Im Streit um den Bundeshaushalt 2024 plädiert FDP-Finanzminister Christian Lindner für einen Sparkurs. Unter Verweis auf Milliardenlücken stimmt er die Koalition auf Einschnitte und unbequeme Entscheidungen ein. Vor welchen Problemen steht die Finanzplanung des Bundes?
Rundschau-Debatte des TagesMuss der Bund die Ausgabenbremse ziehen?
Es geht um sehr viel Geld – entsprechend hart wird gekämpft: Die Aufstellung des Bundeshaushalts für das kommende Jahr sorgt seit Wochen für Streit in der Ampel-Koalition. Nun machte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) klar, dass er jeden Ausgabeposten auf Sparpotenzial prüfen will. „Die Politik muss wieder lernen, mit dem Geld auszukommen, das die Bürgerinnen und Bürger erwirtschaften“, sagte er der „Rheinischen Post“. Über jede einzelne Ausgabe werde nun „auf ihre Begründung und ihre Höhe hin“ beraten. „Da werden auch einige liebgewonnene Gewohnheiten auf den Prüfstand gestellt werden müssen.“
Lindner umriss die Dimension der Lücke: „Wir werden, Stand jetzt, im kommenden Jahr bei Einnahmen von 424 Milliarden ein Defizit von 14 bis 18 Milliarden Euro haben. Diese Haushaltslücke muss erwirtschaftet werden durch Verzicht.“ Wenn man dann zusätzliche Ausgabenschwerpunkte setzen wolle, etwa bei Verteidigung oder Bildung, dann müsse man umso mehr woanders kürzen. Lindner bekräftigte zugleich seine Haltung, wonach es zur Verbesserung der Staatsfinanzen weder Steuererhöhungen geben solle noch „irgendwelche Tricks, um mehr Schulden zu machen“. Eine gleichmäßige Kürzung aller Ausgaben, auf die kein Rechtsanspruch besteht, lehnte er ebenfalls ab: „Ich bin gegen die Rasenmähermethode.“
Ein Überblick über wichtige Faktoren bei der Haushaltsaufstellung:
Der finanzielle Spielraum
Lindner will die Schuldenbremse unbedingt einhalten – trotz Zweifeln in Teilen der SPD und der Grünen. Laut Grundgesetz darf sich der Bund im Normalfall in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschulden. Alle anderen Ausgaben müssen durch Einnahmen, in erster Linie Steuern, gedeckt werden.
Um die Kassenlage zu verbessern, gibt es verschiedene Vorschläge vom Subventionsabbau bis hin zur Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Lindner lehnt allerdings Steuererhöhungen kategorisch ab und will auch keine Steuervorteile streichen. Ein paar Möglichkeiten zum Jonglieren hat er dennoch.
Zum einen ist unklar, wie genau das Geld aus den verschiedenen Sondervermögen des Bundes ausgegeben wird. Wenn mehr Mittel aus dem Sondervermögen Bundeswehr entnommen würden, wäre womöglich keine oder eine geringere Anhebung des Verteidigungshaushalts möglich. Auch im Klima- und Transformationsfonds (KTF) ist noch Geld vorhanden, und der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), der für die Bekämpfung der Energiekrise reaktiviert wurde, braucht dafür vermutlich weniger Mittel als zunächst gedacht.
Die „versteinerten“ Ausgaben
Ein Problem bei der Haushaltsaufstellung ist, dass viele Ausgaben kaum verändert werden können. Der Bundesrechnungshof kritisierte dies kürzlich als „Versteinerung“. Derzeit sind seinen Berechnungen zufolge nur etwa zehn Prozent des Haushalts „disponibel“. Der Rest sei „Änderungen im Haushaltsaufstellungsverfahren faktisch entzogen“, da es sich um gesetzliche Ansprüche handele, etwa Sozialleistungen oder Personalkosten, oder um vertragliche Verpflichtungen wie Zinszahlungen.
Der mit Abstand größte Einzelposten im Haushalt ist seit Langem der Zuschuss an die gesetzliche Rentenversicherung von zuletzt mehr als 100 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die Gesamtausgaben des Bundes liegen im laufenden Jahr laut Plan bei 476 Milliarden Euro.
Die Koalitionspartner
Die Erwartungen der Koalitionspartner an Lindners Etat sind, wie der Streit der vergangenen Wochen zeigt, widersprüchlich. Die vom Finanzminister angeführte FDP dringt auf weitere Steuerentlastungen sowie zusätzliches Geld für die geplante Aktienrente. Die SPD meldet vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs vor allem einen höheren Bedarf im Verteidigungshaushalt an; die Rede ist von zehn Milliarden zusätzlich im Jahr. Die Grünen wiederum haben die Kindergrundsicherung zum zentralen Projekt erklärt. Familienministerin Lisa Paus geht von elf bis zwölf Milliarden Euro an jährlichen Zusatzkosten aus.
Zu diesen Zahlen sagte Lindner: „Ich kenne deren Grundlage nicht. Meine Experten schätzen, dass durch die Automatisierung zwei bis drei Milliarden Euro an zusätzlichen Hilfen für Familien ausgezahlt werden.“ Aus seiner Sicht gehe es nicht in erster Linie um zusätzliche Milliardenausgaben, sondern eine bessere Verteilung. So seien das Kindergeld, der Kinderzuschlag und auch der Regelsatz des Bürgergelds schon deutlich erhöht worden, erinnerte der Minister.
Wie es weitergeht
Die sonst übliche Verabschiedung von Etat-Eckpunkten Mitte März hat Lindner abgesagt; inzwischen wird davon ausgegangen, dass sie ganz ausfällt. Der nächste wichtige Termin ist die Frühjahrs-Steuerschätzung im Mai, die neue Erkenntnisse zu den zu erwartenden Einnahmen bringt. Im Juni soll dann ein detaillierter Haushaltsentwurf im Kabinett beschlossen werden. Danach ist der Bundestag am Zug. Endgültig verabschiedet wird der Haushalt 2024 kurz vor Jahresende. (afp/mit dpa)
Ampel-Reaktionen
Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dennis Rohde, sagte zu Christian Lindners Vorstoß: „Wofür in Deutschland das Geld ausgegeben wird, entscheidet am Ende der Deutsche Bundestag und nicht der Bundesfinanzminister. Wir erwarten von ihm einen ausgewogenen Entwurf als Diskussionsgrundlage.“
Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch merkte an: „Es ist gut, dass der Finanzminister nun bereit ist, ergebnisoffen über alles zu sprechen. Dabei muss alles auf den Tisch, nichts darf vorab ausgeklammert werden. Priorität müssen unsere Kinder und sozialer Klimaschutz haben.“ Was weg könne, seien klimaschädliche Subventionen für fossile Energien. (dpa)