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Kein Karneval, keine Kostüme?Die Krise trifft Deiters-Chef Herbert Geiss hart

Lesezeit 4 Minuten
Deiters_in_Duesseldorf

Symbolbild

Köln/Düsseldorf – Die Marienkäfer, Vampire und Feen sind schon da. 150 Übersee-Container hat Herbert Geiss kommen lassen, man kann wirklich nicht sagen, dass der Chef des Kostümgeschäftes Deiters ein pessimistischer Mensch wäre.

Die Bestellungen mussten schon früh raus im Jahr, der Großteil der Ware kommt aus China. Doch nun sind am Rhein die großen Sitzungen und Umzüge abgesagt. Was also tun mit knapp 800 000 Kostümen? Wohin mit dem ganzen Frohsinn?

Der Senkrechtstarter in der Krise

Der 38-Jährige sagt: „Es werden neue Dinge entstehen. In Köln haben sich die Menschen nie daheim verkrochen.“ Er hofft, dass die Jecken trotz allem sich den Spaß nicht nehmen lassen. Aber ganz sicher ist er sich nicht.

Geiss ist als Unternehmer ein Senkrechtstarter. 31 Filialen seiner Gute-Laune-Häuser hat er bundesweit in wenigen Jahren aufgebaut. Er wusste gar nicht, was sein Geschäft hätte stoppen können. Das hat er im vergangene halben Jahr schmerzhaft lernen müssen.

Nicht nur Karneval fällt aus

Durch die Corona-Krise ist der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 50 Prozent zurückgegangen. Seine Geschäfte hat er spät nach dem Lockdown wieder geöffnet, erst mit Ende der Sommerferien.

Rund 65 Prozent des Umsatzes macht Deiters mit dem Karnevalsgeschäft. Doch auch Sommerpartys und Festivals, für die sich das Partyvolk mit bunten Brillen und Blumenkränzen eindeckt, private Motto-Events, all die fielen weg. Das Oktoberfest: abgesagt. Halloween steht übrigens vor der Tür. Es war wirklich kein lustiges Jahr, und wenig spricht dafür, dass sich das ändern wird.

Zur Person

In vierter Generation vertritt Herbert Geiss (38) seine Familie bei Deiters. 2003 kaufte er die Firmenanteile von seinem Onkel, Geiss war damals Auszubildender, das einzige Geschäft befand sich in Marsdorf. Heute hat Deiters 31 Filialen bundesweit, zwei in Köln. Die Firmenzentrale in Frechen steht seit 2012.

Vor zwei Wochen hat das Festkomitee mit anderen Hochburgen die großen Sitzungen vom Kalender nehmen lassen, auch die Sessionseröffnung auf dem Heumarkt ist gestrichen. Es ging letztlich um den Schutz der Gesellschaften, die nun Planungssicherheit haben. Sie planen längst alternative Veranstaltungen, närrische Matineen mit weniger Besuchern. Alles auf Sparflamme. Aber immerhin: Karneval.

Hoffnung auf Alternativveranstaltungen

Geiss verkauft gute Laune und Abwechslung vom Alltag. Auch er muss also Optimist bleiben. „Die Leute wollen auch mal wieder Licht am Ende des Corona-Tunnels sehen und fröhlich sein“ sagt er. Außerdem sei ja nicht alles verboten, es sei doch möglich, im kleinen Kreis zu feiern. Er will seine eigenen Ideen bei den jecken Veranstaltungen einbringen, die bunten Bilder mitgestalten. „Ohne Kostüme sähe der Karneval anders aus. Er wäre gar nicht sichtbar.“

Auch in diesem Jahr hat er 50 000 Motto-Schals bestellt, es wird eine besondere Variante sein, mehr will er nicht verraten. Und mit Sicherheit wird es neue Formen des Mundschutzes geben, gelb-schwarz geringelt vielleicht, passend zum Bienenkostüm.

„Wir können es uns gar nicht leisten, alles ausfallen zu lassen“

Oder ein lachender Clown-Mund. Das wäre dann schon wieder ein Statement. Im Übrigen sei der Karneval noch einige Monate weg. „Der Elfte im Elften ist ein neuralgisches Datum und ein toller Anlass, Karneval zu feiern. Der Tag war für uns aber nie von überragender Bedeutung, weil sich die eigentliche Session dann ja über viele Wochen streckt.“

„Wir können es uns gar nicht leisten, alles ausfallen zu lassen“, sagt Geiss. Dafür hängen zu viele Unternehmen dran, zu viele Arbeitsplätze. Bei ihm selbst sind es 700. Er hat keine Überbrückungshilfen in Anspruch genommen, lediglich das Kurzarbeitergeld, auch das nur bis zum Ende der Sommerferien.

Verkleiden aus Trotz?

Geiss hat die Gehälter der Mitarbeiter aufgefüllt, um die Sorgen etwas abzufedern. Das Geschäftsjahr bei Deiters endet, wie in der Branche üblich, Ende März. Dann wird er einen Strich ziehen und sehen, wie schlimm es wirklich war . Man habe immer solide gewirtschaftet, „wir werden dieses Jahr locker überstehen“, sagt er. „Wir brauchen aber bald Perspektiven. Ewig können wir so nicht weitermachen.“

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In den Geschäften ist vom großen Andrang nichts zu spüren. Vielleicht wird sich das ändern vor dem 11.11., vielleicht sinken die Corona-Zahlen bis dahin. Möglicherweise reagieren die Menschen mit Trotz. Verkleiden ist schließlich auch eine Haltung. Geiss hätte alles da, um dem tristen Alltag zu entfliehen. Es muss ja kein Virologen-Kittel sein. Für dieses Jahr hat er Lizenzen eines Schokobonbon-Herstellers erstanden. Es hätte der Trend der Session werden können. Notfalls werde er die Shirts, Röcke und Ganzkörperanzüge ein Jahr später verkaufen. „Die werden nicht schlecht.“