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Amphi-Festival12500 Besucher aus der „schwarzen Szene“ feierten zusammen

Lesezeit 4 Minuten

Furchterregend, aber friedlich: Gruppen wie „Lord of the Lost“ wurden am Tanzbrunnen begeistert gefeiert.

Köln – Schwarz war am Wochenende die alles dominierende Farbe im und rund um den Tanzbrunnen. Und das lag weniger an der dunklen Wolkenfront, die am späten Samstagnachmittag über Köln hinweg zog, sondern vielmehr daran, dass Kölns schönste Open-Air-Bühne zum 15. Mal Schauplatz für das Amphi-Festival war. Zwei Tage lang feierten dessen rund 12 500 Besucher an insgesamt drei Bühnen ein friedliches, ja, fast sogar familiäres Fest.

„Hier kann man sein wie man will“

Und das, obwohl einige Mitglieder der sogenannten Schwarzen Szene, zu der unter anderem Gothic-, New-Wave- oder Industrial-Anhänger zählen, mit ihrer oft nach außen hin gezeigten diabolischen Symbolik auf Beobachter zunächst einmal ein wenig gruselig wirken können. Einfach nur ein schwarzes T-Shirt zur schwarzen Hose anziehen, das reicht vielen Festival-Besuchern nicht: Manch einer kommt im Vampir-Look, trägt farbige Kontaktlinsen, verhüllt sein Gesicht hinter einer Latex-Maske, die düsteren Kostüme sind mit feiner Spitze akzentuiert, gerne tragen die Gäste auch mal einen Hauch von Nichts. „Hier kann man einfach so sein, wie man will, niemand verurteilt oder bewertet einen – das ist großartig“, fasst es etwa Lilith LaVey zusammen. Die 19-Jährige war extra aus den USA zu ihrem ersten Amphi-Festival geflogen.

Den Tipp hatte sie von ihrer Freundin, die sich nur Little Miss Venom nennt, erhalten. „Ich war vor zwei Jahren schon mal hier, und die Stimmung ist einfach super, alle haben einfach eine tolle Zeit“, so die Engländerin. Zuvor hatten sie gemeinsam auf der MS Rheinenergie, wo es ebenfalls eine Musikbühne gab, ihre Lieblingsband Massive Ego gesehen. Schwarzer Spitzenschirm, Fledermaus-Kette, bauchfreies Ledertop – aber auch zartrosa-farbene Akzentuierungen in den Haaren und Augenbrauen bei Little Miss Venom.

Das Programm

Kölns bekanntester Biologe: Dr. Mark Benecke moderierte auf dem Amphi-Festival.

Nicht nur das Faible für düstere, ausgefallene Kostüme verbindet den Großteil der Besucher des Amphi-Festivals, natürlich geht es auch hier hauptsächlich um die Musik. Über 40 Bands spielten am Samstag und Sonntag auf drei Bühnen und präsentierten dabei die gesamte Breite der Schwarzen Szene: dunkler, schneller Elektro, hämmernder Industrial, Gothic-Rock, Wave-Einflüsse und mittelalterliche Töne – der Sound auf dem Festival ist meist laut und brutal, aber eben auch ganz schön divers. Anmoderiert wurden die Bands an beiden Tagen von Kölns bekanntesten Kriminalbiologen Mark Benecke (Foto). Neben Szenegrößen wie Lord Of The Lost , Unzucht, Blutengel, Project Pitchfork oder die EBM-Urgesteine von Nitzer Ebb war es vor allem der Headliner In Extremo, auf den viele Besucher hinfieberten. Die Mittelalter-Rocker waren bislang nur einmal auf dem Amphi-Festival zu Gast: 2005, als die Veranstaltung Premiere feierte. (roe)

„Schwarz als Lebensgefühl“

Denn auch wenn der Name anderes vermuten lässt: Das Schwarz ist vielmehr noch als eine optische Gemeinsamkeit ein Lebensgefühl. Auf gar keinen Fall ist es ein verpflichtender Dresscode. Und so läuft am Samstag Micha Glüge in heller Jeans-Shorts und knallpinkem T-Shirt über das Amphi-Festival.

„Ich bin seit den 90ern ein Anhänger der Szene“, erzählt der 46-Jährige Bochumer mit einem breiten Lächeln. „Viele denken immer, dass Leute aus der Gothic-Szene alles langweilige, schlecht gelaunte Depressive sind. Nö, das kann ich überhaupt nicht bestätigen“, lacht er. Immer mit dabei: Rosalie, ein kleines Plüsch-Einhorn als Bewahrerin der über die Jahre angehäuften Festival-Bändchen. „Die hat sogar eine eigene Facebook-Seite“, grinst Glüge.

Schräge Kostüme und nackte Haut

Ganz anders angezogen sind dann wieder Richard und Maria aus Schweden. Obwohl „angezogen“ fast das falsche Wort ist. Das Paar hat bereits seit den 80ern ihre Herzen an die Schwarze Szene verloren. Auf dem Amphi-Festival, das sie schon seit einiger Zeit regelmäßig besuchen, haben sie sich dieses Jahr für einen Fetisch-Look entschieden, bei dem nur einige Leder-Riemen den Körper bedecken, ansonsten ist viel nackte Haut zu sehen.

Maria: „Am Anfang war es bei mir auch erst mal so, dass ich erst einmal dachte, dass das viele merkwürdige Menschen sind. Aber wenn man sich erst einmal darauf eingelassen und daran Gefallen gefunden hat, merkt man, dass das alles die liebsten Menschen sind. Ausgrenzungen, Streitereien – sowas gibt es hier nicht.“