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GewichtskontrolleWann bin ich zu dick für einen Job?

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Werden Bewerber nur aufgrund ihres Gewichtes nicht eingestellt, handelt es sich in der Regel um Diskriminierung.

Übergwichtige Menschen werden im Arbeitsleben häufig diskriminiert. In manchen Branchen herrschen sogar strenge Vorschriften, was das Gewicht der Mitarbeiter betrifft. Aber ist das eigentlich erlaubt? Antworten auf Job-Fragen rund ums Aussehen hat Rechtsanwalt Christian Solmecke von der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke.

Wenn dicke Bewerber aufgrund ihres Gewichtes einen Job nicht bekommen - ist das Diskriminierung?

Christian Solmecke: Eine Diskriminierung kann man grundsätzlich annehmen, wenn Bewerber nur aufgrund ihres Gewichtes nicht eingestellt werden - und dies nicht aus objektiv nachvollziehbaren Gründen gerechtfertigt ist. Eine Gewichtsvorgabe für Arbeitnehmer kann aber in einigen Branchen aus Sicherheitsgründen gerechtfertigt sein. Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Fall entschieden, dass einem übergewichtigen Bademeister gekündigt werden darf. Aufgrund seines Gewichts wäre er unter Umständen nicht in der Lage, Ertrinkende zu retten.

Stewardessen in Indien müssen ihren Body-Mass-Index messen lassen. Damit wollen einige Airlines Gewicht und somit Spritkosten sparen. Wäre so eine Vorschrift hierzulande möglich?

Im Fall der Stewardessen in Indien wird man von einer Diskriminierung ausgehen müssen. Die Argumente der Fluggesellschaft sind nicht objektiv nachvollziehbar und gerechtfertigt. Zulässig wäre etwa eine Gewichtsvorgabe mit dem Argument, dass Stewardessen beweglich sein müssen, um im Notfall die Passagiere schnell in Sicherheit zu bringen.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), oft auch Antidiskriminierungsgesetz genannt, wurde 2006 im Bundestag beschlossen. Mit dem Beschluss wurden vier EU-Richtlinien zur Gleichbehandlung aus den Jahren 2000 bis 2004 in einem einheitlichen Gesetz zusammengeführt und umgesetzt. Breite Zustimmung erhielt das Gesetz von CDU, SPD und den Grünen. Abgelehnt wurde das AGG von der FDP und der Linkspartei.

Das AGG verbietet Benachteiligungen nur, soweit sie an eines der folgenden personenbezogenen Merkmale anknüpfen: Rasse und ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion und Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität. Eine Mehrfachdiskriminierung liegt vor, sobald mehrere Diskriminierungen auf dieselbe Person einwirken. Betroffen können zum Beispiel Frauen sein, die aufgrund ihres muslimischen Glaubens ein Kopftuch tragen.

Die im Antidiskriminierungsgesetz verankerten Rechte sind von Arbeitnehmern vor dem Arbeitsgericht einklagbar. Beschäftigte können sich in Betrieben mit mehr als fünf Mitarbeitern auch an den Betriebsrat wenden. Dabei gilt eine Frist von zwei Monaten. Das Opfer muss zunächst selbst beweisen, dass es gegenüber einer anderen Person ungünstig behandelt worden ist.

Das AGG gilt natürlich nicht nur für den Bereich Arbeit oder Aus- und Weiterbildung - auch im Sozial- und Gesundheitswesen (zum Beispiel bei verweigerten Versicherungen) können diskriminierte Menschen ihre Ansprüche durchsetzen. Vom Antidiskriminierungsgesetz werden nur Geschäfte erfasst, die generell mit jedermann abgeschlossen werden (etwa Verträge mit Hotels, Gaststätten oder Kaufhäusern). Ausgenommen vom Diskriminierungsschutz ist der gesamte private Lebensbereich.

Allgemein gefragt: Wie streng dürfen die Vorschriften sein, was das Äußere im Job betrifft?

Grundsätzlich haben Mitarbeiter die Freiheit so zur Arbeit zu erscheinen, wie sie möchten. Der Arbeitgeber kann die freie Kleidungsauswahl und ähnliches jedoch einschränken, wenn dafür ein legitimer Zweck vorliegt. Die Einschränkung soll aber verhältnismäßig sein. Der Chef muss bei seinen Vorgaben die Grundrechte seiner Beschäftigten und ihr Persönlichkeitsrecht beachten. Hier kommt es auf den Einzelfall an, deshalb kann die Frage nicht allgemein beantwortet werden. Was in der einen Branche gerechtfertigt ist, kann in einem anderen Berufsfeld wieder unzulässig sein.

Vielen Stewardessen wird sogar die Farbe des Nagellacks vorgeschrieben. Ist das in Ordnung?

Bei einer Stewardess wird eine Vorschrift über die Farbe des Nagellacks wohl unverhältnismäßig sein. Denn sie ist im Ergebnis nicht wichtig für das einheitliche Erscheinungsbild der Mitarbeiterin. Eine Vorschrift über die Länge der Fingernägel kann wiederum verhältnismäßig sein, da kurze Nägel aus Sicherheitsgründen oder aufgrund der Hygiene sinnvoll sein können. Ob solche Vorschriften rechtmäßig sind, hängt immer vom Einzelfall ab. Aber sie werden in Bezug auf die Kleidung wohl eher verhältnismäßig sein als Vorschriften, die unmittelbar den Körper betreffen - wie zum Beispiel die Farbe der Fingernägel.

Lehrer mit starkem Übergewicht werden nicht verbeamtet - ist das nicht auch diskriminierend?

Die Frage lässt sich nicht so einfach beantworten, weil die Rechtsprechung da nicht einheitlich ist. Manche Gerichte haben in der Vergangenheit entschieden, dass eine Verbeamtung nicht abgelehnt werden kann, wenn dem Übergewicht noch kein Krankheitswert zukommt. Andere Richter sehen das bloße Übergewicht schon als ausreichend an. Als Begründung wird das Risiko angesehen, dass Folge- und Begleiterkrankungen hinzutreten. Eine künftige Erkrankung und vorzeitige Dienstunfähigkeit können in dem Fall nicht ausgeschlossen werden. Das Risiko gilt als zu groß.

In manchen Berufen ist ja Sportlichkeit wichtig, zum Beispiel bei Jockeys oder Polizisten. Was passiert, wenn Mitarbeiter stark zunehmen und ihren Job nicht mehr ausüben können?

Polizisten sind in der Regel verbeamtet. Beamte können nicht kündigen oder gekündigt werden, da kein vertragliches Arbeitsverhältnis besteht. Eine Entlassung kann jedoch jederzeit beantragt werden. Gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 2 des Beamtengesetzes für das Land NRW kann ein Beamter auf Probe mangels gesundheitlicher Eignung aus dem Beamtenverhältnis entlassen werden. Dies ist auch grundsätzlich sinnvoll, denn ein Polizist, der bei Gefahr nicht einsetzbar ist, bedeutet ein zu großes Risiko für die Gesellschaft. Allerdings hätte der Polizist in der Regel erst einmal einen Anspruch darauf in einem anderen Bereich eingesetzt zu werden, beispielsweise im Büro.

Darf ein Chef Mitarbeitern einfach kündigen, wenn sie aufgrund des Gewichts nicht mehr einsetzbar sind?

Grundsätzlich kann diese Frage nicht pauschal beantwortet werden. Es ist immer eine Einzelfallentscheidung. Ist das Gewicht für die Ausübung des Jobs unabdingbar - zum Beispiel im Fall des Jockeys - wird man eine Kündigung nicht ausschließen können. Der Arbeitgeber wird diese allerdings gut begründen müssen. Einfach ist eine solche Kündigung nicht.

Übergewicht ist kein Hindernis für die Karriere, sondern manchmal sogar ein Markenzeichen - das beweisen diese Promis: