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Zuckerbrot und PeitscheHilft eine Extra-Steuer für Verbrenner den E-Autos auf die Spur?

Lesezeit 5 Minuten
Auch die Niederlande haben sich mit einer gestaffelten Steuer in die EU-Spitzengruppe bei E-Auto-Neuzulassungen manövriert.

Auch die Niederlande haben sich mit einer gestaffelten Steuer in die EU-Spitzengruppe bei E-Auto-Neuzulassungen manövriert.

Frankreich als Förder-Vorbild: Auch in Deutschland nimmt die Diskussion um eine Extra-Steuer beim Kauf von Verbrennern Fahrt auf.

Dass die Bundesregierung ihr Ziel, bis 2030 15 Millionen E-Autos auf die Straße zu bringen, meilenweit verfehlen wird, steht kaum noch infrage. Die Absatzzahlen sind zuletzt massiv eingebrochen, und die Skepsis gegenüber den Stromern ist nach wie vor groß. Um der Elektromobilität zu neuem Schwung zu verhelfen, bringen einige Experten ein sogenanntes Bonus-Malus-System für den Autokauf ins Spiel – in der öffentlichen Debatte auch gerne auf „Strafsteuer“ verkürzt.

Das Prinzip ist einfach: Wer sich ein emissionsarmes oder -freies Auto zulegt, genießt Vorteile wie beispielsweise eine Kaufprämie; wer sich einen verbrauchsintensiven Verbrenner kauft, wird dagegen stärker zur Kasse gebeten – etwa durch eine Sondersteuer, die sich nach Emissionen bemisst. Im besten Fall könnten auf diese Weise staatliche Ausgaben für die E-Auto-Förderung mit Steuereinnahmen aus dem Verbrennerverkauf gegenfinanziert, die Staatskasse mithin entlastet werden.

Bis zu 60.000 Euro Zulassungssteuer

Viele europäische Länder haben ein solches System eingerichtet; Befürworter verweisen gerne auf das Beispiel Frankreich. Dort fällt bei der Neuzulassung eines Verbrenners eine gestaffelte, nach Emissionen bemessene und erst in diesem Jahr verschärfte Abgabe an, die mit 50 Euro ab 118 Gramm CO2 pro Kilometer (g/km) beginnt und bis zu einem Höchstwert von 60000 Euro ab 194 g/km reicht. Dazu kommt eine ebenfalls gestaffelte Zusatzabgabe auf das Fahrzeuggewicht: Ab 1600 kg fallen 10 Euro pro kg an, über 2100 kg dann 30 Euro pro kg.

Auf der anderen Seite zahlt der französische Staat großzügige Zuschüsse beim Kauf eines E-Autos, die sich allerdings häufig ändern. In diesem Jahr wurde der Ökobonus für Elektro- und Wasserstofffahrzeuge auf 4000 Euro reduziert, zuvor waren es bis zu 6000 Euro. Zeitweise gab es sogar 1000 Euro für den Kauf eines gebrauchten E-Autos sowie Leasing-Zuschüsse – letztere wurden gestoppt, weil die riesige Nachfrage den Etat zu sprengen drohte. Gefördert werden zudem der Umstieg auf ein Auto mit geringeren Emissionswerten oder der Umbau eines Verbrenners.

Das Ergebnis: 2023 wurden in Frankreich knapp 900000 E-Autos und Hybride zugelassen – mehr als Benziner und Diesel zusammen. Allein bei den reinen Stromern lag der Zuwachs bei 47 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Mit einer Zulassungssteuer, die bei besonders hohen Emissionen bis zu 27000 Euro betragen kann, haben sich auch die Niederlande in die europäische Spitzengruppe bei E-Auto-Neuzulassungen manövriert: Zwei von drei Neuwagen waren 2023 entweder rein elektrisch oder hybrid betrieben. Mit diesem Steuerinstrument ist es den Nachbarn laut Umweltbundesamt bereits vor Jahren gelungen, den durchschnittlichen CO2-Ausstoß dort verkaufter Neuwagen auf unter 100 Gramm pro Kilometer zu drücken. In Deutschland dagegen ist dieser Wert laut Kraftfahrtbundesamt zuletzt gestiegen, im ersten Halbjahr lag er bei 124 g/km.

Ziel mit Zuckerbrot und Peitsche

Lässt sich das 15-Millionen-Ziel also, wenn überhaupt, nur mit Zuckerbrot und Peitsche erreichen? Unlängst forderte der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, im Interview mit unserer Redaktion ein Bonus-Malus-System nach französischen Vorbild: „Eine solche Lösung wird in Deutschland seit Jahren diskutiert, scheitert aber am Widerstand der deutschen Autokonzerne.“

Tatsächlich hat die Automobilbranche nichts übrig für das Modell. „Eine Bonus-Malus-Regelung würde die Kfz-Steuerbelastung vervielfachen und damit insbesondere die Kfz-Nutzer mit geringem Einkommen stark treffen“, teilt eine Sprecherin des Verbands der Automobilindustrie (VDA) auf Anfrage mit. „Letztlich würden durch den Malus Autofahrer steuerlich benachteiligt, für die zum Beispiel aus finanziellen Gründen – oder weil es noch keine ausreichende Ladeinfrastruktur gibt – der Kauf eines Elektrofahrzeugs noch nicht in Frage kommt.“

Zudem knüpfe die KfZ-Steuer „an das Halten eines Fahrzeugs an und nicht an dessen tatsächliche Nutzung“, kritisiert die Sprecherin. Das geeignetere Instrument, die CO2- Emissionen zu reduzieren, sei daher die beschlossene Ausweitung des europäischen Emissionshandels auf den Verkehrsbereich.

Allerdings steht die DUH mit ihrer Forderung nicht allein. Das Umweltbundesamt machte sich bereits 2021 in einem Strategiepapier für eine entsprechende Reform der KfZ-Steuer stark. Diese könnte für Verbrenner etwa im ersten Jahr angehoben oder durch eine Zulassungssteuer ergänzt werden. Ganz so rabiat wie Frankreich will die Behörde dabei nicht vorgehen – für einen BMW X4 mit einem CO2-Ausstoß von 204 g/km fielen „nur“ 10500 Euro an, wie das Amt vorrechnet.

Erst vor wenigen Wochen übergab der Auto Club Europa (ACE) einen „Fünf-Punkte-Plan für den Hochlauf der Elektromobilität“ an Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). Kernelement ist eine Kombination aus Förderprämien und einer nicht näher bezifferten Zulassungssteuer, die laut ACE bis zu 33 Milliarden Euro in die Staatskasse spülen könnte. Geld, mit dem eine sozial gestaffelte Kaufprämie von bis zu 5000 Euro für ein E-Auto locker bezahlt werden könnte.

Der ADAC hingegen glaubt nicht, dass sich ein wirklich sozialverträgliches System schaffen ließe. „Hier besteht die Gefahr, dass eine solche Maßnahme die individuelle Mobilität von Menschen mit geringeren Einkommen insbesondere dort einschränkt, wo nicht auf ÖPNV ausgewichen werden kann“, teilt der Verein mit. Der ADAC plädiert stattdessen „für eine vollständige Ausrichtung der Kfz-Steuer für Pkw am CO2- Ausstoß“, die aber „nicht zu extremen Belastungsunterschieden für Fahrzeughalter führen“ dürfe.

Das Bundesfinanzministerium lehnt ein solches Modell, ob französisch oder nicht, ohnehin rundweg ab. „Die Einführung eines Bonus-Malus-Systems in der Kraftfahrzeugsteuer ist im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen“, teilt ein Sprecher auf Anfrage mit und erläutert: „Eine Zulassungssteuer (Malus) würde zu erheblichen finanziellen Belastungen von Neuwagenkäufern führen. Es entstünde ein starkes Belastungsgefälle zwischen Neu- und Bestandsfahrzeugen. Dies würde sich negativ auf die Flottenerneuerung und ihre wünschenswerten Effekte auswirken.“

Das Ministerium verweist auf den progressiven CO2-Tarif bei der KfZ-Steuer für Verbrenner, der bereits eine Lenkungswirkung hin zu Pkw mit niedrigen Emissionswerten biete. Zumal reine E-Autos noch bis 2030 von der KfZ-Steuer befreit sind.

In Norwegen ist der Stromer längst Normalität

Ob der weltweite Klassenprimus in Sachen E-Mobilität, Norwegen, allein damit seine Quote von mehr als 90 Prozent E-Autos unter allen neu zugelassenen Fahrzeugen erreicht hätte, ist aber wohl fraglich. Oslo setzte lange ebenfalls auf ein Bonus-Malus-System – so waren E-Autos beispielsweise von der 25-prozentigen Mehrwertsteuer befreit, ebenso von der Zulassungssteuer, die bei höheren Emissionswerten steigt. Stromer wurden gegenüber Verbrennern zudem gezielt vergünstigt, indem auf sie kein Importzoll erhoben wurde.

Mittlerweile hat der norwegische Staat, der sich das Ziel eines Verbrenner-Aus bereits im kommenden Jahr gesetzt hat, einige der Boni für E-Autos bereits wieder zusammengestrichen. Nicht unbedingt wegen Haushaltsquerelen – die Stromer sind mittlerweile wohl einfach zu normal geworden.