Verbraucherschützer warnenWarum der Teilverkauf des Hauses nicht die beste Wahl ist
Köln – In der Immobilienbranche setzt sich ein neues Geschäftsmodell durch. Zielgruppe sind vor allem Rentner, die sich mehr leisten möchten, ohne das eigene Haus aufzugeben. Teilkauf heißt das Konzept, das spezialisierte Unternehmen wie Heimkapital, Wertfaktor und Deutsche Teilkauf oder Makler wie Engels & Völker und McMakler derzeit intensiv bewerben. Alle berichten von steigender Nachfrage. Verbraucherschützer sind skeptisch, zahlreiche Kunden hingegen überzeugt.
Wie funktioniert ein Teilkauf?
Der Hauseigentümer verkauft bis zu 50 Prozent seiner Immobilie, mindestens 100000 Euro an den Teilkäufer. Steuerfrei, wenn er sie lange genug besessen hat. Den Wert bestimmt ein unabhängiger Gutachter. Das Geld wird ausgezahlt. Der Teilkäufer wird stiller Miteigentümer. Die Alteigentümer können ihre Immobilie bewohnen, vermieten, ihren Teil vererben, den verkauften Teil zurückkaufen oder das Objekt gemeinsam mit den Teilkäufern veräußern. Sie allein entscheiden über Renovierung oder Umbau. In unterschiedlichen Aspekten unterscheidet sich der Teilverkauf damit von Leibrente, Nießbrauch und Umkehrhypothek oder einem Kredit.
Was machen die Hauseigentümer mit dem Geld?
Dem sind nahezu keine Grenzen gesetzt. Die Anbieter erzählen von der Südamerika-Rundreise und einem Jacuzzi für den Garten, einem neuen Dach, dem Lebenstraum Wohnmobil, dem Häuschen am Meer oder der Unterstützung der Kinder beim Kauf einer eigenen Immobilie.
Wer bietet es an?
Pionier auf dem deutschen Markt war 2018 nach eigenen Angaben Wertfaktor mit Sitz in Hamburg. „Wir sind die Erfinder“, sagt Geschäftsführer Christoph Neuhaus. „Unsere Motivation war der Gedanke, dass die Kapitalisierung von Immobilien besser funktionieren musste als mit den bekannten Modellen.“ 2019 sei Wertkauf noch weitgehend alleine auf dem Markt gewesen, seitdem kamen einige Mitbewerber hinzu.
Seit Gründung hat das Unternehmen, so Neuhaus, Anteile von über 400 Eigenheimen im Wert von rund 165 Millionen Euro erworben, davon 50 in Niedersachsen. In der Nachbarschaft haben Hausbesitzer in Recke, Hörstel und Rheine einen Vertrag mit Wertfaktor unterzeichnet. Investoren im Hintergrund sorgen für den Geldfluss, möchten dafür aber auch eine Rendite sehen.
Welche Vorteile bietet das Konzept?
Der Teilkauf, wirbt Anbieter Neuhaus für sein Modell, sei deutlich flexibler und fairer aufgebaut als beispielsweise eine Umkehrhypothek. „Da erhält der Kunde zwar eine Summe, verliert aber zwei Drittel des Wertes.“ Ähnlich sieht es Dimitrij Miller, Geschäftsführer von Heimkapital in München. „Bei der Leibrente zahlen viele Kunden einen Risikoabschlag von 30 Prozent auf den Marktwert und müssen das Objekt komplett überschreiben.“ Auch findet er es „unsexy“, eine Wette auf den frühen Tod des Kunden abzuschließen. Die Münchner sind noch frisch auf dem Markt, erst im dritten Quartal 2020 gestartet, „weil es keine gute Lösung für Kunden gab, die Kapitalbedarf haben, aber in ihrer Immobilie wohnen möchten“. Miller war zuvor bei der Deutschen Bank in London. „Dort ist Equity Release ein total etabliertes Finanzprodukt, das knapp 50000 Mal pro Jahr abgeschossen wird.“ Heimkapital habe es an den deutschen Markt angepasst. Beim Teilkauf gehe es um die Frage, wie viel Liquidität gewünscht werde, „das wird ausgezahlt. Und am meisten schätzen unsere Kunden dass sie ihr Eigentum behalten und mit dem Geld machen können, was sie möchten“, so Neuhaus.
Wer nutzt solche Angebote?
Die Kunden sind im Schnitt 67 bis 69 Jahre alt, zwei Drittel sind Paare, die meisten sehr aktiv, berichten Teilkaufunternehmen. Die Verkäufer schätzten, dass ihre Erben durch den Verkauf des Hauses nicht belastet werden und es überhaupt noch ein Erbe gibt, das sie hinterlassen können.
Welche Nachteile hat ein solcher Teilverkauf?
Doch es gibt auch Belastungen für die Verkäufer. Sie zahlen angelehnt an den verkauften Anteil ein monatliches Nutzungsentgelt, ähnlich einer Miete. Diese liegt bei jährlich etwa 3 bis 3,5 Prozent des verkauften Immobilienwerts – je nach Laufzeit. Beim Teilverkauf von 100000 Euro fallen monatlich beispielsweise 250 bis 280 Euro an. Hinzu kommt beim Verkauf, ob vor oder nach dem Tod der Hausbewohner, ein Durchführungsentgelt in Höhe von meist 3,3 bis 5,5 Prozent des Hauswertes. Dafür müssten sich die Kunden aber auch um nichts kümmern, betont die Branche. Die Kosten etwa für Vermarktung, Besichtigungen, Notar, Grundbuchamt sind inklusive. Ein Rundum-Service, der 85-Jährigen, die ihren Umzug in eine Seniorenresidenz planten, viele Wege und Stress erspare.
Was sind Gründe für einen Teilverkauf?
Als ein Hauptgrund für den Teilverkauf einer Immobilie kristallisiert sich in den Gesprächen mit Unternehmen und Kunden vor allem ein Argument heraus: ein psychologisches. Gerade Immobilien sind höchst emotional besetzt. Viele Senioren wollen sich nicht mehr verschulden. Sie haben ihre Häuser jahrzehntelang abbezahlt und möchten nicht mehr mit ihrer Bank um Kredite verhandeln. Deutlich besser gefällt es ihnen, als selbstbewusster Verkäufer aufzutreten. „Bei uns geht es um ein Gespräch auf Augenhöhe. Die Kunden sind keine Bittsteller, keiner muss, salopp gesagt, die Hosen herunterlassen“, sagt Dimitrij Miller.
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Hinzu kommt, dass die Banken in der Vergabe deutlich restriktiver geworden sind, Stichwort Kreditrichtlinie. Umfragen bestätigen das: Da lässt sich mit über 60 oder 70 Jahren vielleicht noch über ein Darlehen für Heizung oder Wintergarten verhandeln, aber kaum für den neuen Camper oder das Extra für ein schönes Leben. Andere Hausbesitzer bekämen aufgrund ihrer schmalen Rente gar keinen Kredit mehr, erzählt Christiane Rehländer, Senior Manager Corporate Communications bei Engel & Völkers in Hamburg, das sein Teilkauf-Modell seit einem guten Jahr unter dem Namen Liquid Home vermarktet.
Durchschnittssumme beim Teilverkauf rund 200.000 Euro
„Die ausgezahlte Durchschnittssumme beim Teilverkauf beträgt rund 200.000 Euro, der Durchschnittsanteil, der verkauft wird, liegt bei etwa 40 Prozent.“ Das deckt sich mit den Angaben anderer Anbieter. Der Gesamtwert der Immobilie bei Wertfaktor liegt bei 460.000 Euro, „einem normalen Mittelstandshaus“, so Neuhaus.Zwar ist der Hausbesitzer weiterhin alleine für Instandsetzung und Modernisierung zuständig. „Plant er aber mit dem Teilverkauf eine Modernisierung, lassen wir das in den Wert einfließen“, sagt Rehländer. Wertkauf beteiligt sich seit Neuestem an einer Aufwertung nach KfW und Reparaturen. Für den Kunden, der sein unbequemes Segelboot aufgrund seines Alters mit einem Motorboot tauscht, gilt das natürlich nicht. Andere Kunden zahlen ihr Nutzungsentgelt aus der Miete, das sie für eine Einliegerwohnung erhalten. Dritte zahlen ihren Partner bei der Scheidung aus und können das Haus trotzdem noch einige Jahre halten, bis die Kinder groß sind. Und manchen geht es schlicht darum, sich einen schönen Lebensabend zu machen.
Was sagen die Verbraucherzentralen?
Weniger begeistert sind die Verbraucherzentralen in Niedersachsen von der Goldgräberstimmung in der Branche: Finanzexperte Stefan Adam sagte unserer Redaktion: „Wer das durchrechnet, ist ernüchtert, denn die Risiken liegen beim Hauseigentümer, die Vorteile bei den Teilkäufern.“ So sei der Alteigentümer für die Instandhaltung zuständig und zahle ein Nutzungsentgelt. Einige Anbieter hätten sogar eine Sicherheitsklausel, die ihnen eine Mindestvergütung garantiert, wenn das Objekt an Wert verlieren sollte. Angesichts niedriger Zinsen sei ein Kredit auf jeden Fall die bessere Lösung. Skeptisch ist er beim Argument der Teilkäufer, Senioren bekämen keine Kredite: Zwar sähen die Kreditinstitute reine Konsumkredite tatsächlich nicht gerne: „Das sollte ihnen bei der Absicherung durch eine Immobilie aber eigentlich egal sein. Bekomme ich wirklich keinen Kredit, sollte ich über einen Komplettverkauf nachdenken und die Immobilie eventuell zurückmieten.“ Finanzmathematisch betrachtet sei der Teilverkauf nicht die beste Lösung.