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Studie aus IslandWas deutsche Experten über die Vier-Tage-Woche denken

Lesezeit 3 Minuten

Das würde die Vier-Tage-Woche bringen. Aber taugt das Modell für Deutschland?

Köln – Es ist der Traum vieler Angestellter: Weniger arbeiten bei gleichem Lohn. In Island wurde das nun wahr. Im Rahmen einer großangelegten Studie hat zwischen 2015 und 2019 ein Prozent der Bevölkerung nur noch an vier Tagen in der Woche gearbeitet. An den zwei Feldversuchen der Regierung von Reykjavík nahmen insgesamt mehr als 2500 Menschen teil, die ihre Wochenarbeitszeit demnach von 40 auf 36 oder 35 Stunden reduzierten, bei gleichem Gehalt.

Das Ergebnis: Die Produktivität und erbrachte Leistung blieben laut Wissenschaftler gleich oder verbesserten sich sogar. Die Teilnehmer berichteten zudem, dass sie sich weniger gestresst fühlten. Auch ihr Risiko für ein Burn-out schätzten sie geringer ein. Außerdem hätten sich ihre Gesundheit und ihre Work-Life-Balance verbessert.

Wäre das auch ein Modell in Deutschland? Klar dafür spricht sich die IG Metall aus. Sie betrachtet die Vier-Tage-Woche als ein Arbeitszeitmodell für die Zukunft: „Die Vier-Tage-Woche beweist sich als gutes Instrument, vor allem zur Beschäftigungssicherung“, sagt IG-Metall-Chef Jörg Hofmann. „Die Beschäftigten profitieren von Sicherheit im Wandel, von einer besseren Work-Life-Balance und höherer Arbeitszufriedenheit. Und zahlreiche Studien zeigen: Weniger Arbeitszeit macht produktiver.“ Die gesetzlichen Spielräume würden zudem ausreichend Flexibilität zur Einführung solch „innovativer, gesellschaftlich sinnvoller Arbeitszeitmodelle“ bieten.

Wirklich höhere Produktivität?

Deutlich skeptischer hingegen ist Holger Schäfer vom Institut der Deutschen Wirtschaft. Dass die Vier-Tage-Woche in Deutschland eher selten vorzufinden sei, „hat sicher Gründe“, sagt er. „So sind die postulierten Produktivitätssteigerungen, die den Arbeitszeitverlust ausgleichen sollen, wohl in den meisten Betrieben illusionär“, so Schäfer. „Man denke nur an Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen. Wie die in vier Tagen die Arbeit von fünf Tagen schaffen wollen, bleibt ein Rätsel. Im Grunde kann sich jeder Arbeitnehmer selbst fragen, ob er seine Arbeit ohne Qualitätsverlust auch mit einem Fünftel weniger Arbeitszeit schaffen kann. Ich vermute, die meisten würden die Frage verneinen.“ Zudem müsse man sich fragen, warum es bisher nicht gelang, „die Produktivitätsreserven zu heben, die dort angeblich schlummern“, so Schäfer. zudem gäbe es bereits sehr viel Flexibilität mit bisherigen Arbeitszeitmodellen.

BDA gibt sich zurückhaltend

Deutlich bedeckter gibt man sich bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). „Die Gestaltung der Arbeitszeit ist Kernkompetenz der Unternehmen und Sozialpartner. Hinweise aus der Politik helfen nicht bei der betrieblichen Praxis und sind deshalb nicht zielführend“, sagt Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger gegenüber unserer Redaktion.

Die Gewerkschaft Verdi lehnt eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich generell nicht ab – vorausgesetzt sie geht mit einer entsprechenden Reduzierung der faktischen Arbeitszeit einher. „Dafür spricht, dass der voranschreitende Produktivitätsfortschritt grundsätzlich kürzere Arbeitszeiten bei gleichem Output ermöglicht“, sagt Verdi-Sprecher Richard Rother gegenüber unserer Redaktion. Zudem würde freie Zeit für die Beschäftigten immer wichtiger. Dies zeige sich in Deutschland an dem hohen Zuspruch zu Wahlarbeitszeitmodellen. „Der Großteil der Beschäftigten hat sich hier für mehr Freizeit statt mehr Einkommen entschieden.“ Rother gibt jedoch zu bedenken, dass bei einer bloßen Verkürzung der Arbeitszeit ein starker Anstieg der Arbeitsintensität droht, was zu Arbeitsdruck und Stress führe.

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„Der Modellversuch in Island zeigt, welch hohen gesellschaftlichen Stellenwert das Thema „Zeit“ hat“, sagt Anja Piel, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Auch in Deutschland müsse Arbeitszeitflexibilität in Zukunft noch stärker aus der Sicht der Beschäftigten realisiert werden. Zudem habe die Pandemie gezeigt, dass es politische Leitplanken brauche, damit Arbeitszeiten begrenzt bleiben und von Beschäftigten selbstbestimmter geplant werden können, so Piel.