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Ukrainekrieg und LandeszuweisungenKöln muss bis zu 12.000 geflüchtete Menschen unterbringen

Lesezeit 4 Minuten
Eine aus der Ukraine geflüchtete Familie auf den Weg in ein sicheres Land.

Eine aus der Ukraine geflüchtete Familie auf den Weg in ein sicheres Land.

Um den Schutz geflüchteter Menschen zu gewährleisten, will die Verwaltung neue Unterbringungsmöglichkeiten schaffen.

Die Stadt rechnet damit, dass sie noch im Laufe dieses Jahres mehr geflüchtete Menschen unterbringen muss als derzeit. Am Stichtag 30. Juni hat sie 8700 geflüchteten oder unerlaubt eingereisten Menschen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit einen Unterbringungsplatz zur Verfügung gestellt. Zukünftig werden 12.000 Plätze benötigt, so die Prognose der Verwaltung. Hauptgründe seien Veränderungen der politischen Lage in Nachbarländern, verstärkte Angriffe auf Städte der Ukraine und zu erwartende Zuweisungen des Landes. Dennoch liegt die aktuelle Prognose weit unter der für das Vorjahr; damals war ein Bedarf von 15.200 Plätzen vorhergesagt worden.

Da der Beschluss des Vorjahres nur für den Zeitraum bis zum 31. März Geltung hatte, drängt die Zeit jetzt sehr, einen neuen Beschluss zu fassen und damit die benötigte Finanzierung sicherzustellen. Deshalb soll der Hauptausschuss, der am kommenden Dienstag, 22. Juli, tagt, über die Vorlage abstimmen. In die Sitzungen der Fachausschüsse und des Rates im Mai und Juni habe man sie leider nicht einbringen können, teilte die Verwaltung jetzt mit. Die Vorlage habe komplexe verwaltungsinterne Abstimmungen erfordert und sei vor dem Hintergrund einer angespannten Haushaltssituation entstanden.

Pause bei der Landes-Zuweisung Geflüchteter ist beendet

Mit 8700 geflüchteten Menschen bringt die Stadt derzeit deutlich weniger als in den vergangenen Jahren unter; im März 2023 hatte es einen Höchststand von 11.388 Geflüchteten gegeben. Das relativ niedrige Niveau hat nach Einschätzung der Verwaltung mehrere Gründe. Dazu zählen die zeitlich befristeten verstärkten Grenzkontrollen an den EU-Grenzen zu Polen und Tschechien und die verschärften Kontrollen im Zuge der Fußball-Europameisterschaft.

Ebenso nur noch kurzzeitig entlastend wirke sich der Beschluss der Bezirksregierung Arnsberg aus, Geflüchtete zunächst in den gerade erweiterten Landesunterkünften unterzubringen. Zudem erfüllt Köln die vom Land festgelegte Aufnahmequote aktuell nur zu 89,25 Prozent (Stand Ende Juni); damit bringt die Stadt 1836 Geflüchtete weniger unter als sie müsste. Zu den Asylsuchenden kommen Kontingente an Geflüchteten hinzu, die aus humanitären oder politischen Gründen aufgenommen werden und die kein Asylverfahren durchlaufen. Dazu gehören etwa Ortskräfte aus Afghanistan, Regimegegner aus dem Iran oder Dissidenten aus Russland. Diese werden über den Jahreszeitraum etwa 160 Plätze in Anspruch nehmen. Deshalb sieht die Verwaltung hier einen konkreten Mehrbedarf von rund 2000 Plätzen. Über die Landeszuweisungen kommen neben politisch verfolgten Menschen aus der Türkei auch weiterhin Menschen aus Afghanistan, Syrien, Iran und Irak nach Köln, die durch repressive Regime und instabile politische Verhältnissen gefährdet sind.

Verschärfte Migrationspolitik durch Machtwechsel bei EU-Nachbarn

Mit 2556 Menschen bringt die Stadt aktuell etwas weniger Ukraine-Geflüchtete unter als 2023. Trotz des Krieges seien Menschen in die Ukraine zurückgekehrt, etwa weil dort hilfsbedürftige Verwandte wohnen, andere hätten eine Wohnung in Köln gefunden, so die Verwaltung. Aufgrund der Bombardierung der Millionenstadt Charkiw seien jedoch weitere Fluchtbewegungen zu erwarten. Zudem bringe die Stadt auch verletzte Soldaten und Zivilisten unter, die mit MediEvac-Evakuierungsflügen auf dem Flughafen Köln-Wahn landen. Selbst wenn der Ukraine-Krieg beendet werden könnte, sei angesichts der vielfach zerstörten Infrastruktur und zunehmender Integration in Köln nicht von einer schlagartigen Rückkehr sämtlicher Geflüchteter auszugehen, so die Vorlage weiter. Zudem sei zu befürchten, dass EU-Länder wie die Niederlande, Italien und Frankreich aufgrund politischer Wechsel ihre Migrationspolitik verschärfen und auf Sicht weniger Asylsuchende aufnehmen.

Um 300 Plätze aufgestockt werden müsse die Kapazität auch für unbegleitete Jugendliche über 18 Jahren und für unerlaubt eingereiste Menschen aus den Westbalkanstaaten. Dazu kämen 500 Plätze, die nicht dauerhaft belegt würden, um sicherzustellen, dass jederzeit Geflüchtete aufgenommen werden könnten.

Derzeit gibt es 11.138 Plätze, aber etliche Verträge laufen aus

Derzeit stehen der Stadt 11 138 Unterbringungsplätze zur Verfügung; deren Zahl reduziert sich im kommenden Jahr auf rund 8000, weil Verträge mit Hotels und Genehmigungen für Container auslaufen. Deshalb prüft die Stadt schon jetzt Erweiterungsmöglichkeiten bei bestehenden Objekten, die Anmietung geeigneter Wohneinheiten, die Akquise gewerblicher Unterkünfte, die Nutzung städtischer Objekte und Flächen sowie die sozialverträgliche Verdichtung der Belegung. Sowohl die Aufstockungen von Wohncontainern als auch die Verdichtung der Plätze sei jedoch weitgehend ausgeschöpft. Mittel- und langfristige Optionen für die Unterbringung und Wohnraumversorgung geflüchteter Menschen würden geprüft; allerdings fehle hier Personal ebenso wie geeignete Objekte, um diese kurzfristig umzusetzen.