Köln – Wozu die Probleme einer Branche führen können, zeigt sich aktuell in Großbritannien. Dort bleiben viele Regale im Supermarkt leer, dort kürzen FastFood-Ketten ihr Angebot und dort machen Tankstellen dicht, weil der Sprit fehlt. Die Liste der Beispiele ist endlos. All das passiert, weil Lkw-Fahrer fehlen, die Waren von A nach B transportieren. Der Brexit hat dort eine Entwicklung beschleunigt, die auch hierzulande in vollem Gange ist.
Auch in NRW, wo rund ein Viertel der deutschen Speditionen ansässig sind. „Das ist eine Entwicklung, die wir seit vielen Jahren beobachten“, sagt Marcus Hover, Sprecher des Verbands Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen (VVWL). Die Situation sei dramatisch. Und sie wird sich voraussichtlich weiter verschlimmern.
Es mangelt an Nachwuchs
Gründe dafür gibt es viele. Da wäre zum einen der demografische Wandel. Lkw-Fahrer werden immer älter. Fast jeder Dritte von ihnen ist laut Verband 55 Jahre oder älter, in zehn Jahren ist diese große Gruppe in Rente gegangen. Auf der anderen Seite sind nicht einmal drei Prozent der Fahrer 25 Jahre oder jünger. Auch weil das Image des Berufskraftfahrers schlecht ist, gibt es kaum junge Leute, die sagen: Das ist der Beruf, den ich machen will.
„Es ist in der Tat so, dass wir mit anderen Logistikern in einem Wettbewerb um Fahrer sind“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter des Speziallogistiker Hasenkamp, Thomas Schneider. Derzeit habe das auf den Kunsttransport spezialisierte Unternehmen mit Sitz in Frechen bundesweit rund 15 Stellen offen. Von einem Nachwuchsproblem will Schneider noch nicht sprechen, auch wenn die Fahrer im Schnitt 50 Jahre alt seien.
Neue Wege zu mehr Personal
Um neue Fahrer zu gewinnen, setzt das Unternehmen auf die besonderen Aufgaben, die mit der Spezialisierung auf die sensible Ware einhergehen. So sind die Fahrer etwa stets zu zweit unterwegs und betreuen die transportierten Güter wesentlich länger – vom Verpacken beim Kunden bis zum Aufbau im Museum. „Berufserfahrene Fahrer, die bei uns anfangen, kennen das so nicht und schätzen diese Art der Zusammenarbeit sehr“, sagt Schneider. Die besonderen Aufgaben vergüte das Unternehmen „mit einer im Branchenvergleich überdurchschnittlich hohen Bezahlung.“
Bei den Lkw-Fahrern herrscht Mangel in Deutschland.
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Auch DB Schenker, die Speditionstochter der Deutschen Bahn, unter anderem mit Standorten in Köln, Kerpen, Euskirchen oder Düren, hat die „herausfordernde Situation bei der Personalgewinnung“ erkannt. Aktuell sehe sich das Unternehmen „noch gut aufgestellt“.
Die Deutsche Post DHL Group, die genau wie DB Schenker überwiegend mit Servicepartnern zusammenarbeitet und nur wenige eigene Fahrer beschäftigt, beobachtet das Problem ebenfalls, da es „im Ergebnis zu höheren Frachtraten und einer Verknappung der Transportkosten“ führe, sagt ein Sprecher. „Der Job des Lkw-Fahrers muss nachhaltig attraktiver gestaltet werden, was nicht nur eine adäquate Vergütung beinhaltet, sondern auch attraktive Arbeitsmodelle.“
Symbolbild
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Auch diejenigen, die bereits fahren, überdenken ihr Dasein, weil die Wertschätzung des Berufs schlecht ist. Das zeigen wenige Beispiele. Während der Corona-Hochphase ließen viele Betriebe die Lkw-Fahrer beispielsweise nicht mal mehr auf die Toilette, wenn sie zum Be- und Entladen dort Halt machten. Ein weiteres großes Problem ist der Stellplatzmangel. „Dieses Thema bereitet den Fahrern großen Stress“, sagt Hover. Bundesweit fehlen bis zu 40.000 Lkw-Parkplätze.
Deutschlandweit fehlen bis zu 80.000 Lkw-Fahrer
Schon jetzt fehlen laut Bundesverband für Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) deutschlandweit bereits 60.000 bis 80.000 Lkw-Fahrer. Um daran etwas zu ändern, haben sich Verbände und Unternehmen zum Verein Pro Fahrer-Image (PROFI) zusammengeschlossen. Der Verein bemüht sich unter anderem um bessere Arbeitsbedingungen, bessere Ausbildung und eine bessere Wertschätzung des Fahrerberufs.Mitverantwortlich für das schlechte Image sind auch osteuropäische Speditionen.
Laut Bundesamt für Gütertransport sind 33 Prozent aller Lkws, die auf deutschen Straßen fahren, in osteuropäischen Ländern zugelassen. Viele Fahrer, die für diese Speditionen unterwegs sind, fahren nur in Deutschland und müssten daher deutschen Mindestlohn bekommen. Die Normalität sieht aber anders aus. Sie fahren für deutlich weniger Geld, leiden unter schlechten Arbeitsbedingungen und kommen nur selten nach Hause. Bei deutschen Firmen seien die Bedingungen viel besser, sagt Martin Bulheller vom BGL.
Längere Lieferzeiten wären die Folge
Alle genannten Gründe stehen oft dem Wunsch gegenüber, dass die Waren immer schneller beim Kunden ankommen sollen. „Wenn es so weiter geht“, sagt Bulheller, „müssen wir uns darauf einstellen, dass wir in Zukunft alle eher etwas länger auf unsere Lieferungen warten müssen.“Der Chemielogistiker Talke mit Sitz in Hürth hat vor zwei Jahren auf die Entwicklung reagiert und beschäftigt seitdem eine Mitarbeiterin, die sich ausschließlich darum kümmert, Lkw-Fahrer zu rekrutieren. „Aktuell haben wir deshalb keinen Mangel. Das ist aber mit einem enormen Aufwand verbunden“, sagt eine Sprecherin. Aktuell stellt Talke 100 Lkw-Fahrer fest an. Um Nachwuchs zu finden, geht das Unternehmen auf Messen, in Schulen und ist auch in den sozialen Medien vertreten. Zehn junge Menschen bildet Talke derzeit aus. „Wir würden gerne noch mehr ausbilden“, sagt die Sprecherin. Von alleine kämen die jungen Leute aber nicht. Man müsse Zukunftsperspektiven aufzeigen und die Begeisterung für den Beruf wecken.