Der Konzern will schlanker werden und kürzt in der Verwaltung. Die Beschäftigungssicherung in Deutschland wird bis Ende 2026 verlängert. Danach sind aber auch betriebsbedingte Kündigungen möglich.
Leverkusener Konzern baut umBei Bayer fallen viele Stellen weg – Deutschland besonders betroffen
Ein bisschen schlauer wurden die Bayer-Mitarbeitenden heute. Der Agrarchemie- und Pharma-Konzern Bayer hat ihnen von 13 bis 14.30 Uhr in einer Online-Veranstaltung ein umfangreiches Stellenabbau-Programm vorgestellt. Arbeitsdirektorin und Vorständin Heike Prinz und Arbeitnehmervertreterinnen und Vertreter beantworteten bis zu 600 eingereichten Fragen der Mitarbeitenden in Deutschland.
Einen Konzernumbau hatte der seit Sommer amtierenden Chef Bill Anderson im November angekündigt, als der Konzern rote Zahlen für das dritte Quartal verkündet hatte. Er sah Handlungsbedarf. „Wir analysieren unsere strukturellen Optionen sehr gründlich", so Anderson. Wie das genau aussehen könnte, wollte und will das Unternehmen im März sagen.
Keine Aufspaltung in drei Divisionen
Klar ist aber, dass der Konzern nicht in die drei Teile Pharmazie mit verschreibungspflichtigen Medikamenten, den verschreibungsfreien Mitteln und der Agrarchemie aufgespalten werde. „Diese Option schließen wir aus", so Anderson damals. Möglich sei aber eine Trennung von den verschreibungsfreien Medikamenten mit Kassenschlagern wie Aspirin und Bepanthen oder auch der Agrarchemie, zu der auch das Saatgutgeschäft gehört. Analysten und Investorenmahnen mahnen schon länger Strukturveränderungen an, weil sie sich davon einen höheren Aktienkurs versprechen.
Klar ist auch, dass der Konzern schlanker wird. Von ihm bis zum Kunden gebe es zwölf Hierarchieebenen, so Anderson. Mehrere Führungsebenen sollen entfallen. Die Belegschaft werde erheblich reduziert. Streichungen gibt es wohl in der Verwaltung und damit auch massiv in Deutschland. Es kümmerten sich zu viele Mitarbeitende um Prognosen oder Koordination, so Anderson. Künftig soll es agile Teams mit Entscheidungsfreiheit geben, die sich selbst organisieren und sich um Kunden und Produkte kümmern. 95 Prozent der Entscheidungsfindung solle auf die Beschäftigten verlagert werden.
Zahlen zum Stellenabbau gibt es noch nicht
Zahlen gab es aber noch nicht, als am Mittwochabend der Leverkusener Unternehmen mitgeteilt hatte, ein neues Organisationsmodell einzuführen und dabei alle Konzernbereiche auf mögliche Einsparungen zu durchleuchten. „Bayer befindet sich derzeit aus unterschiedlichen Gründen in einer schwierigen Lage“, sagt Heike Prinz. „Um die Leistungsfähigkeit unserer Organisation und unseren Handlungsspielraum schnell und nachhaltig zu verbessern, sind jetzt einschneidende Maßnahmen notwendig. Wir wollen Bayer zügig in die Erfolgsspur bringen“, so die Arbeitsdirektorin.
Arbeitnehmervertreter setzen sich zwar für den Fortbestand von Bayer mit seinen drei Divisionen ein. stellten sich grundsätzlich aber hinter das Vorhaben. „Wir sehen mit dem neuen Betriebsmodell eine große Chance, unsere wirtschaftliche Situation deutlich zu verbessern. In der angespannten wirtschaftlichen Lage des Unternehmens reichen die bereits laufenden Programme und Maßnahmen jedoch nicht aus“, so Betriebsratschefin Heike Hausfeld. Deshalb habe der Betriebsrat schweren Herzens weiteren Einschnitten zugestimmt.
Abfindungen für Mitarbeitende und Hilfe bei der Jobsuche
Die Einführung des neuen Betriebsmodells werde zu Lasten vieler Führungskräfte gehen, sagte Barbara Gansewendt, Vorsitzende des Sprecherausschuss von Bayer, der die Interessen der Leitenden Angestellten vertritt. „Wir haben allerdings erreicht, dass Beschäftigte, deren Stelle im neuen System wegfällt, neben einer attraktiven Abfindung zu marktgerechten Konditionen bei Bedarf auch die nötige Unterstützung und Zeit für die persönliche Orientierung erhalten werden, um möglichst rasch wieder eine neue Beschäftigung zu finden“, so Gansewendt weiter.
Man habe dem jetzt eingeschlagenen Weg zugestimmt und stehe dem neuen Organisationsmodell von Bayer offen gegenüber, sagt der IG-BCE-Gewerkschafter und Bayer-Aufsichtsrat Francesco Grioli. „Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird sich vieles verändern. Wir werden gemeinsam daran arbeiten, dass alle sicher neue Pfade beschreiten können.“
Neue Struktur bis Ende 2025
Gesamtbetriebsratschefin Hausfeld betonte, dass es zumindest gelungen sei, den bevorstehenden Stellenabbau „so sozialverträglich wie möglich zu gestalten“. In Deutschland bietet Bayer den Beschäftigten, wie bei früheren Restrukturierungen, nach Lebensalter gestaffelte Aufhebungsverträge an. Mitarbeitende, die das Unternehmen verlassen, bekommen eine sechsmonatige Bedenkzeit, in der sie dabei unterstützt werden, eine neue Beschäftigung außerhalb des Konzerns zu finden. Bei Bedarf können betroffene Beschäftigte außerdem bis zu zwölf Monate lang individuelle Qualifizierungsmaßnahmen für den externen Arbeitsmarkt erhalten.
Die neue Organisationsstruktur soll bis Ende 2025 installiert sein. Betriebsrat und Management haben die Beschäftigungssicherung mit dem Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen um ein Jahr bis zum 30. Dezember 2026 verlängert. Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, deren Stelle entfallen ist und die das Unternehmen bis Ende 2026 nicht verlassen haben, werden zum 31. Dezember 2026 dann notfalls betriebsbedingt gekündigt. Das ist neu für die Mitarbeitenden. „Die seit 27 Jahren eher theoretische Gefahr von betriebsbedingten Kündigungen am Ende einer Beschäftigungssicherungsvereinbarung ist damit zu einer realen Option geworden“, sagte Hausfeld. Das zu akzeptieren sei dem Betriebsrat trotz der schwierigen Situation äußerst schwergefallen. „Wir sind uns aber mit dem Arbeitgeber einig, dass betriebsbedingte Kündigungen auch künftig nur als letztes Mittel eingesetzt werden sollen“, erklärt Hausfeld weiter.
Bayer hat in Deutschland derzeit 22.200 Beschäftigte, weltweit sind es 101.000, die 2022 einen Umsatz von 50,7 Milliarden Euro erwirtschafteten. Auch im Ausland kommen Verwaltungsstrukturen auf den Prüfstand.
Börse reagiert verhalten
Die Börse reagierte verhalten bis skeptisch. Der Kurs der Aktie Börse sank bis zum Abend um zwei Prozent auf 32,52 Euro. Das Papier leidet seit der Übernahmen des US-Konzerns Monsanto 2018. Zahlreiche Kläger in den USA machen dessen Wirkstoff Glyphosat für ihre Krebserkrankung verantwortlich. Bayer bestreitet das, verlor aber Schadensersatzprozesse und muss große Summen für die Verteidigung aufbringen. Das kostet den Konzern Milliarden.
Beim Pharma-Geschäft sind die Aussichten eingetrübt. Jahrelang spülten der Gerinnungshemmer Xarelto und das Augenpräparat Eylea Milliarden in die Kassen. Doch deren Patente laufen in den unterschiedlichen Märkten Schritt für Schritt aus. Nachahmerpräparate dürften die Bayer-Geschäfte dämpfen. Auch musste im November eine Studie mit dem möglichen Xarelto-Nachfolger Asundexian abgebrochen werden. Von dem Mittel hatte sich Bayer einen jährlichen Milliardenumsatz versprochen.