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Pressekonferenz zu InsolvenzLaurenz Carré Gerchgroup versucht „Rede und Antwort zu stehen“

Lesezeit 4 Minuten
Blick von oben auf eine Baugrube und Baugerätschaften

Das Laurenz Carré soll ein Schmuckstück in der Kölner Innenstadt werden, doch derzeit gehen die Arbeiten nicht voran.

Eine nicht bezahlte Rechnung in Höhe von 120 Millionen Euro soll den Düsseldorfer Projektentwickler zu Fall gebracht haben.

Nachdem die Gerchgroup in der vergangenen Woche beim Düsseldorfer Amtsgericht Insolvenz für vier Holdinggesellschaften angemeldet hat, war die Unruhe groß. Bundesweit berichteten die Medien. Die Atradius Kreditversicherung warnte, dass noch in diesem Jahr die Insolvenzen in der Baubranche um 15 bis 20 Prozent steigen könnten.

Mit einer Pressekonferenz, zu der die Gerchgroup am Mittwoch geladen hatte, rang nun das Düsseldorfer Projektentwicklungsunternehmen darum, die Deutungshoheit über seine Zukunft in der Hand zu behalten. Das passt dazu, dass der Insolvenzantrag einherging mit einem Antrag auf ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung, dem das Gericht entsprochen hat.

Nicht abtauchen, sondern reden

Flankiert von Rechtsanwalt Holger Rhode, Partner der Kanzlei Görg, und Dr. Jens Schmidt, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht bei der Kanzlei Runkel, trat Mathias Düsterdick, Vorstandsvorsitzender der Gerchgroup AG, vor die Journalisten.

„Wir haben uns von Anfang an vorgenommen, dass wir uns nicht vergraben, sondern versuchen, Rede und Antwort zu stehen“, so Düsterdick. Abzutauchen und eventuell gar die Homepage abzuschalten, sei nicht der avisierte Weg.

Flucht nach vorne also und die Karten auf den Tisch, oder wenigstens einen Teil von ihnen. Was war los bei dem Unternehmen, das mit dem Laurenz Carré eine der größten zentralen Baustellen in der Kölner Innenstadt verantwortet, daneben aber auch Großprojekte wie „The Q“, eine Immobilie für gemischte Nutzung im ehemaligen Quelle-Versandhaus in Nürnberg, und „Das Präsidium“, ein Hochhausprojekt im einstigen Polizeipräsidium in Frankfurt am Main?

Lieferengpasse, Baukosten, Krieg, Inflation

Einige der Projekte laufen aktuell weiter, so Düsterdick. Nicht so die Arbeiten in Köln: Das werdende Laurenz Carré liegt verlassen hinter seinem Bauzaun. Es scheint, wie der Vorstandsvorsitzende später andeuten wird, zur Eskalation der Firmenlage wesentlich beigetragen zu haben. Zunächst lädt er jedoch ein zu einem Rückblick auf Zeiten, die nicht nur seine Branche erschüttert haben. „Die Corona-Pandemie war gerade ganz gut überstanden, dann kam der Ukraine-Krieg. Die Folge waren Lieferengpässe und die weiteren Baukostensteigerungen.“ Dazu „sehr schnell eine shr starke Inflation“ – das seien die ersten Anzeichen in seiner Branche gewesen, dass schwierge Zeiten bevorstünden.

Hinzu komme die Zinsentwicklung, wobei weniger die Höhe des Leitzinses problematisch sei, sondern das schnelle Tempo, mit dem sich die Zinslage verändert habe. Das habe den Investmentmarkt betroffen: „Die Preise, die wir erzielen mussten, sind vom Markt gar nicht mehr abzubilden.“ Die Nachfrage der Investoren sei zeitweise zurückgegangen, werde aber wieder kommen, da Immobilien wegen der steigenden Mieten langfristig interessant seien.

Am Laurenz Carré eskalierte die wirtschaftliche Schieflage

Beim Kölner Laurenz Carré, das er „eines unserer größten, besten, tollsten, schönsten Hochbauprojekte“ nennt, habe es noch eine andere Schwierigkeit gegeben: „Wir haben dieses Projekt 2021 an einen Investor verkauft, der nach Baufortschritt zahlen wollte. Wir haben Anfang dieses Jahres die erste Kaufpreisrechnung gestellt. Die wurde nicht bedient.“ Auf 120 bis 130 Millionen Euro habe sich die Rechnung belaufen. Außenstände, die Folgen hatten: „Wir hatten ganz plötzlich eine Finanzierungslücke, die sich nicht so schnell wieder schließen ließ.“

Da Käufer zwar zahlungssäumig, aber im Grundbuch vorgemerkt war, war auch eine Umfinanzierung nicht möglich: „Wir waren so gut wie gar nicht handlungsfähig.“ Angesichts des eingebrochenen Investmentmarktes sei es aber ohnehin schwierig gewesen, einfach einen anderen Käufer zu finden.

Verhängnisvoller Domino-Effekt

Das wiederum habe einen Domino-Effekt ausgelöst: Für die 2022er Bilanzen habe die Gerchgroup keine Testate vom Wirtschaftsprüfer bekommen, weil eine Finanzierungslücke bestand. Somit seien auch für andere Projekte Umfinanzierungen nicht mehr möglich gewesen.

Dennoch spricht der Gerch-Chef davon, ein Großteil der Projekte, vielleicht auch alle, zum Abschluss zu bringen. Die Gerch-Tochtergesellschaften seien nicht von der Insolvenz betroffen. Nun gelte es, sie zu stabilisieren.

Man hat in der Immobilienbranche früher immer vom Schweinezyklus gesprochen. Wir sind nun mal mit diesem Schweinezyklus gerade im schlechtesten Teil dieses Zyklusses angelangt. Aber man weiß, es geht auch wieder anders.
Mathias Düsterdick, Gerchgroup AG

Man sei im Gespräch mit möglichen Finanzierungspartnern aus dem angelsächsischen Raum. Chancen sieht Düsterdick darin, auf überstürzte Käufe zu verzichten und bessere Phasen abzuwarten: „Man hat in der Immobilienbranche früher immer vom Schweinezyklus gesprochen. Wir sind nun mal mit diesem Schweinezyklus gerade im schlechtesten Teil dieses Zyklusses angelangt. Aber man weiß, es geht auch wieder anders.“

Das Zinsniveau könne sich nicht mehr stark nach oben entwickeln, „und dann, da sind sich die Experten sicher, war es das auch erst mal“. Sobald die Inflation abklinge, werde auch der Zins wieder heruntergehen: „Dann werden die Investmentmärkte sich relativ automatisch wieder erholen.“ Es gehe nicht um Zweckoptimismus, sondern darum, die Gerchgroup wieder auf Kurs zu bringen.