AboAbonnieren

Interview mit Ökonom zu Ukraine„Die Teuerungsrate könnte die Fünfprozentmarke reißen“

Lesezeit 2 Minuten
Haus_EZB_10032016

Der Sitz der Europäischen Zentralbank in Franfurt am Main.

  1. Was ist das Geld morgen noch wert, jetzt wo der Krieg in der Ukraine die wirtschaftlichen Probleme verstärkt?
  2. Stefan Kooths, Vizezpräsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel), gibt im Interview mit Uwe Westdörp einen Ausblick.
  3. Zugleich mahnt er die Europäische Zentralbank, angesichts der gestiegenen Inflation entschlossen einzugreifen.

Herr Kooths, im Krieg gegen die Ukraine ist kein Ende abzusehen. Die Wirtschaft leidet unter preistreibenden Sanktionen und Gegensanktionen. Auf welche Inflationsrate müssen sich Verbraucher und Unternehmen im laufenden Jahr einstellen?

Die Teuerungsrate dürfte in diesem Jahr deutlich über 4 Prozent liegen. Sollte sich die Situation auf den Rohstoffmärkten weiter zuspitzen, kann auch die Fünfprozentmarke gerissen werden. Allerdings: Der gegenwärtige Inflationsdruck ist nicht nur den Energiepreisen geschuldet, sondern deutlich breiter angelegt. Hierzu trägt auch bei, dass während der Pandemiephase in weiten Teilen der Welt massive fiskalische Hilfsprogramme geleistet wurden, die im großen Stil von den Notenbanken finanziert worden sind. Dadurch ist viel Kaufkraft entstanden, der keine Produktion gegenüberstand. Auch diese Phantomeinkommen wirken nun preistreibend.

Braucht es zusätzliche staatliche Maßnahmen oder neue Schritte der Europäischen Zentralbank (EZB), um die Folgen für Arbeitnehmer und Unternehmen abzufedern?

Die EZB läuft mit ihrem gegenwärtigen Kurs Gefahr, dass die Marktteilnehmer das Vertrauen in die Währungsstabilität verlieren und sich dadurch die Inflationswartungen entankern. Es besteht die Gefahr, dass die EZB als Hüterin der Geldwertstabilität mit dem Ziel einer Inflationsrate von nicht mehr als gut zwei Prozent nicht mehr ernst genommen wird. Diesem Vertrauensverlust muss die EZB entschlossen entgegenwirken, indem sie die Wertpapierkäufe einstellt und die Märkte auf das Ende der Nullzinsphase vorbereitet.

Schon vor dem Krieg gab es Engpässe, weil Lieferketten gestört oder unterbrochen waren. Wie sehr könnten sich die Probleme verstärken?

Außerhalb des Energiesektors drohen keine bedeutenden neuen Lieferengpässe, denn ein Großteil der Welthandels macht einen großen Bogen um Russland. Von der Absatzmarktseite sind es sogar die bestehenden Produktionsengpässe, die den Wegfall der Exporte nach Russland eher verschmerzbar machen. Vieles von dem, was nicht nach Russland verkauft werden kann, wird nun anderswo in der Welt Abnehmer finden.

Und wie dürfte sich der Krieg auf das Wachstum in Deutschland und Europa auswirken?

Das lässt sich derzeit nicht genau beziffern, dafür ist noch zu viel im Fluss. Die Auftriebskräfte, die die Erholung von der Pandemiekrise tragen, sind weiterhin stark, das sollte man trotz aller Unsicherheit, die der Krieg in der Ukraine auslöst, nicht übersehen.