Köln – Es dürfte ein im Erzbistum einmaliger Vorgang sein: Eine Gemeinde lädt ihren Bischof aus. In einem Offenen Brief bitten 140 Unterzeichner aus dem Umfeld der Düsseldorfer Kirche St. Margaretha den Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki darum, nicht die Firmung in ihrer Gemeinde durchzuführen. Er solle doch bitte an seiner statt einen anderen Geistlichen schicken, heißt es in dem Schreiben. Die Begründung: Eine Firmung könne nur ein Priester vollziehen, der als Christ in seinem Amt und in seinem Handeln glaubwürdig sei. „Sie sind das leider für uns nicht mehr“, schreiben die Unterzeichner.
Die Gemeinde St. Margaretha ist in besonderem Maße von den Missbrauchsvorwürfen im Erzbistum Köln betroffen. In ihr war ein Priester tätig, dem sexuelle Strafhandlungen vorgeworfen wurden. Er galt als theologischer Ziehvater Woelkis. Als die Vorwürfe nach Jahrzehnten hochkamen, sah Woelki in seiner Zuständigkeit als Bischof davon ab, eine Meldung nach Rom zu machen. Der Beschuldigte litt zu dieser Zeit an einer schweren Demenz. Dass er dadurch nicht mehr vernehmungsfähig war, bescheinigte dem Kardinal das Missbrauchsgutachten der Kölner Kanzlei Gercke. Der Gutachter sieht keinen Verstoß in Woelkis Vorgehen.
„Schlechtes Bauchgefühl“
In einem Interview mit der Kirchenzeitung geht Kardinal Woelki auf Personalentscheidungen ein, wie beispielsweise im Fall des Düsseldorfer Geistlichen, den er trotz mehrerer unbewiesener Vorwürfe der sexuellen Übergriffigkeit und der nachgewiesenen sexuellen Handlung mit einem minderjährigen Prostituierten in eine Führungsposition beförderte:„Mir fallen beispielhaft Personalentscheidungen ein. Da hatte ich manchmal ein schlechtes Bauchgefühl und habe trotzdem zugestimmt.
Genau an dem Beispiel von Personalentscheidungen wird aber auch das weitere Dilemma deutlich. Sie dürfen als Personalverantwortlicher eben nicht nur auf ihr Gefühl hören. Sie dürfen aber auch nicht Gerüchte zum Entscheidungskriterium machen. [...] Vielleicht hätte ich mich gegen bestimmte Kandidaten entscheiden müssen. Aber ich hatte keine Beweise, nur ein Bauchgefühl. Dazu müssen Sie in Leitungsämtern dauernd sehr, sehr viele Entscheidungen treffen. Da machen Sie Fehler. Eine bittere Wahrheit.“ (ngo)
So auch im Falle eines Priesters, der in der Düsseldorfer Gemeinde als Kaplan tätig war. Woelki beförderte ihn Jahre später in eine verantwortungsvolle Position, obwohl aktenkundig war, dass der Geistliche in Köln sexuellen Kontakt zu einem minderjährigen Prostituierten hatte (siehe Infotext). Auch in diesem Fall sei dem Kardinal nichts vorzuwerfen, wie sein Generalvikar Markus Hofmann vor wenigen Wochen in einem Interview sagte. Bei dem Vorgang habe es sich weder nach weltlichem noch nach kirchlichem Recht um eine Straftat gehandelt.
Wie bereits der Katholikenausschuss Köln, so zeigen sich auch die Gemeindemitglieder aus Düsseldorf „empört“ über diese Argumentation: „Die juristische Aufarbeitung reicht nicht aus. Wir brauchen auch eine systematische moralische und theologische Aufarbeitung.“
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Nicht nur von der Firmung durch den Erzbischof am 9. Juni will die Gemeinde absehen, auch ein von Woelki angebotenes Gespräch für den kommenden Donnerstag lehnt sie ab. Wie aus dem Schreiben hervorgeht, sollte das Gespräch wohl zu den üblichen Bedingungen stattfinden, die Woelki in solchen Fällen stellt: Der Teilnehmerkreis muss eng begrenzt sein, Stillschweigen muss zugesichert werden. „Einen offenen Dialog auf Augenhöhe stellen wir uns anders vor“, heißt es dazu in dem Brief. Zudem fühle man sich durch die medienwirksame Firmung und das Gesprächsangebot vor dem Hintergrund der aktuellen Probleme im Erzbistum instrumentalisiert. Dennoch: Ein Gespräch nach dem Firmungstermin sei durchaus denkbar.
Woelki: Respektlosigkeit einander vergeben
Auf Nachfrage der Rundschau wollte das Erzbistum vorerst keine Stellung zu dem Offenen Brief beziehen. In seiner Predigt zu Pfingstsonntag ging Woelki allerdings auf die Diskussionen um den Umgang mit den Missbrauchsfällen und mit Reformforderungen ein. „Verliert die Kirche sich vielleicht nicht auch deswegen, weil sie zu wenig aus der Freude am auferstandenen Herrn lebt?“, fragte der Kardinal im Kölner Dom. „Nur wenn wir uns vom Glauben, von der Freude an ihm packen lassen, können wir die Unterstellungen und Behauptungen, die Lieb- und Respektlosigkeiten der vergangenen Wochen und Monate einander vergeben.“