Im Bereich Sasserath/Escher Heide formiert sich Widerstand. Ein Unternehmen will bis zu acht maximal 260 Meter hohe Windräder errichten.
RegionalplanDem Astropeiler in Bad Münstereifel droht wegen möglicher Windkraft das Aus

Windräder, die weniger als sieben Kilometer vom Astropeiler Stockert entfernt sind, stören die Arbeit.
Copyright: Thorsten Wirtz
Entsetzte Bürger, bleiche Gesichter und Ohnmachtsanfälle: Das, was Christian Pollak in der jüngsten Stadtratssitzung schilderte, war besorgniserregend. In der Fragestunde für Einwohner wollte der Sasserather von Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian (CDU) wissen, was die Stadt bezüglich der geplanten Windräder im Raum Escher Heide und Sasserath zu tun gedenke. „Es ist ein Unding, dass dort Windkraftanlagen entwickelt werden sollen“, sagte Pollak und fragte: „Auf welcher Seite stehen Sie? Auf der Seite der Bürger oder der Windkraftfirmen wegen der Gewerbesteuereinnahmen?“ Er forderte die Verwaltung und den Rat auf, „diesen Wahnsinn zu stoppen“.
Doch aus was besteht „dieser Wahnsinn“ überhaupt? Wie Pollak nach der Sitzung berichtete, habe das Unternehmen Statkraft Grundstückseigentümern entsprechende Pläne vorgestellt: Bis zu acht Windräder mit einer maximalen Höhe von 260 Metern sollen auf drei Flächen rund um Escher Heide und Sasserath entstehen.
„Die Eigentümer werden mit Geld geködert. Angeblich entsteht pro Anlage ein Umsatz von 1,35 Millionen Euro pro Jahr, zehn Prozent davon wird an die Eigentümer ausgeschüttet. Und von diesen 135.000 Euro erhält derjenige, auf dessen Gelände der Mast steht, 20 Prozent. Der Rest wird aufgeteilt“, beschreibt es Pollak, der angesichts der Zahlen zugibt: „Alleine aus rein wirtschaftlicher Entscheidung ist das eine Überlegung wert.“
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Bis zu acht Windräder mit einer Maximalhöhe von 260 Metern geplant
Innerhalb eines Tages sei eine Whatsapp-Gruppe förmlich explodiert: von 40 auf 270 Mitglieder. Pollak betont, nicht gegen Windkraft oder erneuerbare Energien zu sein. Im Gegenteil, er sei dafür. „Aber nicht um jeden Preis“, sagt er. Die geplanten Windräder seien nicht nur viel zu nah an der nächsten Bebauung – 300 Meter hat ein Anwalt aus Sasserath in seiner 24-seitigen Stellungnahme an die Bezirksregierung Köln aufgeführt -, sondern befänden sich auch im Natur- und Landschaftsschutzgebiet.
Von der Stadt habe er sich ein klares Statement erhofft: Nämlich, dass sie sich an die Seite der betroffenen Bürger, die ein Recht auf körperliche Unversehrtheit hätten, stelle. Doch eine klare Antwort habe er vermisst, weshalb Pollak vermutet: „Es geht um monetäre Interessen, um die Gewerbesteuereinnahmen.“
Stadt Bad Münstereifel hat frühzeitig eine Stellungnahme abgegeben
Die Stadt selbst hatte bereits wenige Tage vor der Offenlegung des Regionalplans eine Stellungnahme formuliert und vom Stadtentwicklungsausschuss am 13. November absegnen lassen. Darin heißt es, dass ein Großteil des Stadtgebietes über „pauschale Abstandsannahmen“ ausgeschlossen sei.
Rund um die seismologische Station an der Steinbachtalsperre sei ein Pauschalabstand von fünf Kilometern einzuhalten. Einen Pauschalabstand gebe es auch rund um das Radioteleskop Effelsberg, so die Stadt in ihrer Stellungnahme. „Somit verbleiben lediglich kleine und unzusammenhängende Windvorranggebiete im westlichen und südlichen Stadtgebiet“, heißt es. Nachzulesen ist die Stellungnahme im Ratsinformationssystem der Stadt.

Der Sasserather Christian Pollak sprach in der Bürgerfragestunde im Stadtrat.
Copyright: Thomas Schmitz
„Verwaltungsrechtlich hat die Stadt damit alles erfüllt“, findet Christian Pollak. Aber aus moralischer Sicht habe man die Bevölkerung einbeziehen müssen. Pollak hofft, dass möglichst viele Bürger von der Möglichkeit, bis zum 13. Februar eine Stellungnahme abzugeben, Gebrauch gemacht haben.
Bürger wollen ein eigenes Umweltgutachten erstellen lassen
Als Nächstes plant die Gruppe, ein eigenes Umweltgutachten anfertigen zu lassen. Auch Kontakt zum Landtagsabgeordneten Klaus Voussem (CDU) möchte man aufnehmen. Geprüft werde, ob eine Petition im Landtag eingebracht werden könne. Pollak hat eine „hohe Bereitschaft, die jeweiligen Interessen nötigenfalls auf dem Klageweg durchzusetzen“, festgestellt. „Eine noch stärkere als die derartige Geschlossenheit habe ich bis dato nur bei der Flutkatastrophe 2021 erlebt“, sagt er.
Unterstützung finden die Bürger im Höhengebiet bei UWV und FDP. Die Unabhängigen und die Liberalen weisen in einem gemeinsamen Flugblatt darauf hin, dass für Windkraftanlagen Laubbäume und Nadelgehölze gerodet und wegen Aufbau und Anlieferung der Bauteile Wege verbreitert und Böden verdichtet werden müssten. „Wir, die FDP Bad Münstereifel und UWV Bad Münstereifel, sind generell gegen die Errichtung von Windrädern in Wäldern“, heißt es in dem Flugblatt.
Vorrangzonen von allen Seiten bedrohen den Astropeiler Stockert
Ungemach wegen möglicher Windräder droht auch dem Astropeiler Stockert bei Eschweiler, und das gleich von mehreren Seiten. Laut Regionalplan bedrohen vor allen Dingen zwei Vorrangzonen auf Mechernicher Stadtgebiet die Einrichtung. „Windräder erzeugen Energie, haben ein Schattenrelief, sie strahlen ab und sind hoch, sodass wir darauf blicken“, beschreibt es Dr. Wolfgang Herrmann, Vorsitzender des Vereins Astropeiler Stockert.
Mit dem Radioteleskop in Effelsberg habe man eine Modellrechnung erstellt, wie groß der Radius um den Stockert mindestens sein müsse, um unbeeinträchtigt arbeiten zu können. Herausgekommen ist ein Radius von sieben Kilometern. „Diese Berechnung liegt der Bezirksregierung Köln vor. Wir wundern uns nun, dass das nicht zur Kenntnis genommen wurde“, sagt Herrmann.
Bezirksregierung Köln hat Stockert und Effelsberg anders bewertet
Nicht nur der Verein hatte die Bezirksregierung auf Belange der Anlage hingewiesen. Auch die Stadt hat dies getan, als sie von der Bezirksregierung über den „Sachlichen Teilplan Erneuerbare Energien zum Regionalplan“ unterrichtet worden war. „Die Stadtverwaltung hat die NRW-Stiftung darauf hingewiesen, dass im aktuellen Verfahren eine Eingabe seitens der Stiftung sinnvoll sei, sofern sie Betroffenheiten erkennt“, schreibt die Stadt. Sollten entsprechende Anträge vorliegen, könne die Stadt selbst noch einmal auf die Belange der Einrichtung hinweisen, heißt es weiter.
Die Bezirksregierung gibt zu, dass die Belange beider Teleskope frühzeitig eingebracht worden seien. „Vor dem Hintergrund des überragenden öffentlichen Interesses am Ausbau der erneuerbaren Energien sowie der unterschiedlichen Bedeutung für Wissenschaft und Forschung wurden die Belange der Anlagen jedoch unterschiedlich gewichtet“, schreibt die Behörde.
Die Abstände rund um das Radioteleskop Effelsberg seien als Ausschluss behandelt worden, für den Stockert aber nicht. „Es wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass im Rahmen des nachfolgenden Zulassungsverfahrens anlagenspezifisch eine Vereinbarkeit durch geeignete bauliche beziehungsweise technische Maßnahmen hergestellt werden kann“, so die Bezirksregierung weiter.
Astropeiler Stockert wird von Universitäten zur Lehre genutzt
Für Wolfgang Herrmann ist klar: Stehen die Windräder zu nah am Stockert, sei die Anlage nur noch eingeschränkt nutzbar. Das habe Auswirkungen auf die Universitätsausbildung, beispielsweise an der Uni Bonn, oder auf bestehende Kooperationen mit anderen Stationen. „Das wäre ein massiver Eingriff“, sagt Herrmann. Der Astropeiler sei keine alte Anlage und seit mehr als zehn Jahren wieder voll in Betrieb. „Wir planen sogar, eventuell noch ein weiteres Teleskop aufzubauen“, berichtet er.
Damit auch Außenstehende verstehen, wie empfindlich der Astropeiler ist, erklärt er die Größenordnung der Radioquellen, die geortet werden. „Das stärkte Signal, das wir empfangen, wäre mit der Ortung eines Handys auf dem Mond vergleichbar. Das schwächste Signal ist eine Million Mal schwächer. Anders ausgedrückt: Wir können Flöhe husten hören.“ Ungünstig sei hingegen, wenn man mit dem Astropeiler ein Windrad sehen könne. Besonders im Süden des Stockerts seien die problematisch. „Sie stünden schlicht und ergreifend im Weg, weil wir dann auf ein Windrad gucken und nicht auf das Objekt von Interesse.“
Bedauerlich sei, so Herrmann, dass viele Windradbetreiber nicht in der Lage seien, einfachste Physik und Mathematik anzuwenden. Anders mache es derzeit das Unternehmen Maibruch, das zwischen Steinbachtalsperre und Mahlberg Windräder errichten möchte. Die beiden Teleskope unterstützen die Firma bei ihren wissenschaftlichen Drohnenmessungen, die der vorbereitenden Prüfung dienen.
In Deutschland gibt es nur die beiden Radioteleskope in Bad Münstereifel
Grundsätzlich müsse die Politik gewichten: „Macht man Forschungseinrichtungen für die Windkraft platt?“ In Deutschland gebe es nur zwei Radioteleskope, beide auf Bad Münstereifeler Stadtgebiet. Der Stockert steht seit 1999 unter Denkmalschutz und wird seit 2005 von der vom Land gegründeten NRW-Stiftung finanziert und vom Astropeiler-Verein betrieben.
Wolfgang Herrmann schätzt die Arbeitslast, die dort jährlich erbracht wird, auf eine Summe zwischen 100.000 und einer Million Euro. „Hier sind Werte entstanden durch Stiftungsmittel und persönlichen Einsatz“, so Herrmann. Sollte der Astropeiler nicht mehr einsetzbar sein, ist das für den Vereinsvorsitzenden eines: ein wirtschaftliches Harakiri.