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Hohe Gewinne der VersorgerWarum die Strompreise für Verbraucher nicht sinken

Lesezeit 5 Minuten

Ein Stromzähler dreht sich. Das ist für deutsche Privatkunden besonders teuer.

Geschäftserfolg ist für Unternehmen erstrebenswert. Die Energieversorger feiern den aber eher verhalten. Sie profitieren von hohen Strompreisen.

Hatte RWE-Chef Markus Krebber im März schon keine Jubelarien angestimmt, als er einen Zuwachs beim Nettogewinn von 40 Prozent verkünden konnte, so hielt sich auch die EnBW zurück, die das operative Ergebnis um 60 Prozent steigern konnte. Auch die Kölner Rheinenergie trat an diesem Montag zurückhaltend auf, als sie ein Rekordergebnis verkündete: 316 Millionen Euro Nettogewinn im abgelaufenen Jahr nach 168 Millionen im Jahr 2022.

Und alle drei beeilten sich, zu erklären, dass sich derartig gute Zahlen im laufenden Jahr nicht wiederholen würden. 2023 haben sie nämlich deutlich von hohen Strompreisen profitiert, was Verbrauchern sauer aufstoßen könnte, die ja hohe Strompreise bezahlen. Doch bei den Unternehmen ging es um die Preise im Großhandel und an der Strombörse. RWE etwa beliefert gar keine Haushalte mehr.

Großhandel mit Strom sorgt für Gewinne

Bei hohen Großhandels- oder Börsenpreisen waren gute Geschäfte mit Strom zu machen – auch bei Verkäufen im Voraus. Die Lieferanten sichern sich so den Absatz zu vorher feststehenden Preisen. Andererseits wissen die Kunden wie Stadtwerke so schon, welche Preise sie in einigen Monaten oder auch in einem Jahr bezahlen müssen und was sie ihren Kunden in Rechnung stellen müssen.

Auch die Rheinenergie produziert den Strom nicht komplett selbst, sondern kauft den im Großhandel und an den Börsen. Das macht sie für die Kunden in der Grundversorgung regelmäßig in bestimmten Tranchen. So entsteht ein Durchschnittspreis, der Preisspitzen nicht entstehen lässt. Bei steigenden Strompreisen profitieren die Kunden von früheren, günstigeren Käufen. Sinken die Preise aber, so sinken die Preise für die Haushaltskunden langsamer, weil auch noch der früher eingekaufte, teurere Strom vermarktet wird.

Rheinenergie spekuliert nicht

Den Strom für Laufzeitverträge kauft die Rheinenergie am Markt ein und schließt so viele Verträge mit Kunden, wie sie sich Strom gesichert hat. Für die ist der Preis dann über die Laufzeit fixiert. Und für neue Laufzeitverträge kauft das Unternehmen dann wieder Strom ein. Offene Positionen gibt es so nicht. Die Rheinenergie spekuliert also nicht.

Denn das kann dramatisch schiefgehen, wie Ende 2022 zu beobachten war. Da hatten Versorger kurzfristig günstig Gas oder Strom eingekauft und hatten für Kunden vermeintlich attraktive Angebote geschnürt. Doch als die Einkaufspreise stiegen, waren die Verträge mit den Kunden nicht mehr kostendeckend, und die Unternehmen stellten die Belieferung ein. Mit dramatischen Folgen für die Kunden. Die mussten sich neue Versorger suchen, die dann allerdings im Schnitt 65 Cent pro Kilowattstunde (kWh) von ihnen verlangten, während sie Bestandskunden deutlich günstiger belieferten.

Deutsche Privatkunden zahlen Spitzenpreise in der EU

Derartige Spitzenpreise werden in Deutschland nicht mehr verlangt. Dennoch müssen die Privathaushalte für Strom besonders tief in die Tasche greifen. Nach Daten der EU kostete eine Kilowattstunde im zweiten Halbjahr 2023 – da entlastete die Strompreisbremse aber noch die Verbraucher – hierzulande inklusive Steuern und Abgaben rund 42 Cent. Das ist EU-Spitze. Der Wert ist fast 13 Cent höher als der EU-Durchschnitt von 28,5 Cent pro Kilowattstunde.

Die Preise schwanken freilich stark. So waren die Strompreise in den Niederlanden und Belgien nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes im ersten Halbjahr 2023 höher als in Deutschland. Teuer war der Strom zum Jahresende 2023 für Haushalte auch in Irland mit 37,46 Cent und Italien mit 36,19 Cent pro Kilowattstunde. Am günstigsten ist Elektrizität für Privatleute in Ungarn (11,09 Cent/kWh), gefolgt von Norwegen (12,11 Cent/kWh). In Ungarn wird Strom vor allem mit Atomenergie und Erdgas produziert, in Norwegen vor allem mit Wasserkraft.

Steuern und Abgaben treiben den Preis

Nicht nur die Art der Erzeugung, sondern auch nationale Steuern und Abgaben tragen zu den Preisunterschieden bei. In Deutschland machen Steuern, Abgaben und Umlagen 12,02 Cent pro Kilowattstunde aus oder 29 Prozent. Der Anteil der Netzentgelte, die allerdings regional unterschiedlich sind, beträgt im Schnitt 27 Prozent, Beschaffung und Vertrieb haben einen Anteil von 44 Prozent.

Anders sieht es beim Industriestrom aus. Laut der europäischen Statistikbehörde entspricht der Industriestrompreis in Deutschland ziemlich genau dem Durchschnitt der EU. Laut dem Branchenverband BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft) liegt der Jahresschnitt 2023 bei 24,46 Cent. Zum Jahresbeginn sank der Preis auf 17,65 Cent. Die Preise gelten für einen Jahresverbrauch 160 000 bis 20 Millionen kWh. 16,15 Cent des Preises entfallen auf Beschaffung, Netzentgelt und Vertrieb.

Haushalte zahlen für die Netze

Den Hauptteil der Netzentgelte und damit auch den Ausbau der Netze zahlen in Deutschland die Haushaltskunden. Die befinden sich im Niederspannungsnetz und müssen die Anteile aller übergeordneten Stromnetzebenen mitbezahlen. Gewerbe- und größere Industriekunden, die an das Mittel- oder Hochspannungsnetz angeschlossen sind, zahlen nur Entgelte für die eigene Netzebene und die Netzebenen darüber.

Große industrielle Verbraucher mit einem gleichmäßigen Verbrauch verursachen weniger Kosten und können individuelle Netzentgelte beantragen. Die Mindereinnahmen der Netzbetreiber dadurch zahlen alle Letztverbraucher über die § 19 StromNEV-Umlage.

Preisvergleich lohnt sich

Freilich gibt es deutlich günstigere Angebote auf dem deutschen Markt, als es die Durchschnittspreise für Haushaltskunden nahelegen. Das Vergleichsportal Verivox hat zuletzt Preise von 26 Cent die Kilowattstunde für Haushalte ermittelt. Um Überraschungen wie Ende 2022 zu vermeiden, sollten die Verbraucher auch einen Blick auf die Unternehmen werfen, die derartige Angebote machen. Besser fährt möglicherweise der, der auf etablierte Unternehmen setzt. Auf jeden Fall sollten Kunden aus der teuren Grundversorgung in Laufzeitverträgen wechseln.

Bei der Wahl des Versorgers kann auch eine Rolle spielen, ob der sich zur Energiewende bekannt hat, in Anlagen zur Stromerzeugung aus Erneuerbaren investiert und die Netze aufrüstet, damit sie Wärmepumpen und E-Autos mit Strom versorgen können. Dazu sind gewaltige Investitionen nötig. Um die schultern zu können, müssen die Unternehmen einerseits Gewinn machen. Andererseits sorgen diese Investitionen, die sich erst in vielen Jahren bezahlt machen, dafür, dass die Versorger im laufenden Jahr wohl wirklich weniger Gewinn einfahren können als im Vorjahr.