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Mangel auf RekordniveauIn welchen Bereichen am meisten Fachkräfte fehlen

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Bauarbeiter Symbolbild

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Frankfurt – In Deutschland haben in den letzten zwölf Monaten mehr als eine halbe Million Fachkräfte gefehlt. Das ist das Ergebnis einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Im Jahr 2020 hatte die Corona-Pandemie den Fachkräftemangel zeitweise abgeschwächt. Doch seit dem Wiederaufschwung im vergangenen Jahr stiegen auch die Engpässe wieder deutlich an. Das IW beziffert den Fachkräftemangel insgesamt auf 540.000 Menschen – bezogen auf die Zeit zwischen dem Juli 2021 und dem Juli dieses Jahres.

Besonders groß sei die Lücke vor allem in den Bereichen Sozialarbeit, Erziehung, Pflege, IT und Handwerk. Einen „traurigen Rekord“ erreiche inzwischen der Fachkräftemangel an sozialpädagogischen Expertinnen und Experten, heißt es in der Studie: „Von den bundesweit knapp 26 500 offenen Stellen gab es für knapp 20 600 keine passend qualifizierten Arbeitslosen – so groß war der Mangel nie zuvor.“

Bedeutung in Pandemie gestiegen

Diese Fachkräfte fehlten etwa bei der Berufseinstiegsbegleitung, in der Schulsozialarbeit, in Jugend-, Kinder- und Altenheimen oder in der Suchtberatung, also überall dort, wo Menschen persönliche Begleitung für die Lösung sozialer Probleme benötigten. Diese Tätigkeitsfelder seien aber in der Corona-Pandemie noch wichtiger geworden, schreiben die Studienautorinnen Helen Hickmann und Filiz Koneberg. In der Kinderbetreuung sind 20.000 Stellen offen, in der Altenpflege 18.000.

Im Handwerk fehlten sogar 87.000 Fachkräfte. Hier ist der Mangel in der Bauelektrik, der Heizungs- und Klimatechnik als auch der Kraftfahrzeugtechnik besonders groß. „Viele dieser Berufe sind hoch relevant für die Gestaltung der Energie- und Klimawende, etwa für die Installation von Solaranlagen oder die Optimierung von Heizungsanlagen“, heißt es in der Studie.

Zuwanderung als Lösung?

Mit Blick auf die IW-Studie sprach sich der Chef des Arbeitgeberverbandes der Metall- und Elektroindustrie, Stefan Wolf, für ein neues Zuwanderungsgesetz aus. „Wir brauchen ein qualifiziertes Zuwanderungsgesetz, wie es etwa Kanada hat. Den Zuwanderern muss man ein langfristiges Bleiberecht einräumen“, sagte der Gesamtmetall-Präsident den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Das bestehende Fachkräfteeinwanderungsgesetz habe viele Fallstricke und Hürden. Kanada hingegen habe mit seinem Zuwanderungsgesetz viele Probleme gelöst. (kna)

In der IT fehlen mehr als 13.600 Informatikexpertinnen und -experten – auch das ein Rekord. In diesem Bereich ist die Besetzung der Stellen am schwierigsten: Für neun von zehn offenen Stellen habe es zuletzt bundesweit nicht passend qualifizierte Arbeitslose gegeben. Und schließlich fehlen auch Berufskraftfahrer und -kraftfahrerinnen. Der Mangel dürfte sich hier noch verschärfen, denn die Beschäftigten seien überdurchschnittlich alt, außerdem fehle es an Nachwuchs.

Insgesamt, so hatte am Donnerstag das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gemeldet, gab es im letzten Quartal 1,93 Millionen offene Stellen. Das waren so viele wie noch nie seit Beginn der Erhebung vor dreißig Jahren. Dabei sind jeweils fünf der besonders betroffenen Berufe stark von Frauen beziehungsweise Männern geprägt: In den Sozialberufen liege der Frauenanteil bei 76,6 Prozent, fast rein männerdominiert sind die betroffenen handwerklichen Berufe. Die Forscherinnen plädieren deshalb dafür, die Geschlechterklischees bei der Berufswahl abzubauen.

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Sie empfehlen, möglichst frühzeitig in die berufliche Orientierung zu investieren, etwa schon in den Schulen. Unternehmen, Verbände und Innungen könnten dies fördern, indem sie die eigene Attraktivität als Arbeitgeber und als Branche sowie diejenige der entsprechenden Berufe bei jüngeren und älteren Zielgruppen durch gendergerechte Ansprache und Förderung erhöhten: „Bei der aktuellen Fachkräftesituation ist es fatal, wenn Geschlechterklischees den Pool an Bewerberinnen und Bewerbern noch weiter einschränken“, sagt Studienautorin Koneberg.