufällig vorbeigefahren. Als eine der ersten hatte sie ihr Foto vom Wagen mit den Einschusslöchern und dem getöteten Fahrer. Auch die Attentäterin, die Oskar Lafontaine 1990 in der Mülheimer Stadthalle ein Messer in den Hals stach, fotografierte Brigitte Stachowski.

Köln - 25.04.1990 - auf einer Wahlkampfveranstaltung in der Köln-Mülheimer Stadthalle zur Landtagswahl in NRW wird der Kanzlerkandidat der SPD, Oskar Lafontaine von der geistig verwirrten Adelheid Streidel niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. - Im Bild: die Täterin im Publikum

Köln - 25.04.1990 - auf einer Wahlkampfveranstaltung in der Köln-Mülheimer Stadthalle zur Landtagswahl in NRW wird der Kanzlerkandidat der SPD, Oskar Lafontaine von der geistig verwirrten Adelheid Streidel niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. - Im Bild: die Täterin im Publikum

Als Profi mit Passion war sie keine, die sich selbst in den Vordergrund rückte. „Emotional schwierig war es für mich beispielsweise als wir bei der Familie des getöteten Schleyer-Fahrers waren“, erinnert sie sich.

„Ich habe immer meine Fotos bekommen“, stellt sie fest. Neben historischen Ereignissen dokumentieren die Bilder unmittelbar Zeitgeschichte, Lebensgefühl und Werte. Das fasziniert auch Dr. Damian van Melis, Vorstand der Irene und Sigurd Greven Stiftung. „Die Fotos lassen einen neuen Blick auf die Geschichte zu“, sagt der promovierte Historiker vor allem mit Blick auf die abgebildeten Alltagssituationen.

Köln - Anlässlich des 700. Todestages von Albertus Magnus besuchte Papst Johannes Paul II. (hier während eines Gottesdienstes im Kölner Dom) zum ersten Mal in seinem Pontifikat Deutschland. Köln war die erste Station seiner Pilgerreise. - Foto 15.11.1980

Köln - Anlässlich des 700. Todestages von Albertus Magnus besuchte Papst Johannes Paul II. (hier während eines Gottesdienstes im Kölner Dom) zum ersten Mal in seinem Pontifikat Deutschland. Köln war die erste Station seiner Pilgerreise. - Foto 15.11.1980

Van Melis ist begeistert vom Werk der Pressefotografin. „Sie hat ihre eigene Bildsprache. Man merkt eine Demut gegenüber dem, was vor der Kamera passiert, das erscheint wichtiger als sie selbst.“ Spürbar sei auch eine wertschätzende Grundhaltung. „Frau Stachowski nimmt sich selbst nicht so wichtig, deshalb nehmen wir sie wichtig“, bringt es van Melis auf den Punkt.

Der Kölner Musiker Jupp Schmitz (*15.02.1901 / + 26.03.1991) mit seiner Frau Bärbel - Der am Kölner Konservatorium ausgebildete Pianist arbeitete zunächst als Pianist in Stummfilmkinos, leitete ein eigenes Orchester und trat in Hotels auf. - Nach dem 2. Weltkrieg kam Schmitz 1949 zum Karneval und landete mit seinem ersten Karnevalslied "Wer soll das bezahlen" einen riesigen Erfolg. In den Folgejahren schrieb und komponierte Schmitz viele weitere Schlager und Karnevalslieder wie "Em Winter, doh schneit et, em Winter es et kalt" oder "Es ist noch Suppe da" und "Am Aschermittwoch ist alles vorbei" , die heute zu den Schlager-Klassikern gehören - Foto vom 24.01.1986

Der Kölner Musiker Jupp Schmitz (*15.02.1901 / + 26.03.1991) mit seiner Frau Bärbel - Der am Kölner Konservatorium ausgebildete Pianist arbeitete zunächst als Pianist in Stummfilmkinos, leitete ein eigenes Orchester und trat in Hotels auf. - Nach dem 2. Weltkrieg kam Schmitz 1949 zum Karneval und landete mit seinem ersten Karnevalslied 'Wer soll das bezahlen' einen riesigen Erfolg. In den Folgejahren schrieb und komponierte Schmitz viele weitere Schlager und Karnevalslieder wie 'Em Winter, doh schneit et, em Winter es et kalt' oder 'Es ist noch Suppe da' und 'Am Aschermittwoch ist alles vorbei' , die heute zu den Schlager-Klassikern gehören - Foto vom 24.01.1986

Wertschätzung und Respekt als Grundhaltung

Dabei ist das Unternehmen, die Fotos zu digitalisieren, bombastisch. Im Archiv der Kölnischen Rundschau lagerten Unmengen von Stachowski-Fotos, zusammen mit all denen ihrer Kollegen. Es gilt, sie alle zu sichten und auf allerhöchstem technischem Niveau und ohne Qualitätsverlust zu digitalisieren. Rund ein Jahr beschäftigt sich Kunsthistoriker Dr. Dennis Janzen im Auftrag der Greven Stiftung schon mit dem Werk der Pressefotografin. „Etwa 12.000 Fotoabzüge von Brigitte Stachowski sind schon digitalisiert“, erläutert Janzen. Etwa eine Million Negative, die Brigitte Stachowski bis zum Ende ihrer Berufslaufbahn bei der Rundschau belichtete, sollen noch ausgewertet werden.

Der Volksschauspieler Willy Millowitsch reitet im Kölner Zoo auf einem Elefanten- Foto vom 13.01.1975

Der Volksschauspieler Willy Millowitsch reitet im Kölner Zoo auf einem Elefanten- Foto vom 13.01.1975

Mit einer großzügigen Förderung beteiligt sich der Landschaftsverband Rheinland an dem Projekt „Der andere Blick“. Bis es vollständig abgeschlossen ist, dürften noch rund zwei Jahre vergehen. Zumal man die Bilder einer zweiten wichtigen Kölner Pressefotografin hinzunehmen wird. Ingeborg Spielmans, die 2007 verstorben ist, arbeitete von etwa 1950 bis in die 1970er Jahre für den Kölner Stadtanzeiger. „Mit den Werken der beiden Fotografinnen können wir dann 50 Jahre Stadtgeschichte aus der Sicht von Frauen dokumentieren“, sagt van Melis. Brigitte Stachowski gefällt das. „Ich bin froh, dass das bei Greven gelandet ist“, sagt sie.


Einzigartiges Projekt

Das Kooperations-Projekt zwischen Kölnischer Rundschau und der Greven-Stiftung ist nach Auskunft von Stiftungs-Vorstand Dr. Damian van Melis deutschlandweit einzigartig. Mit dem analogen Fotoarchiv der Kölnischen Rundschau steht der Stiftung ein riesiger Fundus zur Verfügung, der ohne Qualitätsverluste digitalisiert, geordnet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

Das Projekt begann 2019. Es wird von dem Kunsthistoriker Dr. Dennis Janzen und dem langjährigen und inzwischen pensionierten Rundschau-Fotografen Günter Meisenberg begleitet.

212.000 Fotos sind bereits digitalisiert. Hinter dem Team liegt eine mühsame Sortierarbeit und ein Abschluss ist noch nicht in Sicht, da es neben den Papierabzügen auch eine Vielzahl an Negativstreifen gibt.

Das Online-Archiv steht allen registrierten Nutzern offen. Die Sichtung der Bilder ist kostenlos, ihre Verwendung kann nach Absprache genehmigt werden. Sehr willkommen ist die Kommentarfunktion: Hier können die Nutzer ihr Wissen zu einem Bild mitteilen. Die Kommentare sind nicht öffentlich sichtbar, werden aber für die weitere Verschlagwortung ausgewertet.

Greven-archiv-digital.de