DLRG im HochwassergebietHelfer in Hückeswagen schildern den dramatischen Einsatz
Brüchermühle – Plötzlich ist das Wasser zu stark, die Flut reißt ihn mit. Nils Behrendt verliert den Halt, taucht unter, schluckt Wasser. Sekunden vergehen, bis ein Kamerad ihn ans Boot ziehen kann: Julian Ranke packt kräftig zu, hat den 24 Jahre alten Behrendt endlich fest im Griff. Die Männer sind Strömungsretter, beide gehören zur Ortsgruppe Waldbröl der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG).
Ihre Aufgabe ist es, ein Boot der Feuerwehr zu dirigieren und an jeglichen Hindernissen vorbei zu lenken. Dafür müssen sie ins Hochwasser. Es ist der 14. Juli, als die Einsatzgruppe am Abend nach Hückeswagen gerufen wird, um dort im Kampf gegen das Hochwasser zu helfen, zunächst rund um das Gelände der Firma Klingelnberg. Doch dort gibt es längst nichts mehr zu tun, es ist bereits zu spät.
„Wir hörten die Panik in seiner Stimme und fuhren sofort hin“
Die DLRG-Kräfte machen kehrt, weit kommen sie nicht: Sie hören den Funkspruch eines Feuerwehrmanns, der um Hilfe ruft und sagt, dass Menschenleben in Gefahr sind. „Wir hörten die Panik in seiner Stimme und fuhren sofort hin“, schildert Nils Behrendt, während er zu Hause in Brüchermühle seinen Sohn Finn, viereinhalb Monate alt, auf dem Knie schaukelt. Heute weiß Behrendt: „Das hätte auch ganz anders ausgehen können.“ Denn bei dem folgenden Einsatz an jenem Abend schluckt er Wasser – und mit dem Wasser alles, was ausgelaufen ist. „Öl und Kraftstoffe aus den Autos zum Beispiel, das Wasser schimmerte in den Regenbogenfarben.“
Mit fünf Kräften – vier davon sind Rettungsschwimmer aus Waldbröl und Wipperfürth mit einer Spezialausbildung zu Strömungsrettern – macht die Gruppe in Hückeswagen das Boot startklar. Und als Behrendt und seine Kameraden in der Siedlung „An der Schlossfabrik“ ins Wasser gehen, kommt es – wohl auf abschüssigem Grund – zu jenem Unfall. Doch Behrendt macht weiter, versucht mit den anderen, Menschen in Sicherheit zu bringen. Ihm wird übel, er muss sich übergeben, wieder und wieder. „Und das hörte nicht mehr auf“, blickt der 24-Jährige, der bei der Berufsfeuerwehr der Kölner Universitätskliniken eine Ausbildung zum Brandmeister absolviert, zurück. Der Einsatz der Strömungsretter ist von wenig Erfolg gekrönt: „Die Menschen wollten ihre Wohnungen nicht verlassen, jedes Diskutieren war vergeblich.“ Inzwischen steht das Wasser so hoch, dass sich die DLRG-Kräfte selbst in Sicherheit bringen müssen. Sie brechen den Einsatz ab, kehren zum Boot zurück. Und Nils Behrendt geht es immer schlechter.
Auf sicherem Boden kümmert sich ein Notarzt um den jungen Familienvater und lässt ihn sofort ins Krankenhaus bringen. Behrendt kann nicht mehr aufhören zu husten, er übergibt sich erneut. Im Krankenhaus wird seine Lunge geröntgt – sein Leben ist in Gefahr: Dringt Wasser in die Lunge, versickert es im Gewebe. Und schläft der Patient, läuft es zurück in die Lunge. „Man bekommt dann keine Luft mehr“, erklärt Nils Behrendt das, was Experten „Trockenes Ertrinken“ nennen. „Bei mir ist zum Glück alles gut gegangen.“ Nach einer Nacht darf der Strömungsretter das Krankenhaus verlassen, Durchfall und Erbrechen aber plagen ihn noch Tage.
Das Zeitgefühl verloren
Wie lange er unter Wasser gewesen ist, wie lange sein Einsatz in Hückeswagen gedauert hat – Behrendt weiß es nicht mehr, er hat jegliches Zeitgefühl verloren. „Ich war so voll mit Adrenalin.“ Auch, wie dramatisch die eigene Situation gewesen ist, habe er in jener Nacht noch nicht begriffen. „Das kam später, im Krankenhaus und danach“, schildert Behrendt, der zudem Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr in Reichshof ist und zur Löschgruppe Heischeid gehört.Seine Lebensgefährtin Lena Drogies (25) erfährt spät in der Nacht am Telefon von Behrendts Vater Frank, was zuvor passiert ist. Der ist Leiter der Ortsgruppe und als Fahrer mit im Einsatz. „Ich war geschockt“, sagt Lena Drogies. „Nils war in dem Krankenhaus super aufgehoben, ich wusste ihn in guten Händen.“
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Dort habe er auch sehr viel Dankbarkeit erfahren, ergänzt Behrendt, der sich danach immer wieder die Frage stellt, ob er einen weiteren Einsatz dieser Art – der in Hückeswagen war sein erster als Strömungsretter – aushalten kann. Er wird betreut von älteren und erfahreneren Einsatzkräften, die Ähnliches erlebt haben. Inzwischen ist sich Nils Behrendt sicher: „Ich bin einsatzbereit. Helfen, das ist einfach mein Ding.“