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Rundschau-Debatte des TagesIst legales Cannabis sinnvoll oder gefährlich?

Lesezeit 4 Minuten
Zwei Menschen teilen sich einen Joint.

Zwei Menschen teilen sich einen Joint.

Mehr Sicherheit für Konsumenten und Entlastungen etwa für Gerichte auf der einen Seite, Gefahren für die Gesundheit auf der anderen: Wir beleuchten die verschiedenen Positionen.

Das Gesetz zur Cannabis-Legalisierung soll am Mittwoch auf den Weg gebracht werden. An dem Ampel-Projekt scheiden sich allerdings die Geister. Für die einen geht ein langgehegter Traum in Erfüllung, für andere ist das Vorhaben eher ein Alptraum. Ist es trotz allem an der Zeit für einen neuen Umgang mit dem Stoff?

Cannabis zu Hause oder gemeinschaftlich in speziellen Clubs anbauen oder ganz legal einen Joint rauchen – das soll mit dem Gesetz zur Cannabis-Legalisierung möglich werden. Die Ampel-Koalition wird es an diesem Mittwoch voraussichtlich im Bundeskabinett auf den Weg bringen. Der Gesetzentwurf soll dann nach der Sommerpause im Bundestag beraten und beschlossen werden. Inkrafttreten könnten die neuen Regeln noch in diesem Jahr. An dem Vorhaben scheiden sich allerdings die Geister.

Wie argumentieren die Befürworter?

Sie bewerten die bisherige Verbotspolitik als gescheitert. Die Droge ist bisher zwar illegal, wird aber trotzdem immer mehr konsumiert. Auf dem Schwarzmarkt haben Konsumenten aber keine Sicherheit: Der Wirkstoffgehalt bei von Dealern gekauften Drogen ist unklar, es können außerdem gefährliche Stoffe beigemischt sein. Mit der geplanten teilweisen Freigabe in Form von gemeinschaftlichem Anbau in Cannabis-Vereinen oder durch legalen Eigenanbau von maximal drei Pflanzen könnten durch strenge Vorgaben der Gesundheitsschutz verbessert sowie der Schwarzmarkt und die organisierte Kriminalität eingedämmt werden, wird argumentiert.

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen als deutschlandweiter Zusammenschluss der Vereine und Verbände der Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe begrüßt die Entkriminalisierung von Konsumenten. „Bislang konnte nicht festgestellt werden, dass ein strafrechtliches Verbot wirksam den Konsum und einhergehende gesundheitliche und soziale Folgen reduziert“, heißt es in ihrer Stellungnahme zum Gesetz. Die Bundesregierung bringt in ihrem Gesetzentwurf noch ein weiteres Argument: Strafverfolgungsbehörden, Gerichte und Gefängnisse in Deutschland könnten jährlich um gut eine Milliarde Euro entlastet werden, wenn Anbau, Besitz und Konsum für Erwachsene legal werden.

Wie argumentieren die Gegner der Legalisierung?

Bundesärztekammer, Kinder- und Jugendärzte, Gewerkschaft der Polizei (GdP), Deutscher Richterbund, um nur einige zu nennen. Richterbund und GdP sehen durch das Gesetz keine Entlastung von Justiz und Polizei – im Gegenteil. Die vielen speziellen Regeln zu Cannabis-Clubs und zu Anbau und Abgabe der Droge, die mit der Legalisierung kommen, müssten auch wieder kontrolliert und Verstöße geahndet werden, argumentieren sie. Bezweifelt wird auch, dass der Schwarzmarkt ausgetrocknet wird. Wenn wie geplant 25 Gramm Cannabis für den Eigenbedarf legal werden, könnten Dealer beispielsweise immer nur maximal diese Menge mit sich führen und kaum belangt werden, es sei denn, sie werden direkt bei einer Übergabe erwischt.

Ein schwerwiegendes Argument gegen die Legalisierung kommt von Verbänden aus der Medizin. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. verweist darauf, dass die Hirnreifung erst mit etwa Mitte 20 abgeschlossen sei und ein früherer Cannabis-Konsum etwa das Risiko für Psychosen erhöhen kann. Aus psychiatrischer und neurobiologischer Sicht sollte die Altersgrenze für den Zugang nach Ansicht des Verbands daher nicht unter 21 Jahren liegen. Das Gesetz sieht eine Freigabe ab 18 vor.

Verbände der Kinder- und Jugendmedizin lehnen den Gesetzentwurf „entschieden“ ab. Aus ihrer Sicht führen die Legalisierungspläne „zu einer Gefährdung der psychischen Gesundheit und der Entwicklungschancen junger Menschen in Deutschland“. Ähnlich argumentiert die Bundesärztekammer.

Welche Pro- und Contra-Punkte gibt es noch?

Wie immer gibt es auch bei diesem Thema nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch Grau. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BdK) zum Beispiel begrüßt die grundsätzliche Absicht des Gesetzentwurfs, den Besitz von geringen Mengen Cannabis zu entkriminalisieren. Aber auch der BdK kritisiert das Gesetz im Detail: So soll den Plänen zufolge Cannabis, wenn es dann für Erwachsene legal ist, nicht in einem Umkreis von 200 Metern von Schulen oder Spielplätzen konsumiert werden dürfen. Wer soll das eigentlich kontrollieren, fragt der BdK und schlägt vor, doch dann lieber das Joint-Rauchen in der Öffentlichkeit ganz zu verbieten. Den Kinder- und Jugendschutz sieht der Verband ebenfalls nicht erfüllt. Seiner Ansicht nach wäre die „einzig sinnvolle Maßnahme“, die Abgabe von Cannabis an Minderjährige zum Verbrechenstatbestand zu machen, bewährt mit einer Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.


Nutzen und Risiko von Cannabis

Eine Hanfpflanze enthält mehrere hundert chemische Verbindungen, darunter die so genannten Cannabinoide. Die beiden wichtigsten Inhaltsstoffe sind Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Ihnen wird eine schmerzlindernde, entzündungshemmende, appetitanregende, entspannende bis euphorisierende und krampflösende – dem THC vor allem die berauschende – Wirkung zugeschrieben.

Kritiker einer Legalisierung verweisen auf die Gefahr von Psychosen und anderen Schäden an Gesundheit und Psyche gerade für jüngere Menschen. Je früher, häufiger und intensiver Cannabis konsumiert werde, desto größer sei etwa das Risiko gerade für vorbelastete Menschen, an Psychosen und Schizophrenie zu erkranken.

Neben dem kurzfristig berauschenden Gefühl verringert Cannabis die Aufmerksamkeit und schränkt die Psychomotorik ein, also etwa Gehen und Sprechen. Jugendliche, die Cannabis nehmen, haben Untersuchungen zufolge häufiger Schulprobleme und brechen ihre Ausbildung öfter ab. Daneben wird chronischer Cannabiskonsum mit einem erhöhten Risiko für körperliche Leiden wie Atemwegserkrankungen und Hodenkrebs in Verbindung gebracht. (afp)