Verbindung zu „Querdenker“-Szene?Was hinter der Initiative „Wir machen auf“ steckt
Düsseldorf/Krefeld – Er will seinen Laden aufmachen, trotz des Lockdowns, trotz der Maßnahmen zur Eindämmung des Virus und der hohen Infektionszahlen. Er sei am Ende seiner Existenz, sagt der Krefelder Kosmetiker. Um seine Aktion versammeln sich seit einigen Tagen viele Unterstützer. Die Botschaften in seinem Telegram-Kanal lesen Stand Mittwoch 57.000 Menschen mit. Der Kosmetiker, dessen Name unserer Redaktion bekannt ist, sagt, er sei kein sogenannter „Querdenker“. Allerdings hat die Initiative „Wir machen auf“ Verbindungen zu mehreren bekannten Figuren aus der „Querdenker“-Szene, die das Coronavirus und seine Auswirkungen öffentlich leugnen.
Der Krefelder hat ein Anliegen, das zunächst verständlich klingt. Er hat vor zwei Jahren sein Kosmetikstudio gegründet, im vergangenen Jahr blieb sein Geschäft im ersten und im zweiten Lockdown insgesamt mehrere Monate lang geschlossen. Ende Oktober habe er seine Mitarbeiter kündigen müssen, so erzählt er es selbst in einem aufgezeichneten Video-Interview, das auf einer Streaming-Plattform zu finden ist. Er rechnet nach eigenen Angaben damit, dass er Ende Januar die Insolvenz anmelden muss. Das wiederum sagt der Krefelder in einer Sprachnachricht in seinem Telegram-Kanal. Für unsere Redaktion war er nicht zu erreichen.
Viel Verzweiflung in der Gastronomie
Die Initiative sei „ein Ausdruck der Verzweiflung, weil die finanziellen Hilfen nicht ankommen“, sagt Carina Peretzke, Sprecherin des Handelsverbands Nordrhein-Westfalen. Damit Händler Hilfen bekämen, müssten sie einen enormen Umsatzverlust vorweisen. Manche hätten aber viel Geld in Online-Shops investiert, um damit einen Teil ihrer Verluste aufzufangen. „Es geht ihnen schlecht, aber nicht schlecht genug“, sagt Peretzke. Dabei sind bundesweit zwei Drittel der Innenstadthändler laut des Handelsverbands Deutschland in Existenzgefahr. Diese Verzweiflung kennt auch Kurt Wehner, Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands NRW (Dehoga). Manche Gastronomen, sagt Wehner, fallen bei den Corona-Hilfen durchs Raster. „Die Zahlungen kommen nicht bei allen an. Es ist auch gut, wenn man seine Not öffentlich machen will. Aber man muss den richtigen Weg finden.“
Kontakte zu Querdenkern
Ob der Weg des Krefelders der richtige ist, erscheint höchst fragwürdig. Er sei ein einfacher Mensch „ohne jeglichen politischen Hintergrund“, schreibt er in seinem Telegram-Kanal. Es gehe bei der Aktion weder um Querdenken, noch um irgendwelche andere Bewegungen. Doch ein Blick in den Telegram-Kanal lässt an dieser Aussage zweifeln. Am 3. Januar bedankt sich der Kosmetiker „aus ganzem Herzen“ für die Unterstützung. „Insbesondere bei Markus Haintz und Ralf Ludwig, welche nicht nur die Aktion mehrmals geteilt haben, sondern ihre Hilfe … angeboten haben.“ Markus Haintz ist ein Anwalt aus Ulm, der im vergangenen Jahr wegen seiner Verbindungen zu den „Querdenkern“ seinen Lehrauftrag an der Hochschule Biberach verloren hat. Die „Augsburger Allgemeine“ bezeichnet Haintz als „Kopf der Ulmer Querdenker“. Auch der zweite Jurist, bei dem sich der Krefelder bedankt, hat klare Verbindungen zu der Szene. Er fungiert unter anderem als Schirmherr für die Aktion „Das Volk gegen Corona“, an der auch der Arzt Bodo Schiffmann beteiligt ist, einer der führenden Gesichter der „Querdenker“-Bewegung. Hinzu kommt: Der Kosmetiker ließ sich kurz nach Anfang der Aktion auf einer Streamingplattform live von Samuel Eckert interviewen - ein weiterer „Querdenker“, der laut der Wochenzeitung „Die Zeit“ zum organisatorischen Kern der Gruppe gehört.
Händler reagieren zurückhaltend
Während die Szene die Beiträge aus dem Telegram-Kanal zur Aktion „Wir machen auf“ fleißig verbreitet, halten sich Händler bislang mit öffentlicher Unterstützung zurück. Ein Sportwarenhändler aus Oberbayern hatte am Montag öffentlich erklärt, er würde auch seine Läden am 11. Januar aufmachen. Einen Tag danach ruderte er zurück. „Die Vereinnahmung durch die rechte Szene und Querdenker hat dazu geführt, dass wir das abblasen“, sagte die Frau des Händlers gegenüber t-online. Sie und ihr Mann wollten „keine Sattelhalter für die rechte Szene und Coronaleugner sein.“ Eine öffentliche Unterstützerliste hatte der Kosmetiker von Anfang an angekündigt. Am Dienstagabend sind auf der Online-Seite der Initiative tatsächlich etwa Dutzend Händler mit Namen und Adressen aufgetaucht. Am Mittwochmorgen war die Liste jedoch verschwunden. Nun findet sich an deren Stelle der Hinweis, dass sie erst am 11. Januar veröffentlicht werden soll.
Ablehnung seitens der Dehoga
Wie groß die Unterstützung für die Aktion ist, lässt sich deswegen schwer einschätzen. Aus dem NRW-Innenministerium heißt es auf Anfrage, man habe dazu derzeit keine Erkenntnisse. Als Kurt Wehner bei den Dehoga-Mitgliedern in NRW nachfragt, sei er auf ausnahmslose Ablehnung gestoßen. „Sie sagen uns eher ‚Um Gottes willen, was machen die da?‘“, sagt Wehner.
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Der Verband hat eine eindeutige Einstellung zu dem Vorhaben des Kosmetikers „Wir werden uns nicht an Aktionen beteiligen, die rechtswidrig sind und distanzieren uns davon“, sagt Wehner. Auch die Sprecherin des NRW-Handelsverbands stellt klar: „Wir würden keinen Händler dazu raten, die Coronaschutzverordnung zu missachten.“
Sollte der Kosmetiker aus Krefeld oder andere Händler sich dennoch für eine Öffnung am 11. Januar entscheiden, müssen sie mit einem Bußgeld rechnen – in NRW kann der Verstoß gegen die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus bis zu 25.000 Euro kosten.