17 Jahre betreute sie Behinderte in einem Heim der evangelischen Diakonie. Was ihre Chefin lange Zeit nicht wusste: In ihrer Freizeit besuchte die Erzieherin Swingerclubs - und drehte Internet-Pornos unter dem Künstlernamen „Julia Pink“. Ihr Privatvergnügen blieb am Ende nicht ohne Folgen. In einem Brief forderte der Arbeitgeber die 38-Jährige auf, die Sex-Filme sofort aus dem Netz zu nehmen, berichtet „Bild“.
Die Erzieherin weigerte sich - und die Einrichtung reagierte mit fristloser Kündigung. Der Online-Auftritt sei nicht mit dem Dienstauftrag des Diakoniewerks in Übereinstimmung zu bringen, hieß es. Nun kämpft Julia Pink vor dem Arbeitsgericht um ihren Job, ein Urteil soll Ende des Jahres fallen. Es stellt sich die Frage: Darf der Arbeitgeber derart über die Freizeitaktivitäten seiner Mitarbeiter bestimmen? Christian Solmecke von der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke erklärt im Interview, was den Chef etwas angeht - und was nicht.
Redaktion: In dem geschilderten Fall geht es um einen kirchlichen Arbeitgeber - könnte ein „normales“ Unternehmen seinen Mitarbeitern einen Pornodreh in der Freizeit ebenfalls verbieten?
Christian Solmecke: Es kommt, wie so oft im Arbeitsrecht, auf den Einzelfall an. Ein „normaler“ Arbeitgeber könnte durchaus ein Interesse daran haben, eine bestimmte Freizeitaktivität zu verbieten, wenn sich diese auf das Unternehmen auswirkt. Beispielsweise dann, wenn das Hobby des Arbeitnehmers dazu führt, dass Kunden vergrault werden.
Wäre ein solches Hobby immer auch ein Grund für eine sofortige Kündigung oder Abmahnung?
Schadet das Verhalten eines Arbeitnehmers dem Ruf des Unternehmens, sind rechtliche Schritte wie eine Abmahnung oder Kündigung nicht auszuschließen. Wann eine Kündigung, die immer als letztes Mittel gilt, gerechtfertigt ist, kann unter anderem davon abhängen in welcher Position der Mitarbeiter steht. Eine Führungskraft muss mit hoher Wahrscheinlichkeit mit strengeren Konsequenzen rechnen, denn ihr Handeln dringt eher an die Öffentlichkeit und ist mitunter entscheidend für die Außendarstellung der Firma.
In der Freizeit Pornos zu drehen ist ein Extrembeispiel - wären Erotikfotos oder Besuche in Swinger-Clubs ebenso problematisch?
Es kommt in diesen Fällen immer darauf an, inwieweit das Hobby des Arbeitgebers in den Arbeitsalltag eindringt. Wenn beispielsweise Nacktfotos einer Arbeitnehmerin für die breite Öffentlichkeit zugänglich sind und allgemein bekannt ist, dass es sich um Fotos der Mitarbeiterin X im Unternehmen Y handelt, kann es auch da arbeitsrechtliche Konsequenzen geben. Allerdings muss in jedem Fall eine Abwägung stattfinden zwischen den Interessen des Arbeitgebers am Schutz seines Unternehmens und dem Interesse des Arbeitnehmers an einer freien Freizeitgestaltung. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit, wozu auch die freie Ausübung von Hobbies gehört, ist nämlich durch Art. 2 des Grundgesetzes geschützt.
Gibt es bei irgendeinem Hobby die Pflicht, den Arbeitgeber darüber in Kenntnis zu setzen? Zum Beispiel bei gefährlichen Sportarten?
Für Arbeitnehmer besteht keine gesetzliche Pflicht, den Arbeitgeber über ihr Hobby zu informieren. Allerdings kann ein gefährliches Hobby zu Konsequenzen führen, wenn es um die Entgeltfortzahlung nach einem Unfall geht. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat festgelegt, dass Arbeitnehmer in drei Fällen für den Arbeitsausfall haften.
Erstens, wenn diese eine besonders gefährliche Sportart betreiben, zweitens, wenn diese in besonders leichtsinniger Weise eine Sportart ausgeübt haben und drittens, wenn eine deutliche Selbstüberschätzung zum Unfall geführt hat. Als besonders gefährlich gilt ein Sport, wenn das Verletzungsrisiko so hoch ist, dass selbst ein gut ausgebildeter Sportler das Risiko nicht vermeiden kann. Bisher wurde keine Sportart vom BAG explizit als besonders gefährlich eingestuft. Hier besteht also noch eine rechtliche Unsicherheit.
Ist es sinnvoll, ein solches Hobby zu verschleiern, oder sollte man mit offenen Karten spielen?
In Bezug auf die Ausübung gefährlicher Sportarten wird es rechtlich kaum hilfreich, sein den Arbeitgeber darüber zu informieren. Im Endergebnis wird sich dieser nach einem Unfall auch bei Kenntnis des Hobbys auf ein Selbstverschulden des Arbeitnehmers berufen können, wenn die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
Im Falle von Aktfotos oder ähnlichem riskiert ein Mitarbeiter eine Kündigung, wenn der Arbeitgeber später davon erfährt. Allerdings riskiert der Arbeitnehmer auch gar nicht erst eingestellt zu werden, wenn er direkt mit offenen Karten spielt. Diese Entscheidung muss jeder Mitarbeiter für sich treffen. Eine rechtliche Pflicht, den Arbeitgeber über sein Hobby zu informieren gibt es jedenfalls nicht.
„Für Beamte gibt es ein Nebentätigkeitsverbot mit Erlaubnisvorbehalt“, erläutert Michael Eckert, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Heidelberg und Mitglied im Vorstand des Deutschen Anwaltvereins. Das heißt: Entweder ist ein Nebenjob für sie von vornherein ausgeschlossen. Oder sie müssen in jedem Fall zuerst um Erlaubnis bitten. Generell muss der Arbeitgeber im öffentlichen Dienst informiert werden.
In der freien Wirtschaft gibt es zwar keine Generalvorschriften wie im öffentlichen Dienst. Aber auch dort enthielten die meisten Verträge eine Regelung darüber, den Arbeitgeber über einen Nebenjob in Kenntnis zu setzen oder seine Zustimmung einzuholen. Zuerst einmal gilt also, einen Blick in den Vertrag zu werfen, rät Eckert. Dann sollten Arbeitnehmer in jedem Fall mit ihrem Chef sprechen, selbst wenn unklar ist, ob eine Zustimmung notwendig ist. Wird der Nebenjob verschwiegen, und der Chef erfährt davon, kann das unnötig das Hauptarbeitsverhältnis belasten.
In bestimmten Fällen kann der Arbeitgeber dem Angestellten verbieten, einen Nebenjob auszuüben. Das gilt zum Beispiel, wenn die Nebentätigkeit sich womöglich negativ auf die Haupttätigkeit auswirkt, etwa weil ein hohes Verletzungs- oder Krankheitsrisiko besteht. Das könne der Fall sein, wenn der Angestellte als Nebenjob Kickboxen unterrichtet, gibt Eckert ein Beispiel.
Ein zweites Ausschlusskriterium ist eine Tätigkeit beim Wettbewerber. So kann der Arbeitnehmer in seinem Nebenjob nicht für die Konkurrenz arbeiten. Ein Mechatroniker einer BMW- oder Mercedes-Werkstatt dürfte abends zum Beispiel nicht zusätzlich noch in einer freien Werkstatt tätig sein.
„Die gesetzlich zugelassene Arbeitszeit von zehn Stunden pro Tag darf nicht überschritten werden“, sagt Eckert. Nach einem acht Stunden Tag im Büro sind drei Stunden als Barkeeper also schon zu viel. Außerdem müssen die Arbeitnehmer die Erholungszeit einhalten: Zwischen zwei Arbeitstagen müssen mindestens elf Stunden liegen.
Nebentätigkeiten sind auch während des gesetzlichen Mindesturlaubs tabu. „Das sind bei einer Fünf-Tage-Woche 20 Urlaubstage.“ Stehen dem Arbeitnehmer mehr Urlaubstage zur Verfügung, könnte er an diesen theoretisch arbeiten - aber das sehe der Arbeitgeber nicht gern, warnt Eckert. Immerhin gewähre er den zusätzlichen Urlaub zur Erholung.