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NahverkehrWas der 9-Euro-Ticket-Nachfolger kann und wer profitiert

Lesezeit 4 Minuten

Von einem Nachfolger des 9-Euro-Tickets werden wahrscheinlich deutlich weniger Menschen profitieren, Grund dafür ist vor allem der höhere Preis.

Berlin – Der Fahrkartenkauf für Bus und Bahn ist wegen unterschiedlicher Tarife und zahlreichen Vergünstigungen manchmal eine Knobelaufgabe. Im Sommer war das dank des 9-Euro-Tickets alles egal – doch die beliebten Sondertickets sind jetzt passé. Ein Nachfolger hat es aber ins Entlastungspaket der Ampel-Koalition geschafft: ein einfaches, bundesweites Ticket als Dauerangebot. Der Bund will dafür jährlich 1,5 Milliarden Euro extra locker machen, wenn die Länder das gleiche drauflegen. Viele Fragen sind noch offen. Der Preis wird höher sein, Ziel sind zwischen 49 und 69 Euro. Das ändert einiges.

Stammkunden

Ob sich die Monatskarte für 49 bis 69 Euro für Stammkunden rechnet, hängt von Ort und Fahrtstrecke ab. Wer nur innerhalb seiner eigenen Stadt unterwegs ist, den erwartet ein mehr oder weniger großer Rabatt. In Berlin etwa kostet die Monatskarte 86 Euro. Wer regelmäßig fährt und sie im Abo bucht, ist aber mit gut 63 Euro im Monat schon jetzt unter Umständen günstiger dran als mit dem geplanten Ticket. In Frankfurt dagegen kostet das Abo in der günstigsten Variante bereits rund 77 Euro, in Paderborn hingegen sind es derzeit nur etwa 55 Euro.

NRW sieht offene Finanzierungsfrage

NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) sieht bei der vom Bund geplanten Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket noch offene Finanzierungsfragen. Länder und Kommunen verfügten nicht über die Mittel, gleichzeitig die enormen Kostensteigerungen im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) aufzufangen, das Angebot weiter auszubauen „und nun auch noch eine Nachfolgeregelung für das 9 Euro-Ticket zur Hälfte mitzufinanzieren“, sagte Krischer unserer Redaktion.

Die Verständigung mit Berlin über ein bundesweit gültiges Ticket zum Preis zwischen 49 und 69 Euro im Monat begrüßte der Minister allerdings grundsätzlich. Bedauerlich bleibe, dass umweltschädliche Subventionen wie das Dienstwagenprivileg von der Ampel-Bundesregierung nicht zur Gegenfinanzierung gekippt werden konnten, so Krischer. Allerdings hatte es auch in der schwarz-grünen Koalition in Düsseldorf keine einheitliche Position dazu gegeben. (tb)

Klarer ist die Sache für Menschen, die aus dem Umland in Innenstädte pendeln. Für sie lohnt sich das geplante Angebot in den allermeisten Fällen. Denn bisher galt bei den Tarifen: Je weiter, desto teurer. Wer etwa die 50 Kilometer zwischen Lüneburg und Hamburg pendelt, zahlt im Abo mindestens rund 187 Euro im Monat. „Unser Ziel sollte sein, spätestens zu Beginn des Jahres 2023 ein neues Ticket zu haben“, sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) der Mediengruppe VRM.

Auto-Pendler

Viele haben sich daran gewöhnt: allmorgendlich Stau, Nervenprobe auf Einfallstraßen der Großstadt. Ein neues, dauerhaft günstiges Ticket für Busse und Bahnen könnte da manche ins Grübeln bringen – und vielleicht zum Umstieg bewegen. Jedoch: Bus- und Bahnfahren ist in den meisten Fällen schon jetzt günstiger als ein eigenes Auto. Viele fahren trotzdem Auto, der Preis ist für sie nicht das Hauptargument.

Ausflügler

Das 9-Euro-Ticket hat sich vor allem an touristischen Zielen bemerkbar gemacht. Viele nutzten die Gelegenheit für günstige Ausflüge. Das dürfte sich bei einer Nachfolgelösung für 49 bis 69 Euro ändern. Denn für gelegentliche Tagesausflüge sind häufig die bestehenden Länder-Tickets der Bahn oder das bundesweiten Quer-durchs-Land-Ticket günstiger.

Dorfbewohner

An mehr als jeder dritten Haltestelle in Deutschland kann man nach Berechnungen der Bahn-Tochter Ioki nicht mal einmal pro Stunde in die eine oder die andere Richtung fahren. Auch der Autofahrerclub ADAC mahnt an, weiterhin Lücken im öffentlichen Angebot zu schließen. Es müsse nicht nur Geld für günstigere Fahrkarten geben, sondern auch für mehr Busse und Bahnen, heißt es beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). „Andernfalls müssen im kommenden Jahr umfassend Leistungen abbestellt werden, da diese mit den vorhandenen Mitteln nicht mehr finanziert werden können“, ergänzt der Bundesverband Schienennahverkehr.

Familien

„Es fehlt die Familienkomponente“, kritisiert Karl-Peter Naumann, der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn. Denn eine kostenfreie Kindermitnahme wie beim Vorbild 9-Euro-Ticket ist bisher jedenfalls nicht angekündigt. Das werde manche davon abhalten, auf Bus und Bahn umzusteigen.

Finanzierung

Damit das neue Ticket überhaupt kommt, sollen die Länder mit an Bord. Schon bisher ringen sie hart mit dem Bund um einen Nachschlag bei den normalen Regionalisierungsmitteln, mit denen sie Leistungen bei den Verkehrsanbietern bestellen. Regulär kommen aus Berlin in diesem Jahr schon 9,4 Milliarden Euro, dazu eine Milliarde aus einem anderen Topf.

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Akuter Handlungsbedarf besteht wegen gestiegener Betriebskosten bei Bussen und Bahnen. Wäre das 9-Euro-Ticket verlängert worden, hätte es den Bund pro Jahr 14 Milliarden Euro gekostet. Die Vorsitzende der Verkehrsminister, die Bremer Senatorin Maike Schaefer (Grüne), verwies auf nötige Abstimmungen, wie hoch der Anteil der Länder bei welchem Ticket sein müsste. Nächster Halt ist ein Sondertreffen mit Wissing am 19. September. (dpa)