In der RegionWarum der Bau von neuen Windrädern immer wieder ins Stocken gerät
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck drängt auf die Aufstellung von mehr Windanlagen in allen Bundesländern. Nordrhein-Westfalen liegt mit mehr als 3500 Windrädern mit einer Energieerzeugung von über 6000 Megawatt aktuell im Ländervergleich im oberen Drittel. An drei Beispielen in der Region zeigt sich jedoch, wie schwierig es ist, weitere Anlagen zu errichten.
Wupp, wupp, wupp! – So oder so ähnlich hört es sich an, wenn man einer großen Windkraftanlage von 150 Meter Nabelhöhe (bis zum Rotormittelpunkt) und 60 bis 90 Meter Rotordurchmesser nahe kommt. Will man dieses Geräusch permanent im Garten haben? Wohl nicht. Bei dem Streit, den Experten und Anwohner ausfechten, geht es darum, ab welchem Abstand, die Windrad-Geräuschemissionen nicht mehr hörbar und somit gesundheitlich unbedenklich sind. Müssen es mindestens 500 oder eher 1000 Meter sein? Oder sogar noch mehr?
Bürger klagen gegen die Kommunen, um die Errichtungen der Windräder in ihrer Nachbarschaft zu verhindern. Dabei geben sie auch an, Angst zu haben, durch Schallbelastungen im nicht mehr hörbaren Tieffrequenzbereich (Infraschall) gesundheitlichen Schaden zu erleiden. Andere Belästigungsstichworte, die juristisch geltend gemacht werden, sind „Discoeffekt“ sowie „Schatten- und Eiswurf“, die die mächtigen Rotoren erzeugen. Nachhaltige Erfolge vor Gericht gibt es bisher nicht. Die Politik in Nordrhein-Westfalen hat sich auf einen Mindestabstand von 1000 Meter geeinigt (siehe Kasten).
„Rückenwind“ versus „Gegenwind“
Auch in Bad Münstereifel wurde der Abstand diskutiert, den die im Nöthener Wald geplanten Windräder zur nächsten Wohnbebauung haben werden. Ein Schleidener Bürger formulierte im Sommer letzten Jahres gegenüber der Rundschau: „Mir graut vor dem Tag, ab dem ich auf 260 Meter hohe Windindustrieanlagen im Nöthener Wald schauen muss.“ Er steht mit seinen Befürchtungen nicht allein.
Bereits seit 2011 beschäftigt sich der Stadtrat mit der Windkraft im dortigen Wald. Bisher steht dort noch keine Anlage. Die Befürworter, insbesondere die Initiative „Rückenwind“, legen sich fest, „die Entfernung von über 1000 Metern zu den nächsten Wohnhäusern reiche aus, so dass keine Gefährdung für die Gesundheit der Anwohner zu befürchten ist“. Die Gegnern, die sich treffenderweise „Gegenwind“ nennen, antworten mit den aufgeführten Gesundheitsgefahren durch die Folgen der Rotorenbewegungen.
Wie ist die rechtliche Lage zur Aufstellung von großen Windrädern in NRW?
Die Landesregierung hat am 20. April 2021 die Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Baugesetzbuches in Nordrhein-Westfalen beschlossen. Diese sieht vor, dass Windenergieanlagen künftig einen Mindestabstand von 1000 Metern zu Wohngebäuden in bestimmten Gebieten einhalten sollen. Die Kommunen haben aber dennoch die Möglichkeit, Windanlagen weiterhin auch innerhalb des Abstands zu errichten, wenn dies kommunal so entschieden wird und eine entsprechende Bauleitplanung vorliegt. Die Privilegierung der Vorhaben entfällt dann allerdings, die besagt, dass Anlagen im gesamten Außenbereich der jeweiligen Kommune errichtet werden können.
Der Landesverband Erneuerbare Energien NRW wirft den Gegnern der Aufstellung von Windrädern vor, über 100 Anlagen in den letzten Jahren blockiert zu haben. Besonders im Fokus der Kritik steht hier der Naturschutzbund Nabu NRW. Tatsächlich hat dieser seit dem Jahr 2000 insgesamt 20 Klagen gegen geplante Windkraftanlagen erhoben. Acht Klagen laufen aktuell noch. (dhi)
Aber sie werfen noch ein weiteres Argument in den Ring, die auch der Schleidener schon genannt hatte: „Im Wald sollte keine ,Industrie’ Einzug halten“, fordern sie. „Mit dem Aufbau der geplanten Anlage und die notwendige Erweiterung der Zuwege würden allein rund 30 Hektar Wald zerstört.“ Zudem gefährden große Windräder Vögel, Insekten und Fledermäuse, so „Gegenwind“.
Knappe Mehrheit für Windräder-Projekt
Schließlich wurden im Mai letzten Jahres die Bad Münstereifeler in einem Bürgerentscheid gefragt, ob sie für die Aufstellung der Windräder im Nöthener Wald sind oder dagegen. Mit 357 Stimmen bei insgesamt 6827 abgegebenen Stimmen entschieden sich die Bürger mit einer relativ knappen Mehrheit für das Projekt. Nun werden Investoren gesucht, die gegen Zahlung einer Pacht die Anlagen aufstellen und betreiben. Wer den Zuschlag erhält, entscheidet dann die Politik.
Doch nicht nur Bürgerbedenken, politische Diskussionen und Klagen machen die Planung und Errichtung von Windkraftanlagen zu einem Projekt, das bis zu zehn Jahren dauern kann. Denn steht der Investor fest, dann muss er Arten- und Denkmalschutzgutachten in Auftrag geben und die erforderliche Genehmigung zur Errichtung der Windanlagen beim Kreis Euskirchen einholen. Und das dauert oft mehrere Jahre.
FDP gegen Errichtung der Anlagen auf Ville-Anhöhe
In anderen Kommunen liegen die Hindernisse für eine zügige Aufstellung der Anlagen woanders. Bornheim will bis zu 250 Meter hohe Windräder innerhalb seines Stadtgebietes errichten lassen. Die Frage ist nur, wo? Zwei mögliche Standorte sind aktuell im Rennen: entweder in der Rheinebene zwischen Sechtem und Bornheim (zwölf Anlagen) oder auf dem Rücken der Ville-Anhöhe (neun). Auch hier wurden die Bürger von der Politik im Herbst letzten Jahres aufgerufen, sich einzubringen – allerdings lediglich mit schriftlichen Eingaben ihrer Standpunkte und Sorgen. Wie die Stadtverwaltung nach einer ersten Durchsicht der rund 250 Bürgereingaben mitteilte, gab es „Einwände gegen beide Standorte“.
Das könnte Sie auch interessieren:
Auch die Politik ist sich nicht einig: Hier ist es vor allem die FDP-Fraktion im Bornheimer Stadtrat, die die Errichtung der Anlagen auf der Ville-Anhöhe verhindern will. „Dieses Landschaftsschutzgebiet wollen wir für unsere Bevölkerung schützen“, erklärte FDP-Ratsmitglied Christian Koch Anfang Oktober letzten Jahres mit einigem Pathos. Die anderen Parteien und der Landschafts-Schutzverein Vorgebirge (LSV) warten lieber noch ab und wollen sich auf keinen Standort festlegen. „Wir wollen in jedem Fall Wildwuchs oder Vereinzelung der Anlagen vermeiden. Für eine Bewertung des Ville-Plateaus als Windräder-Standort fehlen uns noch die Berichte für Artenschutz und Umwelt, teilte der LSV mit.
Die Standort-Entscheidung lässt also weiter auf sich warten. Zumindest ein Hindernis für die Errichtung der Windräder weiter unten in der Bornheimer Rheinebene scheint hingegen vom Tisch: Es bestand die Gefahr, dass die dortigen ausgesuchten Flächen im Drehfunkfeuerbereich des Flughafens Köln Bonn liegen und somit den Flugverkehr hätten gefährden können. Die Stadt Bornheim gab dazu im letzten Herbst Entwarnung: Das Drehfunkfeuer werde 2022 modernisiert und der Sicherheitsraum von 15 auf zehn Kilometer reduziert. „Somit sind mögliche Windkraftanlagen auf dem Stadtgebiet davon unberührt“, kommentiert die Stadt.
Klima- und Naturschutz im Spannungsfeld
Aber nicht nur die Entscheidungsprozesse zwischen zwei Standorten verzögert den Aufbau der Anlagen. Auch die Frage, welche Abstände die Windräder zu Naturschutzgebieten haben sollten, erschwert die Aufstellung der Anlagen in einem so dicht besiedelten Land wie Nordrhein-Westfalen. So wie in der Euskirchener Kreisgemeinde Hellenthal: Die Untere Naturschutzbehörde des Kreises untersagte angedachte Pläne, auf Abstände der Windanlagenflächen zu den Naturschutz- und so genannten FFH-Gebieten („Flora-Fauna-Habitat“) zu verzichten.
Um bereits im Vorfeld möglichen Klagen entgegenzuwirken, einigten sich die Gemeindepolitiker schließlich mit großer Mehrheit auf Abstände von 300 Metern zu Naturräumen und 1000 Meter zu jeglicher Wohnbebauung. Mit der Konsequenz, dass weniger Windräder aufgestellt werden können als ursprünglich geplant.
Das könnte Sie auch interessieren:
Bei einer im Juni des letzten Jahres vom Naturschutzbund Nabu anberaumten Besichtigung des „Dahlemer Windparks“ warnten die örtlichen Naturschützer: „Die Aufstellung neuer Windräder und die damit verbundene Zuwegung würden den aktuell noch bestehenden Biotop-Verbund im Naturschutzgebiet Rotbach im Dahlemer Wald nachhaltig zerschneiden.“ Unterstützt wurden sie dabei vom Präsidenten des Bundesverbandes der Nabu, Jörg-Andreas Krüger, der betonte, dass man dafür kämpfen müsse, dass „die notwendige Windkraft auch an die richtigen Stellen kommt und Naturschutz ausreichend berücksichtige“. Eine Klage des Nabu NRW gegen den Standort läuft aktuell noch.