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Urteil zur WahlrechtsreformWarum für Wähler nun eine absurde Situation entsteht

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Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts,(l-r), Holger Wöckel, Thomas Offenloch, Christine Langenfeld, Astrid Wallrabenstein, Doris König (Vorsitzende), Ulrich Maidowski, Rhona Fetzer und Peter Frank

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts verkündet das Urteil über die Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition.

Das Wahlrecht der Ampelkoalition wird durch ein Urteil in Karlsruhe teilweise abgesegnet: Der Bundestag schrumpft, jedoch nicht ohne für kleine Parteien komplizierter zu werden.

Die gute Nachricht zuerst: Die Ampel hat wirklich geschafft, woran vorher so viele gescheitert sind. Auch wenn man nach der Urteilsverkündung am Dienstag überall lesen konnte, Karlsruhe habe ihre Wahlrechtsreform teilweise „gekippt“, so ist doch viel entscheidender, dass der Kern der Sache bestätigt wurde: Der Bundestag wird kleiner, und fairer wird er auch, weil alle Überhangs- und Ausgleichsfummeleien entfallen. Der Akzeptanz der Demokratie kann das nur guttun.

Trotzdem, und das ist die schlechte Nachricht, kann es so auch noch nicht bleiben. Weil die Verfassungsrichter in den Umgang mit den kleinen Parteien unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde eingriffen, wird das Wahlrecht an diesem speziellen Punkt nun nicht einfacher, wie die Ampel es wollte, sondern vollends verwirrend.

So droht bei der kommenden Bundestagswahl eine geradezu knobelbecherverdächtige Situation. Die Erststimme, mit der die Menschen den Direktkandidaten ihres Wahlkreises wählen, kann dann allen Ernstes drei unterschiedliche Effekte haben: Der Gewinner des Wahlkreises zieht tatsächlich in den Bundestag ein; er zieht nicht ein, weil seine Partei bundesweit zu wenig Zweitstimmen geholt hat (Überhangmandate gibt es ja nicht mehr); oder er dürfte eigentlich nicht einziehen, weil seine Partei bundesweit zu wenig Zweitstimmen geholt hat, zieht aber trotzdem ein (ätsch), weil außer ihm noch zwei oder mehr Parteifreunde ihre Wahlkreise gewonnen haben.

Also sozusagen nicht mehr nur Erst- und Zweitstimme, sondern Erststimme a, b und c – und das soll noch einer verstehen?

Die Lösung wäre, auf dem Weg der Vereinfachung, den die Ampel gewiesen hat, nun noch den konsequenten letzten Schritt zu tun. Statt ihre Wirkung immer feinsinniger auszubalancieren, sollte man die Erststimme schlicht abschaffen. Dass die Menschen auch Persönlichkeiten vor Ort wählen können, lässt sich auch über stärker regionalisierte Parteilisten sicherstellen. Und wenn der Gesetzgeber findet, dass ein Bundestag ohne CSU oder Linkspartei sinnlos ist, muss er halt die Fünf-Prozent-Hürde absenken. Ein schlichtes Verhältniswahlrecht: eine Stimme, ein Ergebnis. Das wäre gerecht. Es wäre nachvollziehbar. Und wohl zu leicht, um deutsch zu sein.