Starkregen-KatastropheWelchen Einfluss die Klimaerwärmung auf die Unwetter hat
Lesezeit 4 Minuten
Symbolbild
Copyright: dpa
ANZEIGE
ANZEIGE
Berlin/Frankfurt – Der Westen Deutschlands hat in den vergangenen Tagen extreme Niederschläge mit dramatischen Folgen erlebt. Angesichts des Klimawandels drängt sich die Frage auf: Treffen uns solche Katastrophen künftig häufiger?
Welche Wetterlage hat zu dem Starkregen geführt?
Der Deutsche Wetterdienst begründet die Wetterlage damit, dass sich ein Tiefdruckgebiet über dem Westen Deutschlands „festgefressen“ hat. Es werde an allen Seiten von Hochdruckgebieten flankiert, die extrem feuchte Luft könne daher nicht ausweichen, so DWD-Meteorologe Marco Manitta. „Solche Wetterlagen sind in den letzten Jahren häufiger geworden“, sagt er. Im umgekehrten Fall – also wenn ein Hoch von Tiefs „eingekesselt“ wird – kommt es zu extremer Hitze und Dürre.
Was hat das mit der Klimaerwärmung zu tun?
Zwei Effekte nähmen Einfluss auf die Häufigkeit solcher extremen Starkregenereignisse, sagt Peter Hoffmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: Zum einen verdunstet bei höheren Temperaturen mehr Wasser und die wärmere Atmosphäre kann mehr Feuchtigkeit speichern. Das begünstigt hohe Niederschlagsmengen.
Zum anderen verharren Wetterlagen länger über einer Region. Dahinter steckt ein globales Phänomen: Die Atmosphäre erwärmt sich nicht gleichmäßig, sondern an den Polen mehr als am Äquator. Das vermindert den Temperaturunterschied zwischen diesen Regionen. Die Folge: Der sogenannte Jetstream, der als Windband in großer Höhe um die Nordhalbkugel zieht, verändert sich. Dadurch können Wetterlagen über längere Zeit an einem Ort bleiben und extreme Bedingungen schaffen.
Regnet es durch die Klimaerwärmung mehr?
Laut Nationalem Klimareport unterliegt die Niederschlagsmenge starken Schwankungen von Jahr zu Jahr. Die deutschlandweit jährliche durchschnittliche Menge nahm seit 1881 um 66 Millimeter zu – beziehungsweise um acht Prozent im Vergleich zur Referenzperiode 1961 bis 1990. Ein kontinuierlicher Anstieg ist das nicht: „Die Zunahme erfolgte ungleichförmig.“ Zudem werde der Anstieg „von kurzfristigen Schwankungen überlagert“.
Die Gesamtmenge an Regen in Deutschland hat sich also in den vergangenen Jahrzehnten wenig verändert – etwas anderes aber schon, wie Klimaforscher Hoffmann erklärt. Es gibt Hinweise, dass die gleiche Regenmenge an weniger Tagen im Jahr vom Himmel kommt: „Wenn der Regen fällt, dann intensiver.“
Regnet es also generell nicht mehr, aber stärker?
Laut Umweltbundesamt (UBA) ist es bisher nicht möglich, „statistisch gesicherte klimatologische Aussagen über Änderungen von Starkniederschlagsereignissen zu treffen“. Anders bei der Temperatur: Dass die Häufigkeit von heißen Tagen hat in Deutschland zugenommen hat, ist erwiesen. Allerdings sieht das UBA durchaus „Tendenzen zu einer größeren Häufigkeit von Starkniederschlägen in den letzten 65 Jahren“.
Klimamodelle gäben ein eindeutiges Bild, dass Starkregentage in Deutschland zunehmen, sagt Hoffmann. Anhand von Radardaten könne man aber auch sehen, dass keine Region besonders betroffen ist. Starkregentage seien an sich eher seltene Ereignisse. Je nach Region in Deutschland können es nur drei oder auch zehn pro Jahr sein.
In Bezug auf Extremsituationen wie jetzt im Westen Deutschlands mache es aber einen großen Unterschied, ob es klimawandelbedingt einen halben Starkregentag mehr im Jahr gibt, sagt Hoffmann. Von Starkregen spricht der Deutsche Wetterdienst übrigens in der Regel, wenn mehr als 15 Liter pro Stunde und Quadratmeter vom Himmel kommen.
Wann und wo wird Starkregen zum Problem?
Überall dort, wo das Wasser nicht abfließen kann. „Je weniger Raum das Wasser hat, mit desto mehr Schäden muss man rechnen“, sagt Klima-Experte Hoffmann. Das gilt für geologische Lagen etwa in Gebirgen, vor allem aber für Städte. „Wir machen das Hochwasserrisiko schlimmer, indem wir immer mehr Flächen versiegeln“, erklärt Geograf Matthias Garschagen von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die Stadtplanung müsse sich auf den Klimawandel einstellen.
Wenn in der Eifel und anderen Regionen die Katastrophenschäden aufgeräumt seien, „dann dürfen wir nicht auf die nächste Katastrophe warten“, mahnt Garschagen: „Da kommen große Aufgaben auf uns zu.“ Die Kommunen müssten den Hochwasserschutz verstärken, Hausbesitzer besser vorsorgen, die Politik darüber diskutieren, wer die Kosten dafür trägt.
Sind Extremwetterlagen wie diese bald die Regel?
„Auch kleine Änderungen in der globalen Durchschnittstemperatur können große Auswirkungen hinsichtlich der Zunahme an extremen Wetterereignissen haben“, sagt Geograf Garschagen. Die Wahrscheinlichkeit von Starkregen oder Dürre steige also mit jedem weiteren Grad Temperaturanstieg überproportional stark an. „Die Frage ist: Wie schnell schaffen wir es, damit umzugehen?“ (dpa)