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Wahrnehmungs-PsychologieWarum wir in Gegenständen meistens Männer erblicken

Lesezeit 3 Minuten
Face pareidolia eg

Dinge mit Gesicht: Viele Menschen sehen in alltäglichen Gegenständen oder sogar im Essen vertraute Züge.

Sydney – Haben Sie auch schon mal einen Mann im Mond gesehen? Oder ein Gesicht im Milchschaum Ihres Frühstückskaffees? Oder starrt Sie öfter mal ein Gesicht aus dem Schweizer Käse an? Dann erleben Sie ein Phänomen, das in der Wissenschaft als Gesichtspareidolie bekannt ist.

Forscher in Australien haben das Phänomen nun genauer untersucht und dabei festgestellt, dass wir geschlechtsspezifische Vorurteile haben, wie wir Gesichter in Alltagsgegenständen oder in der Natur entdecken. So zeigte ihre Analyse, dass die meisten Menschen sich ein junges männliches Gesicht vorstellen. Die Studie könnte also erklären, warum viele auf dem Mond tatsächlich eher einen Mann und keine Frau zu sehen glauben oder warum Jesus häufiger in getoasteten Sandwiches erscheint als Maria.

Eher männliche als weibliche Züge

Die in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlichte Studie der Wissenschaftler untersuchte die Reaktion von mehr als 3800 Menschen. Den Probanden wurde eine Reihe von Bildern mit Objekten gezeigt – einige mit sichtbaren Gesichtern darauf, andere allerdings ohne sichtbare menschliche Züge.

„Unsere Ergebnisse zeigten eine auffällige Verzerrung der Geschlechterwahrnehmung“, sagte die Psychologieforscherin Jessica Taubert von der University of Queensland. Deutlich mehr illusorische Gesichter würden dabei als männlich als als weiblich wahrgenommen werden. Letzteres liegt daran, dass „die minimalen Informationen, die wir benötigen, um ein Gesicht zu erkennen, nicht ausreichen, um dieses Gesicht als weiblich zu sehen“, wie Taubert im Interview mit dem australischen Sender ABC zu den Ergebnissen weiter erläuterte.

Nur mit zusätzlichen weiblichen Merkmalen ist etwas auch weiblich

Sind also gerade ausreichend visuelle Informationen vorhanden, um etwas als Gesicht auszumachen – beispielsweise zwei Löcher für Augen und eines für einen Mund – so nehmen die meisten Menschen dieses Gesicht als männlich wahr. Die genauen Gründe dafür konnten die Forscher allerdings nicht herausfinden. An der Auswahl der Teilnehmer sollte es nicht gelegen haben, nachdem an der Studie die gleiche Anzahl Frauen wie Männer teilnahm und laut Taubert beide Geschlechter die Voreingenommenheit gleichermaßen teilten.

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Dinge mit Gesicht: Viele Menschen sehen in alltäglichen Gegenständen oder sogar im Essen vertraute Züge.

Taubert vermutet, dass Motive wohl offensichtliche weibliche Merkmale aufweisen müssen, um als weiblich wahrgenommen zu werden. Letzteres könnte zum Beispiel erklären, warum das Symbol auf der Frauentoilette meist ein Kleid trage. Andere Merkmale, die die meisten Menschen mit Frauen assoziieren würden, seien etwa längere Wimpern und vollere Lippen. „Es könnte also sein, dass das die zusätzlichen Informationen sind, die das Gehirn braucht, um Motive als Frauen zu erkennen“, meint die Forscherin zur Begründung der Wahrnehmungen.

Interpretierte Gesichter sind meistens eher jung

Während der Studie untersuchten die Wissenschaftler auch die Fähigkeit der Teilnehmer, Emotionen und Alter aus den von ihnen wahrgenommenen illusorischen Gesichtern abzulesen. Viele Menschen schienen dabei leicht zuordnen zu können, ob die vermeintlichen Gesichter auf den Objekten zum Beispiel glücklich, traurig oder wütend aussahen. Außerdem glaubten die meisten „ein sehr spezifisches Alter“ in den jeweiligen Abbildungen zu erkennen, wie Taubert erklärte. Die meisten illusorischen Gesichter seien dabei entweder als Kinder unter zehn Jahren wahrgenommen worden oder in einem Alter zwischen 20 und 29 Jahren, berichten die Forscher. „Wenn Sie also auf Ihrem verbrannten Toast ein Gesicht sehen, sehen Sie wahrscheinlich einen jungen Mann“, sagte die Psychologieforscherin zu den nun veröffentlichten Ergebnissen der Studie.

Viele bekannte Gesichter begegnen uns in Objekten

Immer wieder würden die Menschen auch glauben, ein bekanntes Gesicht in dem von ihnen betrachteten Objekt zu erkennen. Der ehemalige US-Präsident Donald Trump oder die Heilige Mutter Teresa scheinen die Menschen beispielsweise häufiger aus Objekten oder Lebensmitteln anzustarren als andere Berühmtheiten. Viele sehen aber nicht nur zeitgenössische Prominente, sondern auch religiöse Motive wie beispielsweise das Gesicht von Jesus Christus .