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Interview

Berivan Aymaz, OB-Kandidatin der Grünen
„Ich trete an, um zu gewinnen“

Lesezeit 6 Minuten
Berivan Aymaz

Überwältigend sei für sie die Mitgliederversammlung der Grünen gewesen, sagt die frisch gewählte OB-Kandidatin Berivan Aymaz.

OB-Kandidatin Berivan Aymaz will für die Grünen Verwaltungschefin werden. Im Interview spricht sie über Schmutz, Sicherheit und Bauprojekte in der Stadt.

Mit 91 Prozent der gültigen Stimmen wurde Berivan Aymaz am Samstag von den Grünen als OB-Kandidatin nominiert. Mehr als 450 Parteimitglieder und Gäste kamen zu der Versammlung in der Comedia.

In Ihrer Rede haben Sie Ihren verstorbenen Vater erwähnt, der in der Türkei Bürgermeister war. Wann entstand Ihr Wunsch, fürs OB-Amt in Köln zu kandidieren?

Dieses Amt ist für mich, weil ich als Kind eines Bürgermeisters groß geworden bin, immer schon sehr besonders gewesen. Ich habe früh gelernt, dass politische Gestaltung und Demokratieverteidigung vor allem vor Ort in den Städten und Gemeinden stattfindet. Ich bin selbst ja schon Kommunalpolitikerin gewesen im Kölner Stadtrat von 2014 bis 2017. Als derzeit direkt gewählte Landtagsabgeordnete für Köln bin ich sehr eng angebunden an unsere Stadt und die Menschen. Als die Findungskommission dann an mich herangetreten ist, habe ich viele Gespräche geführt und mich danach entschieden, den Kölnerinnen und Kölnern mit meiner Person und meinen Erfahrungen das Angebot zu machen.

Was treibt Sie dabei an?

Ich möchte eine Oberbürgermeisterin für alle Menschen dieser Stadt sein. Ich weiß um die Stärken und Potenziale unserer Stadt und dass wir vor großen Aufgaben stehen. Aber in dieser Zeit kommt es doch darauf an, für die Menschen da zu sein, zuzuhören und gemeinsam Lösungen zu finden und diese auch umzusetzen. Mir ist dabei wichtig, einen Politikstil des demokratischen Miteinanders fest zu etablieren und auch die Menschen zu hören, die vielleicht nicht immer so laut sind.

Welche Themen sind Ihnen besonders wichtig, wo wollen Sie Ihre Schwerpunkte setzen?

Wir stehen vor großen Herausforderungen, die Stadtkasse ist leer. Das zwingt uns dazu, genau zu überlegen und zu schauen: Was brauchen die Menschen in dieser Stadt, was wollen sie? Welches Projekt ist wirklich notwendig, um die Lebensqualität der Menschen zu verbessern? Dazu gehören zum Beispiel bezahlbare Wohnungen, dass der öffentliche Nahverkehr besser funktioniert und dass wir unsere Wirtschaft stärken und den Standort Köln als eine weltoffene Metropole voranbringen. Es wird auch darum gehen, die Klimaziele, die diese Stadt sich vorgenommen hat, tatsächlich voranzutreiben – auch wenn das die Menschen aktuell nicht so sehr beschäftigt. Denn auch das wird entscheidend dabei sein, unsere Stadt attraktiver, gesünder und gerechter zu machen.

Für viele Menschen in Köln stehen derzeit eher Sicherheit und Sauberkeit im Vordergrund…

Ich weiß, dass diese Themen ganz viele Menschen umtreiben, genauso auch mich. Denn Sicherheit ist die Voraussetzung für ein gutes Zusammenleben in unserer Stadt. Ich weiß, leider auch aus persönlicher Erfahrung, dass das Sicherheitsgefühl aus unterschiedlichen Motiven angegriffen wird. Damit Frauen, Queere, ältere Menschen, Jüdinnen und Juden, Menschen egal welcher Herkunft sich zu jeder Uhrzeit sicher in unserer Stadt bewegen und aufhalten können, braucht es ein gutes Zusammenwirken unserer Ordnungskräfte und der Polizei. Genauso aber auch Präventivmaßnahmen. Auch als ehemaliges Mitglied des Polizeibeirats in Köln weiß ich, wie wichtig es ist, frühzeitig und vorausschauend Maßnahmen zu ergreifen, die unsere Sicherheit erhöhen. Und selbstverständlich ist für mich auch, dass wir gegen organisierte Kriminalität und Straftaten mit allen Mitteln unseres Rechtsstaates vorgehen müssen. Wir wissen alle, dass bei der Sauberkeit in unserer Stadt noch viel Luft nach oben ist. Und Sauberkeit macht unsere Stadt nicht nur schöner und lebenswerter, sondern trägt auch dazu bei, dass sich das Sicherheitsgefühl erhöht und sich alle wohlfühlen können.

Wen sehen Sie im kommenden OB-Wahlkampf als Ihren größten Konkurrenten? Torsten Burmester von der SPD oder Markus Greitemann von der CDU?

Ich habe Respekt vor allen demokratischen Mitbewerberinnen und Mitbewerbern. Ich habe schon mehrere Wahlkämpfe hinter mir, und für mich war es immer wichtig, dabei fair miteinander umzugehen. Dafür stehe ich. Ich weiß um meine Qualitäten und meine eigenen Stärken. Und darauf konzentriere ich mich.

Wie würden Sie Ihre Qualitäten beschreiben?

Als Tochter dieser Stadt kenne ich alle Facetten Kölns und bin bereits in unserer Stadtgesellschaft vernetzt. Ich stehe für pragmatische Lösungen, und für mich war es als Politikerin immer schon zentral, nahbar und bei den Menschen zu sein. In diesen Zeiten kommt es doch gerade auch darauf an, unsere Stadt zusammenzuhalten und sie gemeinsam nach vorne zu bewegen. Als Brückenbauerin und als eine, die voran geht, möchte ich für Köln Verantwortung übernehmen. Dafür bringe ich langjährige politische Führungserfahrung mit sowie die Fähigkeit, Konflikte zu moderieren, Mehrheiten zu organisieren, und den Mut, Entscheidungen wirklich zu treffen und sie nicht zu vertagen.

Kritiker könnten Ihnen vorwerfen, dass Sie keine Verwaltungserfahrung haben und nicht qualifiziert seien, die Verwaltung der größten Stadt in NRW zu leiten. Wie gehen Sie damit um?

Wir haben viele kompetente und engagierte Menschen in unserer Verwaltung, im Rat und in unseren städtischen Unternehmen. Führung heißt für mich, diese Kompetenzen so zusammenzuführen, dass daraus das gemeinsam beste Ergebnis wird. Ich will mit viel Empathie aus einer Gruppe guter Leute auch wirklich ein Team machen. Aus meiner Erfahrung in der Politik weiß ich, dass das Management von Entscheidungsprozessen und Strukturen Klarheit und Verbindlichkeit braucht, diese bringe ich mit.

Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein?

Ich trete an, um zu gewinnen. Die Grünen haben sich als stärkste Kraft in Köln etabliert, und mit meiner Person und meinen Qualitäten will ich darüber hinaus neue Wählerschaften erreichen.

Viele Großprojekte in Köln sind aus dem Ruder gelaufen. Würden Sie die Bühnensanierung stoppen, falls kein Ende absehbar ist?

Wie für alle Kölnerinnen und Kölner ist dieses Desaster auch für mich unfassbar. Deswegen ist es gut, dass der Rat jetzt das Rechnungsprüfungsamt beauftragt hat, die Vorgänge der Sanierung zu untersuchen. Je nachdem, was dieser Bericht zu Tage bringen wird, gilt es dann, die richtigen Konsequenzen daraus zu ziehen. So was darf nicht wieder vorkommen.

Wo sollte Köln angesichts der Haushaltskrise Ihrer Meinung nach sparen?

Unsere Infrastruktur ist marode, wie zum Beispiel die Mülheimer Brücke, die müssen wir sanieren, da führt kein Weg dran vorbei. Ich möchte, dass in Zukunft begonnene Projekte so aufgestellt werden, dass sie zügig zu Ende gebracht werden und keine endlosen Kostensteigerungen mit sich bringen.

Klar ist aber auch, dass in den sozialen Strukturen nicht gespart werden darf, da sie unsere Stadtgesellschaft zusammenhalten.

Wie soll es mit dem Ausbau der Ost-West-Achse weitergehen?

Statt jetzt in sündhaft teure Großprojekte wie diesen Tunnel zu investieren, der erst in Jahrzehnten fertig gestellt wird, brauchen wir schnelle Lösungen. Die Planungen hierfür liegen auf dem Tisch. Ich hoffe auf eine möglichst breite Mehrheit der Demokratinnen und Demokraten im Rat, damit die Ost-West-Achse zügig ausgebaut werden kann. Darüber hinaus muss der ÖPNV in Köln natürlich langfristig und nachhaltig erweitert werden.


Zur Person

2017 ist Berivan Aymaz über Liste in den Landtag eingezogen, 2022 wurde sie direkt wiedergewählt. Zuvor war sie ab 2014 Mitglied des Kölner Stadtrats. Sie ist kurdischer Abstammung, wurde 1972 in der Türkei geboren und lebt seit 1980 in Köln. Nach dem Abitur studierte sie Jura in Köln und Politik in Duisburg, sie erwarb keinen Abschluss. Als Beruf gibt sie auf der Internetseite des Landtags an: „Vizepräsidentin des Landtags; Übersetzerin, Moderatorin“.

2009 wurde Aymaz Mitglied der Kölner Grünen, 2013 stieg sie in den Kreisvorstand auf und kandidierte – erfolglos – für den Bundestag. Im Landtag ist sie Sprecherin der Grünen-Fraktion für „Europa, Internationales und Eine Welt“. Sie ist ordentliches Mitglied im Ältestenrat und im Ausschuss Europa und Internationales sowie stellvertretendes Mitglied im Innenausschuss, Integrationsausschuss und Parlamentarischen Kontrollgremium. (fu)