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Bauvorhaben verzögertWarum Baustoffe gerade knapp und teuer sind

Lesezeit 6 Minuten
Backstein

Symbolbild

Köln – „Die Lage ist extrem angespannt“, sagt Hans Peter Wollseifer, Präsident der Kölner Kammer und des Zentralverbands des deutschen Handwerks. Die Handwerkskammer zu Köln erhalte seit mehreren Wochen fast täglich Hilferufe ihrer Mitgliedsbetriebe – vorwiegend aus den Bau- und Ausbaugewerken. Baumaterialien sind nur schwer zu besorgen. Knapp und teuer sind etwa Metalle oder Dämmstoffe. Die Preise für Holz sind regelrecht durch die Decke gegangen.

Wie stark steigen die Preise derzeit?

Das ist unterschiedlich. Dämmstoffe auf Erdölbasis, die man für die Kelleraußenwände, für den Estrich, die Wärme- oder die Trittschalldämmung im Haus braucht, sind derzeit etwa 20 Prozent teurer als vor einem Jahr. Die Preise für Konstruktions-Vollholz, das zum Beispiel als Dachsparren oder Stützen für verschiedene Konstruktionen und für Fachwerkhäuser verwendet wird, waren auch schon einmal bis zu 200 Prozent höher als vor einem Jahr, heißt es in der Branche. Auch Sperrholz oder Spanplatten sind aktuell nur schwer zu bekommen und teuer. Dabei schwanken die Preise derzeit stark. Die generelle Tendenz: Nachdem die Holzpreise über Jahre stabil waren, zeigen sie seit einem Jahr steil nach oben (siehe Grafik).

Grafik Preis

Warum kennen die Preise nur die Richtung nach oben?

Es gibt mehrere Ursachen für den aktuellen Materialengpass bei Baustoffen und die hohen Preise. Da ist zum einen offenbar eine starke Nachfrage aus China, und in den USA, so Wollseifer: „Die produzierende Industrie schafft es derzeit nicht, die entsprechende Nachfrage zu bedienen. Die erste pandemiebedingte Lockdown-Phase des vergangenen Jahres hängt allen nach!“

Auch der Branchenverband Deutsche Säge- und Holzindustrie berichtet von einem weltweiten Bauboom, der durch die Pandemie noch verstärkt wurde. Da renovieren auch die Bastler und Heimwerker in Deutschland Haus und Garten und strömen in die Baumärkte zum Materialeinkauf.

Auch einige Lieferanten sind ausgefallen oder zumindest nicht voll lieferfähig. Kanada sendet derzeit weniger in die USA und auch aus Russland kommt weniger Holz auf den Weltmarkt. Und im Süden Deutschlands und in Österreich hat ein strenger Winter die Produktion erschwert. Vorratskäufe, Lageraufbau und Mehrfach-Bestellungen könnten die Situation zusätzlich verschärfen, heißt es in der Branche. Wollseifer jedenfalls appelliert vor allem an Produzenten und Großhändler, die derzeitige Lage nicht für einen generellen Preisanstieg in ihren Sortimenten auszunutzen.

Warum geht das Holz in die USA und nach China?

In den USA wird schon traditionell viel mit Holz gebaut. In der Corona-Pandemie entstehen außerdem viele neue Häuser in Vororten oder gleich im Umland der großen Städte, wo die Menschen weniger eng zusammenleben als in den Innenstädten. Der Bedarf trifft auf ein knappes Angebot. Das lässt die Preise steigen. An der Börse in Chicago übersprang der Lumber Future (das ist der Preis für Bauholz zu einem bestimmten Liefertermin) für 1000 board feet, entsprechend etwa 2,4 Kubikmeter, Anfang Mai die Marke von 1500 Dollar und vervierfachte sich damit innerhalb eines Jahres. Hohe Preise in den USA lassen freilich auch Exporteure in Europa aktiv werden, die da gute Geschäfte wittern. Und deren Käufe hier treiben wiederum die Preise.

Was sagen Forstbetriebe und Waldbesitzer zur Entwicklung?

Die Forstbetriebe beklagen, dass sie von den derzeit höheren Preisen für Schnittholz wie etwa Balken nichts sehen. Holz war jahrelang vergleichsweise billig. Viel Schadholz wegen Stürmen und dem Befall durch Borkenkäfer hat die Preise unter Druck gebracht. Es musste schließlich möglichst schnell aus dem Wald geholt werden. Im Sommer des abgelaufenen Jahres gab es für den Festmeter Fichtenholz etwa 55 Euro. Derzeit sind es zwischen 70 und 75 Euro. Zu wenig, findet Georg Schirmbeck, Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates. Er rief in dieser Zeitung die Waldbesitzer zum Sägestreik auf. Mit dem Rohstoff würden Riesengewinne eingefahren, aber die Waldbesitzer profitierten kein Stück davon, so Schirmbeck.

Welche Position vertreten die Sägewerke?

Mehr als ein Drittel der Fläche Deutschlands besteht aus Wald. Jedes Jahr könnten daher im Durchschnitt etwa 60 Millionen Kubikmeter Holz zur Herstellung von Holzprodukten verwendet werden, so der Branchenverband Deutsche Säge- und Holzindustrie (DeSH). Extremwetterereignisse und Waldschäden führten aber zu Schwankungen. Im abgelaufenen Jahr seien 80 Millionen Kubikmeter verwendet worden, darunter 60 Millionen Kubikmeter Schadholz. 2019 waren von 68 Millionen Kubikmeter 46 Millionen Schadholz. Die Branche hat nach eigenen Angaben die Kapazitäten deutlich ausgebaut. Die Ausfuhr von Nadelschnittholz stieg zwischen 2019 und 2020 von 9,3 auf 9,8 Millionen Kubikmeter. Dieses Volumen liege auf dem Niveau der Jahre 2006 bis 2008, als die Ausfuhren zwischen 8,5 und 9,3 Millionen Kubikmeter betrugen. Der weitaus größte Teil des hier geschlagenen Holzes werde also in Deutschland verwendet. Auch importiert Deutschland Holz etwa aus den Nachbarländern. Dieser Anteil sank aber seit Beginn der Waldschäden stark. „Ungeachtet der Marktzahlen herrscht dennoch eine extreme Verunsicherung am Markt“, so DeSH-Präsident Jörn Kimmich.

Was bedeutet das für die Handwerksbetriebe?

Handwerker brauchen derzeit deutlich länger, um die nötigen Rohstoffe zu besorgen (siehe Interview auf Seite 2 dieses Artikels). Und Handwerkerinnen und Handwerker können nur noch tagesaktuelle Angebote kalkulieren, sagt Wollseifer. Denn wer Angebote mit festgelegten Holzpreisen schreibt, könnte von Preiserhöhungen überrascht werden und bei einem Auftrag auch viel Geld verlieren. Auf günstigere Preise zu warten ist keine Alternative. Dann steht möglicherweise der Betrieb still. Handwerker hätten derzeit ein Risiko, „das sie in der momentanen Situation nur schwer stemmen können“, sagt Wollseifer.

Was bedeutet das für die Kunden?

Kunden müssen sich darauf einstellen, dass es länger dauern kann, bis ihr Bauvorhaben realisiert wird. Und teurer wird etwa der Dachstuhl auch, wenn die Materialkosten doppelt so hoch sind wie vor einem Jahr. Da rechnen Handwerker Materialpreise tagesaktuell ab. Wollseifer bittet Kundinnen und Kunden jedenfalls um Verständnis: „Viele Handwerkerinnen und Handwerker kommen derzeit in Leistungsverträgen nicht um eine Preisgleitklausel herum. Dieses unternehmerische Handeln ist eine Notlösung und wird von unseren Mitgliedsbetrieben nicht ausgenutzt“, verspricht der Handwerkspräsident.

Interview mit Zimmermann: „Extreme Preise“

Sascha Nitsche ist Mitglied im Vorstand des Zimmerer- und Holzbau-Verbands Nordrhein.

Bekommen Sie das Holz, das Sie brauchen?

Wir bekommen das nötige Holz. Der Zeitaufwand ist aber gestiegen. Vor Weihnachten war ich eine Stunde pro Tag im Büro, jetzt sind es zwei bis drei, die ich vor allem mit der Materialsuche verbringe. Holz muss ich zwei Monate vor Baubeginn bestellen, sonst gibt es nichts. Da können wir nicht eben mal eine Gaube bauen oder kurzfristige Änderungen – vielleicht sogar noch während des Baus – verwirklichen. Die Planung muss sehr präzise sein, und alle Beteiligten müssen eng zusammenarbeiten.

Wie entwickeln sich die Preise?

Extrem. Ich bin seit 30 Jahren im Beruf und habe das noch nicht erlebt. Der Holzpreis war zehn Jahre stabil, jetzt steigt er bei Konstruktionsvollholz auch schon einmal um 50 Euro in einer Woche. Für den Dachstuhl eines Einfamilienhauses brauchen wir etwa fünf bis sieben Kubikmeter Holz. Das hat vor einem Jahr knapp 500 Euro pro Kubikmeter gekostet, jetzt ist das doppelt so teuer.

Wie schreiben Sie letztlich bindende Angebote?

In neuen Angeboten weisen wir Material- und Lohnkosten getrennt aus. Materialkosten werden dann auf den Tag ermittelt. Dieses Verfahren gab es früher schon bei Gewerken, die Kupfer verarbeitet haben, für uns ist das neu.

Beruhigen sich die Preise wieder?

Das ist schwer zu sagen. Genug Holz ist da. Deutschland ist das waldreichste Land in Europa. Es wird aber auch mehr mit Holz gebaut, allein schon wegen der Aufstockung von Gebäuden. Seit 20 Jahren setze ich mich für den Holzbau ein. Holz ist ein nachhaltiges Material. Die Bäume binden CO2 beim Wachsen, und Holz in Gebäuden speichert es. Ich hoffe natürlich, dass weiter verstärkt mit Holz gebaut wird und die derzeitigen Preissprünge diesen Trend nicht umkehren.