Nach dem Metoo-Skandal um Starkoch Christian Jürgens haben wir uns in Kölner Küchen umgehört: Ist das normal? Hier erzählt Kantinenkoch Peter Amler seine Geschichte.
Koch Peter Amler„Wenn man nicht gespurt hat, hat man auch schon mal Klatschen bekommen“
„Koch ist eine Berufung. Du kannst nicht sagen: 'Ich werde jetzt mal Koch.' Gastronomie ist knochenhart und brutal, man muss das verstehen. Kaum eine Beziehung mit einem Koch geht gut. Viele Ehen scheitern, Drogen und Alkohol stehen ganz vorne. Koch sein ist Schwerstarbeit bei ständig wechselnden Temperaturen. Du hast dir beinahe die Finger abgeschnitten oder dich verbrannt? Egal, du gehst trotzdem arbeiten. Du gibst nicht auf. Die meisten Köche schaffen es gar nicht bis zur Rente. Man macht sich Rücken und Knie kaputt, manche drehen durch, werden Alkoholiker oder Junkies.
Wenn man nicht gespurt hat, hat man auch mal Klatschen bekommen
Ich habe schon überall gekocht. Auf dem Luxusliner in der Karibik, in Hotels, Sternerestaurants, normalen Restaurants und jetzt in einer Kantine. Ich habe alles erlebt, was man in der Gastronomie erleben kann. Meine Ausbildung in einem kleinen Traditions-Restaurant in den 1980er-Jahren war ziemlich hart. Ständig Spitzfindigkeiten und böse Neckereien. Teller und Töpfe wurden extra heiß gemacht, damit man sich verbrennt und lernt, ein Tuch zu benutzen. Wenn man nicht gespurt hat, hat man auch schon mal Klatschen bekommen. Manchmal habe ich geheult und bin nach Hause gerannt. Ich konnte einfach nicht mehr. Aber wenn die eine oder andere Ansage damals gebauchpinselt worden wäre, wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Aber normal ist das sicher nicht, was da abgeht.
Frauen werden oft besonders hart angegangen und müssen immer beweisen, dass sie genauso hart ranklotzen können wie die Männer. Da hilft keiner, den schweren Topf mit Kartoffeln zu tragen. Mal sehen, ob sie es schafft. Dazu die ewig doofen Sprüche. Manchmal kriege ich sogar noch rote Ohren von dem, was in Küchen geredet wird.
In jeder Küche gibt es Machtspiele
In der Küche funktioniert es nur, wenn die Aufgaben klar gestaffelt sind und einer die Verantwortung übernimmt. Je höher das Level, desto höher der Druck. Dadurch gibt es aber auch immer Machtspiele, weil man sich in der Hierarchie hocharbeiten muss. Manche können damit nicht umgehen, wenn sie aufsteigen. Die denken, sie müssen jetzt alle zur Sau machen. Wo sie hin wollen, wissen sie alle, aber wo sie herkommen, das vergessen sie ganz schnell.
Früher war „Friss oder stirb“
Insgesamt hat sich der Ton in den letzten zehn Jahren aber ein bisschen geändert. Es ist abgeschwächt, weil die Leute besser informiert sind. Die Auszubildenden heute wissen genau, was ihre Rechte sind, vergessen aber viele Pflichten, die sie auch haben. Manchmal wundere ich mich darüber, wie schnell die jungen Leute einknicken und platt sind. Früher galt das Motto: „Friss oder stirb.“ Da hätte nie einer gewagt, dem Küchenchef ein Widerwort zu geben. Manchmal haben wir 18 Stunden gearbeitet und in der Küche geschlafen. Du musst das wollen. Du musst dich damit abfinden, arrangieren und zurechtkommen. Dann funktioniert das. Das wird sich auch nicht groß ändern. Ich würde mich wundern, wenn irgendwann Friede, Freude, Eierkuchen wäre.“ (Aufgezeichnet von Tanja Wessendorf)