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Kritik an LebensmittelverschwendungWenn die Kartoffel zu hässlich für den Supermarkt ist

Lesezeit 2 Minuten
Ein Traktor fährt bei der Ernte von Kartoffeln über einen Acker.

Ein Traktor fährt bei der Ernte von Kartoffeln über einen Acker.

Kartoffeln sind des Deutschen liebstes Gemüse. Aber schön muss sie sein, die Knolle. Vielfach werden Kartoffeln wegen mangelnder Optik zurückgewiesen. Ein Vorgehen, an dem der Handelsverband Kritik übt.

Die Kartoffelernte lief in diesem Jahr trotz aller Wetterkapriolen eigentlich ganz erfreulich. Etwa 10,3 Millionen Tonnen holten die deutschen Landwirte vom Acker, schätzt das Bundesamt für Statistik. Die Lager sind ganz gut gefüllt. Und doch: Viele dieser Kartoffeln werden niemals auf dem Teller der Verbraucher landen.

„Jede vierte in Deutschland geerntete Kartoffel schafft es nicht in die Supermärkte“, sagt Thomas Herkenrath, Präsident des Deutschen Kartoffelhandelsverbands (DKHV). Warum? „Schon kleinste optische Mängel und Kratzer auf der Schale reichen aus, damit einwandfreie Kartoffeln aussortiert werden.“ Die Knolle im Supermarkt soll möglichst makellos sein, so der Anspruch der Handelskonzerne.

Übertriebene Ansprüche?

Herkenrath wirft den Supermarktbetreibern vor, durch übertriebene Ansprüche an die Optik einen Beitrag zur Lebensmittelverschwendung zu leisten. Kartoffeln, die vermeintlich nicht gut genug seien für die Handelsregale, endeten als Tierfutter oder würden in Industrieanlagen anderweitig verwendet. „Dafür bekommen die Bauern dann deutlich weniger Geld“, sagt der Verbandspräsident.

Als Beleg liefert er eine Reihe von Fotos aus Kartoffellagern. Eigentlich sind die Knollen fast einwandfrei. Rein äußerlich sind keine Schäden zu erkennen, die beim Schälen nicht verschwunden wären. Doch nach Angaben Herkenraths wurden alle diese Knollen von Supermarktbetreibern zurückgewiesen.

Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) kontert auf Anfrage die Kritik. Ein Sprecher verweist auf entsprechende Vereinbarungen zwischen Handel und Kartoffelproduzenten, in denen die Qualitätsnormen ausgearbeitet worden sind. „Diese Vereinbarungen nützen Erzeugern, weil sie ihnen Sicherheit bei der Vermarktung geben, und Händlern, weil sie klar definierte Ware einkaufen können“, so der BVLH.

Viele Kartoffeln werden anderweitig verwendet

Und ohnehin werde ein großer Teil der geernteten Kartoffeln nicht im Supermarkt verkauft, sondern anderweitig verwertet. „Insgesamt übersteigen die alternativen Verwertungsrichtungen den Marktanteil der Speisefrischkartoffelerzeugung sogar deutlich.“

Laut Kartoffelhandelsverband interpretieren die Supermarktbetreiber die Normen aber eher eigenwillig, was zu hohen Rücklaufquoten führe. Präsident Herkenrath warnt, das Vorgehen gefährde die Kartoffelproduktion in Deutschland. „Schon jetzt kann der heimische Bedarf nur durch Importe gedeckt werden. Dies wird sich verschärfen, wenn die Handelskonzerne nicht endlich fair mit ihren Lieferanten aus Deutschland umgehen.“ Auch politische Vorgaben beispielsweise zum Pflanzenschutz machten Kartoffelbauern das Leben schwerer.

Preise müssten weiter steigen

Hinzu kommen die Marktverwerfungen. Der Ukraine-Krieg, die Energiekrise und die Inflation treiben die Kosten der Produzenten. „Bis Weihnachten müssen die Kartoffeln eigentlich noch einmal zehn bis 15 Prozent teurer werden, damit die Inflation und die gestiegenen Energiekosten halbwegs aufgefangen werden können“, erklärt Herkenrath. Tatsächlich sperrten sich die Supermarktbetreiber aber gegen höhere Preise: „Höchste Ansprüche treffen da auf niedrigste Preise. So geht das einfach nicht.“