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Kölner AmtsgerichtKlagen wegen verspäteter oder annullierter Flüge auf Rekordniveau

Lesezeit 4 Minuten
Mit Verspätung oder gar nicht starteten viele Flugzeuge am Airport Köln/Bonn in den letzten Jahren.

Mit Verspätung oder gar nicht starteten viele Flugzeuge am Airport Köln/Bonn in den letzten Jahren.

Immer mehr Fluggäste sind offensichtlich bereit, für ihre Rechte vor Gericht zu ziehen. Das Kölner Amtsgericht muss sich mit massenhaften Klagen befassen.

Lange Schlangen vor der Abfertigung, Verspätungen und annullierte Flüge – für Passagiere am Flughafen Köln/Bonn und anderen Airports kann die Fliegerei schon mal an die Nerven gehen. Offensichtlich sind die Fluggäste immer mehr bereit, für ihre Rechte vor Gericht zu ziehen. Das Kölner Amtsgericht muss sich mit massenhaften Klagen wegen ausgefallener oder verspäteter Flüge befassen. Die Zahlen haben sich vom Jahr 2022 auf das Jahr 2023 mehr als verdoppelt. Das Ziel der Passagiere ist es, eine finanzielle Entschädigung zu bekommen.

Knapp 18 000 Fälle musste das Gericht im Jahr 2022 bearbeiten. „Das ist die höchste Anzahl an Klagen, die jemals am Amtsgericht bei Flugausfällen eingegangen ist“, sagte eine Gerichtssprecherin noch im März 2023. Doch nun sind die Zivilverfahren noch einmal ganz deutlich gestiegen. Nun sind es 37 000 Klagen. „Es gibt wahnsinnig viele Fluggastrechte-Verfahren“, betonte der Präsident des Kölner Amtsgerichtes, Dr. Dietmar Dumke.

Lufthansa mit Sitz in Köln

86 Prozent der Zivilverfahren aus dem Jahr 2023 würden sich fast nur um Annulierungen oder Verspätungen drehen. Insgesamt seien knapp über 50 200 Zivilverfahren im Jahr 2023 bearbeitet worden. Im Jahr 2022 waren es noch genau 30 899 Zivilverfahren. Wie eine Sprecherin des Amtsgerichtes mitteilte, hänge die hohe Anzahl der Klagen in Köln auch damit zusammen, dass die Lufthansa ihren Sitz in Köln hat und dadurch das Kölner Gericht zuständig sei. „Auch wenn Fluggäste in Köln zwischenlanden und es beim Weitertransport zu Verspätungen kommt, werden die Klagen hier bearbeitet“, betonte die Sprecherin. Zum Vergleich: Nach einem normalen Sommer verzeichnete das Gericht in den vergangenen Jahren etwa 2000 Klagen von Fluggästen. Die Fluggastverordnung sieht vor, dass Passagiere zwischen 250 und 600 Euro erhalten können, wenn es zu einer erheblichen Verspätung kommt. Bei Verspätungen von mehr als drei Stunden können Fluggäste ihre Rechte einfordern – und oftmals in der Sommerzeit gibt es eine Vielzahl von Flügen, die erst mehr als drei Stunden später abgehoben sind. Der Richterbund sieht Portale, mit denen Passagiere ihre Ansprüche schnell und einfach durchsetzen könnten, als wesentlichen Grund für die massenhaften Klagen.

Der Kölner Amtsgerichtspräsident Dumke machte deutlich, wie viel Arbeit die Bearbeitung der Fälle macht. Das Gericht habe zehn neue Zivilkammer gegründet, um dem Ansturm gerecht zu werden. „Das ist so, als ob wir das Amtsgericht in Wipperfürth neu aufgemacht hätten“, erklärte Dumke. 50 Richterinnen und Richter würden sich mit den Verfahren beschäftigen. Um ein Verfahren abzuschließen, benötigte das Gericht etwa fünf Monate in der ersten Instanz. Das Unternehmen Lufthansa sei in den Verfahren der „Hauptlieferant“, gefolgt von Ryanair. Verfahren mit Verspätungen bei der Firma Eurowings würde am Gerichtsstand Düsseldorf entschieden. Wie ein zuständiger Richter am Kölner Gericht bei der Vorstellung der Jahresbilanz 2022 berichtete, würden die Luftfahrtunternehmen mit harten Bandagen arbeiten und oft erstmal nicht auf die Forderungen der Passagiere eingehen. Wörtlich sagte der Richter: „Die Bürger sollen zuerst einmal abgebürstet werden“. Jeder Einzelfall müsse allerdings genau geprüft werden – auch zugunsten der Fluggesellschaften. Wenn etwa „außergewöhnliche Umstände“ vorliegen, gebe es in der Regel kein Geld. Beispielsweise Annullierungen wegen „Vogelschlags“ seien ein „unabwendbares Ereignis“, sagte der Richter.

Frankfurter Airport mit meisten Ausfällen

Fluggäste in Köln/Bonn waren im Jahr 2023 oft von Verspätungen oder Flugausfällen betroffen. Das hat Airhelp, eine Organisation für Fluggastrechte, ermittelt. Demnach liegt Köln/Bonn mit einer Quote von 39,49 Prozent auf Platz zwei der deutschen Flughäfen. Die meisten Ausfälle und Verspätungen gab es in Frankfurt mit einer Quote von 42,91 Prozent. Auf Platz drei liegt Dortmund, wo 39,09 Prozent der Flüge verspätet waren oder ausgefallen sind. Airhelp hat Flughäfen untersucht, in denen mindestens 500 000 Passagiere gestartet sind. Als unpünktlich galten Flüge, die mehr als 15 Minuten nach Plan starteten. Als Ausfälle wurden Verbindungen angesehen, die in der Woche vor dem geplanten Start abgesagt wurden. „Das Jahr 2022 war kein gutes Jahr für Flugreisende. Insbesondere der Sommer hat gezeigt, dass die Flughäfen und Airlines personell nicht auf den Anstieg an Flugreisen nach der Pandemie vorbereitet waren“, so Airhelp-Chef Tomasz Pawliszyn.