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Interview mit DB-Regio-Chef„W-Lan in allen Zügen muss Standard sein“

Lesezeit 8 Minuten
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Frederik Ley, Vorsitzender der Regionalleitung DB Regio NRW

  1. Die Deutsche Bahn berichtet von wieder steigenden Passagierzahlen in Zügen und S-Bahnen in NRW, nachdem Corona für leere Züge gesorgt hatte.
  2. Frederik Ley, Chef von DB Regio NRW, befürwortet bei S-Bahnen einen Zehn-Minuten-Takt.
  3. Die Passagiere im Berufsverkehr würden Schutzmasken wegen Corona fast alle tragen.

Herr Ley, der ÖPNV in NRW wird am Dienstag bestreikt. Trifft das die von DB Regio gefahrenen S-Bahnen und Regionalzüge?Ley Nein, die Regionalzüge, S-Bahnen und Busse der DB werden nicht bestreikt. Aber wir rechnen damit, dass auf manchen Strecken Fahrgäste in unsere Züge umsteigen.

Im April waren S-Bahnen und Regionalzüge in NRW wegen der Corona-Krise maximal zu zehn Prozent ausgelas tet. Und jetzt?

Ley Seit Ende der Sommerferien kehren die Fahrgäste zunehmend zurück. Aktuell sind wir bei einer Auslastung von rund 75 Prozent des Wertes von vor einem Jahr. Mit einer kompletten Erholung der Fahrgastzahlen rechne ich aber erst, wenn es eine Impfung gegen Corona gibt. Darum werden wir frühestens Ende 2021 wieder so viele Fahrgäste in unseren Zügen begrüßen dürfen wie vor der Corona-Krise, vielleicht noch später.

Weil die Menschen sich nicht anstecken wollen?

Ley Wir sehen einen Trend zum Home-Office, der derzeit viele Fahrten unnötig macht. Auch fallen die großen Veranstaltungen aus. Sorgen vor einer Corona-Ansteckung während einer Fahrt in der S-Bahn oder im Bus müssen sich die Reisenden nicht machen, wenn sich alle an die Maskenpflicht halten. Keiner unserer 600 Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter in NRW hat sich während der Arbeit infiziert.

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Wie gut wird die Maskenpflicht eingehalten, nachdem Mitte August das Bußgeld von 150 Euro bei einem Verstoß eingeführt wurde?

Ley In den Zügen trägt seit den Schwerpunktkontrollen von Land, Bahn und allen Eisenbahnverkehrsunternehmen Ende August fast jeder eine Maske. Die Quote im Berufsverkehr liegt nahezu bei 100 Prozent.

Info

Der in Köln aufgewachsene Volkswirt Frederik Ley, 48, ist seit 2004 bei der Bahn. DB Regio NRW leitet er seit September 2019.Das Unternehmen DB Regio NRW hat 3800 Mitarbeiter. 1100 Züge fahren für das Unternehmen.

Am Abend und im Freizeitverkehr am Wochenende ist die Disziplin etwas schlechter. Das ist auch meine persönliche Beobachtung. Wir müssen weiter gemeinsam dafür sorgen, dass die Maske getragen wird. Das muss auch durchgesetzt werden. Hier kümmert sich das Land NRW vorbildlich – und entsprechende Aktionen unterstützen wir gerne.

Was halten Sie davon, dass die Verkehrsverbünde ihre Beförderungsbedingungen so ändern, dass Schaffner ein Bußgeld selber kassieren können?

Ley Die Verkehrsministerkonferenz hat jüngst beschlossen, dass das Erheben von Bußgeldern Aufgabe der Ordnungsbehörden ist. Das würde unsere Kundenbetreuer auch überfordern.

Selbstverständlich weisen die Kolleginnen und Kollegen im Zug Maskenmuffel an, die Maske zu tragen. Dem kommen die allermeisten Fahrgäste auch nach. Und nur im Extremfall müssen sie aus dem Zug verwiesen werden. Hier setzen wir weiter auf die gute Zusammenarbeit mit der Polizei und den Ordnungsämtern.

Führt die Pandemie zu mehr Verspätungen der Züge?

Ley Nein, die Pünktlichkeit ist derzeit sogar höher als im letzten Jahr. Derzeit haben fünf Prozent der von uns gefahrenen S-Bahnen eine Verspätung von mehr als fünf Minuten und 59 Sekunden. In 2019 lagen wir noch bei sieben Prozent, einige Jahre davor gab es mitunter auch noch schlechtere Werte.

Also alles super?

Ley Auch der jetzige Wert stellt unsere Fahrgäste – und mich au ch! - natürlich noch nicht zufrieden. Pünktlichkeit und Qualität sind auf meiner persönlichen Agenda die entscheidenden Top-Themen. Das treiben wir bei DB Regio konsequent mit der gesamten Mannschaft voran.

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WLan im ICE ist inzwischen Standard. Der Chef der DB Regio fordert dies auch für den Nahverkehr.

Pünktlichkeit ist Teamaufgabe. Denn es gibt nicht den einen Hebel, den man umlegen kann – dazu ist die Eisenbahn zu komplex. Aber machen wir einen Vergleich: Jeder Autofahrer wäre froh, wenn er in 95 Prozent seiner Fahrten nahezu pünktlich wäre.

Brauchen wir eine bessere Infrastruktur für mehr Pünktlichkeit?

Ley Es wird gebaut ohne Ende, um die Kapazitäten zu erhöhen. Wir investieren bundesweit auf Rekordniveau, in NRW fließen allein in diesem Jahr 1,5 Milliarden Euro in das Schienennetz und die Bahnhöfe. Das erhöht auf Dauer die Qualität sehr, das System wird aber erst einmal deutlich belastet. Das Gute: Mehr Geld fürs Bauen heißt auch: mehr Geld für kundenfreundlicheres Bauen. Die DB wi ll die Auswirkungen der Baustellen für alle Reisenden so gering wie möglich halten.

Es ist wie auf den NRW-Autobahnen? Mehr Staus in 2020/2021, damit es 2025 besser wird?

Ley Ja, genau. Unsere Fahrgäste müssen sich bei Baustellen auf Umleitungen und manchmal auf Schienenersatzverkehr einstellen. Mit dem Aufgabenträger und den anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen entwickeln wir dann das bestmögliche Ersatzkonzept. Wichtig für uns: Eine umfassende und frühzeitige Information der Fahrgäste und möglichst viele Serviceangebote während der Bauarbeiten.

Als Ergebnis der Investitionen ist der Zehn-Minuten-Takt für alle S-Bahnen denkbar, nachdem auf vielen Linien der 15-Minuten-Takt zu Hauptzeiten startete?

Ley Damit die Verkehrswende vorankommt, halte ich das für wünschenswert. DB Regio NRW befördert schon jetzt pro Jahr rund 300 Millionen Fahrgäste. Auch wenn die Fahrgastzahlen wegen Corona gesunken sind, wollen wir in den nächsten Jahren deutlich mehr Menschen für den ÖPNV begeistern.

Bundesweit wollen wir als Branche in den nächsten Jahren eine weitere Milliarde Fahrgäste jährlich für den Nahverkehr gewinnen.

Nur ärgerlich, dass Konkurrenten wie Abellio und National Express Ihnen immer mehr Strecken wie den kompletten Betrieb des Prestigeprojektes RRX wegnehmen?

Ley Die Politik will mehr Wettbewerb. Wir akzeptieren das. Wir sind mit 55 Prozent Marktanteil im Schienenpersonennahverkehr in NRW immer noch der größte Anbieter. Und wegen der stark zunehmenden Nachfrage auch auf unseren Bestandsstrecken haben wir mit unseren 3800 Mitarbeitern und 1100 Zügen mehr zu tun als je zuvor. Für eine bessere Qualität haben wir seit 2014 rund 800 Millionen Euro in neue Züge investiert.

Das „Handelsblatt“ berichtet, dass die Wettbewerber ihre Verträge beim Staat nachverhandeln wollen, weil sie sonst in Insolvenz gehen.

Ley Es darf keine einseitigen Zugeständnisse geben, weil sich ein Unternehmen bei der Abgabe seiner Angebote verkalkuliert hat. Allerdings benötigt die gesamte Nahverkehrsbranche wegen Corona Unterstützung. Der aktuelle Rettungsschirm, der bundesweit Mittel in Höhe von fünf Milliarden Euro für die verschiedenen Verkehrsunternehmen bereitstellt, gleicht die aktuellen Corona-Schäden weitgehend aus. Wir sind der Politik und NRW-Verkehrsminister Minister Wüst sehr dankbar, dass sie dies tatkräftig unterstützt haben. Es sollte aber auch für das kommende Jahr dafür gesorgt werden, dass der ÖPNV finanziell abgesichert ist.

Würden Sie einzelne RRX-Strecken übernehmen, falls ein Konkurrent aufgibt?

Ley Die Frage stellt sich aktuell nicht. Unsere Wettbewerber sind alles Unterne hmen, die zu finanzstarken nationalen Bahnkonzernen im Ausland gehören. Aber wir als DB Regio stehen zu unserer Rolle als Stabilisator und Anker des Systems.

Das bedeutet?

Ley Zwei Beispiele, warum es wichtig ist, einen großen und verlässlichen Partner im System zu haben: Wir sind kurzfristig in die Notvergabe für die beiden S-Bahn-Linien S1 und S4 eingesprungen und konnten ohne Einschränkungen das Angebot für die Kunden aufrechterhalten, nachdem der VRR den Vertrag mit Keolis gekündigt hatte. Aktuell unterstützen wir Abellio beim Betriebsübergang der RE 1, weil zum Betriebsstart noch nicht alle Lokführer an Bord waren. Dazu kommt auch eine gute IT-Kompetenz: Wir haben mit dem Verkehrsministerium die App „MobilNRW“ entwickelt, die Informationen für Reisende ganz speziell für den Nahverkehr über die Grenzen von Verkehrsverbünden und Bahnunternehmen hinweg anbietet. Sie hat sich insbesondere in de n Coronazeiten bewährt.

Die Bahn rüstet Fernzüge und Bahnhöfe bundesweit mit W-Lan aus. Zieht DB Regio in NRW mit?

Ley W-Lan in allen Zügen muss Standard werden. In unserer S1 und S4 haben wir W-Lan bereits verbaut, ebenso in einigen Zügen im Sauerlandnetz Wir setzen hier aber auch auf unsere Auftraggeber, die die Züge samt Ausstattung bestellen.

Brauchen Sie mehr Platz für Fahrräder in Zügen und S-Bahnen, auch weil die Menschen wegen Corona keine Lust haben, in den Großstädten wie Düsseldorf und Köln mit überfüllten U-Bahnen zu fahren, nachdem sie per Zug angekommen sind?

Ley Fahrradfreunde und ÖPNV-Förderer sind Brüder im Geiste - auch um das Klima zu schützen. Damit auf der letzten Meile mehr Menschen das Fahrrad nutzen, braucht es gute Angebote wie Fahrradparkhäuser oder Mobilitätsstationen. Bei der Nutzung des Fahrrads gibt es aus meiner Sicht einen neuen Trend. In diesem Sommer haben wir auf vielen touristischen Routen - am Niederrhein oder in der Eifel – viel mehr Fahrräder transportiert als früher. Die Menschen haben Deutschland als Urlaubsland wieder entdeckt.

Die DB Regio NRW hat viele Strecken an private Konkurrenten verloren. Sie betreibt etwa linksrheinisch keine Nahverkehrslinie mehr zwischen Köln und Bonn. Wie will die Bahn gegensteuern?

Ley Wir kämpfen um jede ausgeschriebene Strecke und wollen selbstverständlich Strecken zurück gewinnen. In diesem Jahr waren wir schon erfolgreich bei der Neuvergabe der S 1 und S 4. Auch die Euregiobahn im Aachener Raum haben wir erfolgreich verteidigt. Als Eisenbahner freue ich mich aber grundsätzlich über jede Zugfahrt, denn das verhindert umweltbelastenden Autoverkehr. Ich sehe die Konkurrenz nicht auf der Schiene, sondern auf der Autobahn.

Eine spezielle Frage: In der Region Köln/Bonn betreibt DB Regio noch ein Dieselnetz, etwa zwischen Bonn und Euskirchen. Wann kommt der Umstieg auf Strom?

Ley Eine bessere Anbindung der Eifel gehört zur Strategie, den Schienenverkehr in NRW auszubauen Hierzu hat der NVR (Nahverkehr Rheinland) bereits eine Machbarkeitsstudie durchführen lassen. Aktuell laufen zwischen dem NVR und unserem Schwesterunternehmen DB Netz Gespräche, wie man ein Projekt zur Elektrifizierung und damit verbunden zum Ausbau dieser „Voreifelbahn“ zur Takterhöhung umsetzen kann. Eins ist schon jetzt klar: Der Wille aller Beteiligten ist vorhanden, aber schnelle Lösungen wird es nicht geben. Was wir aber bis dahin aus eigenem Antrieb machen können, ist Kraftstoff einsparen. Allein durch energiesparendes Fahren unserer Treibfahrzeugführer haben wir im ersten halben Jahr fast 400.000 Liter Diesel eingespart.