Konsequentes WachstumDeutz AG setzt weiter auf den Diesel
- Ein Weltkonzern sind die Kölner, die aus dem Traditionsunternehmen KHD hervorging, heute nicht mehr.
- Dafür arbeitet der Hersteller am Spezial-Dieselmotor der Zukunft und setzt dort konsequent auf hohes Wachstum.
Fast jeder Junge – und auch manches Mädchen – dürfte ihn kennen: den grünen Deutz-Traktor aus Plastik, beliebt in allen Spielzeuggrößen. Auch als echtes Fahrzeug hat er sich ins kollektive Gedächtnis der Technikbegeisterten eingebrannt. Doch ausgerechnet ihr wichtigstes Marken-Erkennungszeichen hat der traditionelle Motorenhersteller Deutz aus Köln nicht mehr. Die Traktorsparte wurde 1995 an den italienischen Agrarmaschinenkonzern Same verkauft.
Auch sonst erinnert am Produktionsstandort in Köln-Porz nur wenig an die glorreiche Vergangenheit. In einem Werksmuseum, dem Technikum, werden zwar liebe voll die ersten Viertakt-Verbrennungsmotoren des Kölner Erfinders und Unternehmensgründers Nikolaus Otto aufbewahrt und gepflegt. Und einer Plakatwand dort kann man entnehmen, dass der Konzern KHD, aus dem die Deutz AG hervorging, einst ein Unternehmen von Weltruf war. In den 1970er und 1980er Jahren verkaufte KHD Lastwagen, Omnibusse und Traktoren rund um den Erdball und zählte zu den 40 größten Unternehmen Deutschlands.
Kein Weltkonzern mehr
Inzwischen ist Deutz in den S-Dax abgerutscht, das Börsensegment für kleine und mittlere Werte. Anders als zu KHD-Hochzeiten arbeiten nicht mehr 35.000, sondern nur noch 4600 Beschäftigte in den Produktionshallen und Verwaltungsgebäuden des Motorenherstellers. Doch wer nun eine Geschichte über ein Unternehmen im Niedergang erwartet, wird enttäuscht. Die Deutz AG gilt heute als einer der innovativsten Motorenhersteller mit einem exakt auf Wachstumsmärkte zugeschnittenem Produkt-Portfolio, wie es in der Management-Sprache etwas zu werblich heißt.
Nicht übertrieben ist, dass Deutz bei Dieselantrieben mit bis zu acht Litern Hubraum, die das Unternehmen an die Hersteller von Land- und Baumaschinen liefert, weltweit zur Branchenspitze zählt. Und die Kölner stellen nicht nur raffinierte und technisch ausgereifte Dieselmotoren her. Über Sensoren macht Deutz diese Maschinen zu intelligenten Aggregaten, die jede Menge Daten liefern und damit Input für die nächsten Generationen.
Produktion auf drei Kontinenten
Deutz AG Das Unternehmen mit Sitz in Köln hat einen Umsatz von 1,8 Milliarden Euro (2018).
Standorte Das Werk in Köln-Porz stellte zuletzt 215.000 Motoren (2018) her. Kleinserien werden in Ulm und Vorprodukte im spanischen Zafra produziert. Ein Werk für die Erneuerung von Dieselmotoren steht in Pendergrass im US-Staat Georgia.
Solche Informationen werden im Innovation Center des Unternehmens gespeichert, wo Teams aus unterschiedlichen Abteilungen neue Produkte und Lösungen ersinnen. „Wir bauen hier an der Zukunft“, sagt IT-Ingenieur Michael Halfen, der zusammen mit der Wirtschaftsingenieurin Katharina Leuffen das Zukunftslabor der Deutz AG leitet. „Hier darf unkonventionell gedacht werden“, ergänzt die Ko-Chefin des Innovation Centers.
Dabei geht es nicht nur um die Dieselmotoren de r nächsten Generation, die der Hersteller im Stadtteil Porz nach den Wünschen der Kundschaft fertigt. Deutz will auch bei Elektroantrieben und der Wasserstofftechnologie mitmischen. Gerade letztere sei eine „sehr interessante Zukunftstechnologie“, findet Deutz-Vorstandschef Frank Hiller.
Noch keine Elektromobilität
Noch lässt das Unternehmen in der Elektromobilität den klassischen Autoherstellern den Vortritt. Die Kölner wollen bis 2022 fünf bis zehn Prozent des Umsatzes mit Motoren erzielen, die elektrische oder hybride Antriebe besitzen, etwa für Spezialfahrzeuge auf Flughäfen. Das Hauptaugenmerk des Konzerns gilt jedoch dem klassischen Geschäft auf dem asiatischen und dort vor allem dem chinesischen Markt. In den vergangenen Jahren musste Deutz viel Lehrgeld bezahlen, weil es mit dem staatlichen FAW-Konzern den falschen Partner hatte.
Jetzt setzt Hiller auf den Baumaschinenhersteller Sany, der mit zwölf Milliarden Dollar Umsatz zu den größten Ba ggerproduzenten der Welt zählt. Im chinesischen Changsha baut Deutz mit Sany ein neues Motorenwerk, das bis 2021 fertiggestellt sein soll und perspektivisch die Produktion von Dieselaggregaten von Deutz, die derzeit nur in Köln-Porz angesiedelt ist und bei jährlich 200.000 liegt, verdoppeln könnte. Schon 2022 planen Deutz und Sany die Herstellung von 75.000 Motoren in Changsha.
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Damit verbunden ist ein komplexer Produktionsprozess. Denn Deutz stellt 700 bis 800 verschiedene Motoren auf den Bändern in Köln-Porz her. Schon jetzt leisten Roboter rund die Hälfte aller Arbeitsschritte. Kein Wunder, dass neben der Motorentechnologie der intelligente Produktionsprozess der wichtigste Grund für die ehrgeizigen Gewinnziele des Unternehmens ist. Sieben bis acht Prozent soll spätestens 2022 die Marge beim Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit) betragen.
Damit wäre Deutz ein attraktiver Wert unter den Motorenherstellern, was die Analysten i n Frankfurt, Paris, London, Zürich oder New York aus Firmensicht noch nicht so recht erkennen. Denn die Marktkapitalisierung fällt mit rund 614 Millionen Euro ziemlich enttäuschend aus. Doch vor Übernahmen haben die Kölner keine Angst. Denn in vielen Verträgen gibt es Klauseln, die bei einer Übernahme Kündigungsrechte vorsehen. Das ist Gift für einen womöglich feindlichen Investor.
Autostadt Köln
Die Autostadt Köln wird vom Motorenhersteller Deutz wohl noch einiges haben. Er zieht Talente in die Stadt und festigt den Ruf der Rheinmetropole als Technologiezentrum. Auch die Verbindung zur Stadt ist traditionell gut. Sogar im Karneval ist der gebürtige Stuttgarter Hiller schon angekommen. Gleich zu mehreren großen Veranstaltungen ist der Deutz-Chef eingeladen. Der Besuch der alternativen Stunksitzung steht noch aus.