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„Das ist extrem"Chef der Lanxess-Arena zeigt sich hart getroffen

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In der Kölner Lanxess-Arena, einer der größten Mehrzweckhallen Deutschlands, finden bis auf weiteres keine Veranstaltungen mehr statt.

  1. Vorerst werden alle Großveranstaltungen bis Ende August verboten.
  2. Auch die Kölner Messe sieht Diskussion über die Corona-Beschlüsse noch nicht beendet.
  3. Stefan Löcher, Chef der Kölner Lanxess-Arena, rechnet mit Verlusten in Millionenhöhe.

Köln – Stefan Löcher, Chef der Kölner Lanxess-Arena, kann recht genau beziffern, was das Verbot von Großveranstaltungen bis Ende August bedeutet. „Wir werden einen Verlust in zweistelliger Millionenhöhe einfahren. Das ist extrem“, schildert Löcher die Folgen der Corona-Pandemie für Deutschlands größte Veranstaltungshalle. Und er meint: „Die Veranstaltungsbranche fährt völlig vor die Wand.“

Bereits die vergangenen Wochen hatten Löcher und sein Team in der Kölner Arena mit der Verschiebung zahlreicher Konzerte ins kommende Jahr verbracht. „Wir werden auch weiter so viel wie möglich verschieben“, kündigt Löcher an. Allerdings sei dies bei den für Mai geplanten „Final-4“-Veranstaltungen im Basketball und Handball schwierig. Nun werde sich die Arena um Entschädigungszahlungen beim Land bemühen, auch mit dem Gesellschafter sollen Gespräche geführt werden.

Mitarbeiter sind verzweifelt

Die Mitarbeiter der Arena-Gastronomie sind schon vor Wochen in Kurzarbeit versetzt worden, einige von ihnen seien in den Krisengesprächen in Tränen ausgebrochen, weil sie ihre Miete kaum noch bezahlen können.

Für den Veranstalter BB Promotion, der in Köln unter anderem große Shows in den Musical Dome holt, ist die Lage nach Auskunft von Sprecher Dietmar Maier „prekär“. „Wir sind unserer Geschäftsgrundlage beraubt. Für uns geht es um das Weiterbestehen“, macht er deutlich. Sicher gehe die Gesundheit der Menschen vor, sagt er. Dennoch sei Unterstützung durch die Politik notwendig, damit Kunst, Kultur und Live-Entertainment auch zukünftig noch angeboten werden könnten.

Gamescom könnte ausfallen

„Ich sehe die Diskussion um Großveranstaltungen noch nicht beendet“, sagt dagegen Gerald Böse, Chef der Kölner Messe. „ Eine Messe ist kein Bundesligaspiel und kein Rockkonzert.“ Wir sprechen von Fachveranstaltungen mit geordneten, disziplinierten Abläufen in Bezug auf Hygiene, Abstand der Akteure und den Austausch miteinander, gegebenenfalls mit persönlicher Registrierung und strengen Vorgaben für die Prozesse an den Eingängen, in den Hallen und auf den Ständen, so Böse weiter.

Ende August steht die Computerspielemesse Gamescom an, die letztes Jahr über 370 000 Besucher angelockt hatte. Die könnte unter das Verbot fallen. Bislang hatte die Messe stets betont, die Veranstaltung analog durchführen zu wollen, auch wenn digitale Formate wie Livestreams schon ausgebaut wurden.

Enorme wirtschaftlichen Belastungen

Es sei auf der einen Seite eine gute Nachricht für regionale Wirtschaft, dass Bund und Länder jetzt die ersten Schritte für einen Weg aus dem Lock-Down aufgezeigt haben, sagte Ulf Reichardt, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Köln. „Auf der anderen Seite sind aber viele Unternehmen auf unabsehbare Zeit weiterhin weitgehend vom Geschäftsleben ausgeschlossen“, so Reichardt weiter. Eine Abgrenzung über Quadratmeter sei zudem nicht der richtige Ansatz. Auch in größeren Handelsunternehmen und unter Umständen ebenfalls im Gastgewerbe könnten mit baulichen Vorkehrungen wirksame Schutz- und Hygienemaßnahmen umgesetzt werden.

Angesichts der enormen wirtschaftlichen Belastungen, die die derzeitigen Einschränkungen verursachen, sei eine klare Ausstiegsperspektive von großer Bedeutung, um die Einschnitte nicht noch größer werden zu lassen und um den Fortbestand unzähliger Betriebe zu sichern. Zu begrüßen sei, dass die Auswirkungen und Erfahrungen der Lockerungen regelmäßig analysiert werden sollen, so Reichardt. Das sollte schnelle Anpassungen ermöglichen.

Kleine Geschäfte dürfen wieder öffnen

Aufatmen können nach der Verständigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten kleine Geschäfte bis zu einer Fläche von 800 Quadratmetern, die ab Montag wieder öffnen dürfen, auch Buchhändler, Fahrradläden und Autohändler. Durchatmen kann die Wirtschaft noch nicht. Und wie ernst die Lage ist, erfährt Alexander Hoeckle Tag für Tag. Er ist Geschäftsführer International und Unternehmensförderung der IHK Köln und unter anderem zuständig für die Corona-Hotline, die die Kammer eingerichtet hat.

18 667 Anrufe haben IHK-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier bis zum Dienstagabend entgegengenommen. „Spitzentage waren der 27. und 30. März mit jeweils über 3000 Anrufen“, sagt Hoeckle. Bis zu 15 Mitarbeiter gleichzeitig waren an den Telefonen, um Auskunft zu Förderprogrammen geben zu können.

Fahrplan zum Ausstieg benötigt

Anrufer wollten wissen, ob sie eine Unterstützung erhalten können oder wie genau die Bedingungen sind. Kleinunternehmer fragten laut Hoeckle auch, ob sie Unterstützung zum Lebensunterhalt erhalten können. Das sei nicht möglich, so Hoeckle. Sie müssen Arbeitslosengeld II beantragen.

Es zeigt aber, dass die Not oft groß ist. „Die Anrufer stehen oft vor den Scherben ihrer Existenz“, sagt Hoeckle. Die könne an einem Café oder an einer Gaststätte hängen. Nicht selten hätten Anrufer geweint, berichtet er. Dabei seien die 9000 Euro Soforthilfe „ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Hoeckle. Was die Unternehmen wirklich brauchten, sei ein Fahrplan zum Ausstieg aus den aktuellen Einschränkungen. Auch eine Umfrage der Kammer hat laut Reichardt gezeigt, dass viele diese Einschränkungen nicht mehr lange durchhalten. Auch um Darlehen der Förderbank KfW beantragen zu können, brauche es eine Fortführungsperspektive. (dha, raz, tho)