Ein Analyst von Union Investment erwartet von Bayer zum Kapitalmarkttag am 5. März eine nachhaltige Wachstumsstrategie. Das Unternehmen könne sich keine weitere Enttäuschungen leisten.
Stellenabbau bei Bayer„Die Struktur hat sich für die Aktionäre nicht ausgezahlt“
Wie sehen Sie den Bayer-Konzern aufgestellt im Vergleich zu anderen Pharmafirmen?
Es fällt auf, dass Bayer als eines der wenigen Pharmaunternehmen an der Konglomeratsstruktur festhält. Fast alle anderen von den großen Pharmaunternehmen haben sich dazu entschlossen, sich auf ihre Kernkompetenz, also Pharma, zu fokussieren und Randaktivitäten abzustoßen – wie zum Beispiel Tiermedizin bei Pfizer, Generika bei Sandoz oder Consumer Health bei Glaxo. Das ist der erste große Unterschied: Bayer will Konglomerat bleiben. Andere Unternehmen, die das auch noch tun, sind Merck aus Darmstadt oder Johnson & Johnson aus den USA, wobei die auch gerade den Bereich Consumer Health abgestoßen haben. Mit den Bereichen Krebs, Herz-Kreislauf, Auge und Frauengesundheit ist Bayer in interessanten Wachstumsmärkten vertreten.
Sind Unternehmen, die sich vom Konglomerat verabschiedet haben, dadurch stärker?
Von Investoren wird es geschätzt, wenn Unternehmen sich auf ihre Kernkompetenz fokussieren. Das Management hat dann mehr Managementkapazitäten, um sich auf den Pharmabereich einzustellen und die Spin-offs / Abspaltungen anderer Bereiche haben sich als eigenständige Gesellschaften am Kapitalmarkt oft sehr gut entwickelt. Bayer ist im Pharmabereich eher mittelstark von daher gibt es natürlich viele Firmen, die allein schon durch ihre Größe besser aufgestellt sind. Hinzu kommt, dass Bayer seit Jahren der schwächste DAX-Wert ist. Das liegt vor allem an der Klageflut nach der Monsanto-Übernahme, aber letztlich hat sich die gegenwärtige Struktur für die Aktionäre nicht ausgezahlt.
Und wo steht Bayer im Wettbewerb mit anderen Agrarchemiekonzernen?
Da steht Bayer ganz gut da und spielt in der Top-Liga mit und bei steigender Weltbevölkerung ist es absolut notwendig, deren Ernährung effizienter herzustellen. Der große Nachteil sind die Glyphosat- und PCB-Klagen. Davon abgesehen ist Bayer in diesem Bereich fundamental stark aufgestellt, deutlich besser als in der Pharmasparte.
Wie schätzen Sie die Forschungspipeline im Pharmabereich ein, erkennen Sie Produkte, die sich weiterentwickeln?
Die Pipeline im Vergleich zur Konkurrenz ist eher schwach. Man müsste sich gerade in Phase 2, also im mittleren Stadium der Medikamentenentwicklung, verstärken. Gleichzeitig sind Weiterentwicklungen zu erkennen. Bayer hat ja vor Kurzem die Elinzanetant-Daten vorgestellt, also ein neues Medikament gegen menopausale Symptome, das auf nicht-hormoneller Basis funktioniert. Das könnte ein sehr großer Markt werden, wahrscheinlich sogar Blockbuster-Status bekommen, also deutlich über eine Milliarde an Umsatz generieren. Es gibt zwei Punkte dazu: Noch in diesem Quartal erwartet Bayer wichtige Phase-3-Daten, die müssen natürlich erst noch kommen und positiv ausfallen, damit dieses Produkt zugelassen werden kann. Der zweite Punkt ist, dass Astellas im Sommer letzten Jahres ein ähnliches Produkt gelauncht hat, das wohl relativ langsam gestartet ist, wobei wir die Zahlen aus dem vierten Quartal von Astellas noch nicht gesehen haben. Aber da sollte Bayer, da sie ein gutes Frauen-Franchise haben, deutlich bessere Chancen haben, so ein Medikament an den Markt zu bringen.
Zudem gibt es zwei andere Wachstums-Medikamente, auf die sich hinzuweisen lohnt: Nubeqa und Kerendia. Bayer hofft, mit beiden jeweils drei Milliarden Spitzenumsatz zu erzielen. Das sieht für Nubeqa, einem Medikament gegen Prostatakrebs, einigermaßen gut aus. Aber bei Kerendia, wo es um eine Indikationserweiterung geht, warten wir dieses Jahr auch noch auf Phase-3-Daten in der Indikation Herzschwäche. Die müssten auch positiv sein, damit man Chancen hat, diese drei Milliarden Spitzenpotential zu erreichen.
Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass Bayer unabhängig bleibt – oder wird Bayer ein Übernahmekandidat?
Bayer hat noch gute Chancen, unabhängig zu bleiben. Absolut notwendig ist bei Bayer ein Bewusstsein für die Dringlichkeit der Situation, was mit dem neuen Management hoffentlich der Fall ist. Mit einer möglichen Zerschlagung von Bayer, die aktuell noch nicht zu befürchten ist, gehen viele Probleme ja nicht weg, sondern bleiben bestehen: die schwache Pharmapipeline, die hohe Verschuldung, die Glyphosatklagen. Aber Bayer muss unbedingt beim Kapitalmarkttag am 5. März eine nachhaltige Wachstumsstrategie präsentieren und darf sich keine weiteren Enttäuschungen und Verzögerungen mehr erlauben.
Wie schätzen Sie die Risikolage ein – mit Blick etwa auf die Risiken, die Bayer durch Monsanto hat, aber auch mit Blick auf den Anleger: Wie hoch ist das Risiko, das mit Bayer einhergeht?
Die Risiken sind zum Teil bei dem niedrigen Aktienkurs jetzt schon eingepreist, aber gerade bei Glyphosat und PCB lässt sich schwer abschätzen wie groß das langfristige Risiko ist. Es ist auf jeden Fall hilfreich, dass Bayer Glyphosat für private Nutzer vom Markt genommen hat; die Klagen kommen ja hauptsächlich aus diesem Bereich. Weitere Risiken sind die hohe Verschuldung und die niedrige Cashflow-Generierung. Probleme über Probleme, für deren Lösung wir uns auf dem Kapitalmarkttag Antworten und vor allem eine überzeugende Strategie erhoffen.
Würden Sie, Stand heute, noch empfehlen, Bayer ins Depot zu nehmen?
Dazu kann ich insofern nichts sagen, als wir als Fondsgesellschaft keine Anlageempfehlungen geben dürfen.