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Schreie, Gestank und die AngstWie Menschen die Flut an der Ahr erlebt haben

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Julian Dela rettete sich mit Frau und Tochter aufs Dach.

  1. Julian Dela hat die bewegenden Geschichten an der Ahr in einem Buch gesammelt.

Bad Neuenahr – Die Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 werden Julian Dela und seine Frau Mariana nie vergessen. Auf dem nassen Dach ihres Hauses in Heppingen, nur etwa 50 Meter Luftlinie von der Ahr entfernt, musste das junge Paar mit seiner knapp zweijährigen Tochter und ihrem Hund hilflos miterleben, wie zwei Menschen in den Fluten ertranken. Gemeinsam mit ihrem Vermieter, der über ihnen wohnte, hatten sie sich rechtzeitig vor dem in ihrem Haus rasant steigenden Wasser der Ahr in Sicherheit bringen können. In der Dunkelheit der Nacht aber brannten sich ihnen die verzweifelten Schreie der Ertrinkenden, der Gestank des ausgelaufenen Heizöls und die Unsicherheit ihres eigenen Schicksals wie ein Brandzeichen ein.

„Flutgeschichten“ sammelt 30 Augenzeugenberichte

Die kleine Familie hat überlebt, sie hat ein neues Zuhause gefunden in einem Nachbarort, ein ganzes Stück weiter in sicherer Entfernung von der Ahr. Zurück an den Fluss möchten sie nicht mehr, zu traumatisch war das Durchlebte. Aber sie richten den Blick nach vorne.

Zur Erinnerung an die verheerende Katastrophe mit 134 Toten, die ein idyllisches Tal in ein Kriegsgebiet verwandelte, als Mahnung, wie kostbar jeder einzelne Tag ist, aber auch als Mutmacher, hat Julian Dela für sein Buch „Flutgeschichten“ 30 Augenzeugenberichte gesammelt – sowohl von Betroffenen als auch von Helfern. Die Berichte folgen dem Ahrverlauf von Dorsel bis nach Sinzig. Die Geschichten, mit einfachen Worten geschildert, stehen exemplarisch für das Schicksal Tausender, deren Leben sich auf einen Schlag für immer durch die Flutkatastrophe verändert hat.

So wie das von Frauke und Udo Kraatz, deren erst 19 Jahre alte Tochter Katharina im Feuerwehreinsatz in jener Nacht ums Leben kam. Dramatisch und ergreifend ist auch das Schicksal von Rüdiger Krauß, der mit seiner Frau Ruth von den Wassermassen regelrecht verschlungen wurde. Während er sich ans Ufer retten konnte, kam seine Frau in dieser Nacht ums Leben, wie viele andere.

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Rebecca Arnoldy-Heimannsfeld hat das Hochwasser in Dernau unter dramatischen Umständen überlebt. Ihr Haus, nur einen Steinwurf von der Ahr entfernt, ist anschließend zu einem Sinnbild der Hilfe und des Mutmachens geworden, als sie selbst und viele Fluthelfer es kunstvoll bemalten und sich mit Handabdrücken verewigten. Fotos des Hauses wurden unzählige Male im Internet geteilt.

Verändert hat die Katastrophe nicht nur die Menschen im Ahrtal, sondern auch viele der tausende Helfern, die schon unmittelbar danach aus allen Himmelsrichtungen kamen und mit anfassten. So wie Daniel Jürgens aus Bremerhaven. Während seines Hilfseinsatzes trennte sich seine Freundin von ihm und er verlor seinen Job. Heute lebt er an der Ahr. Die Katastrophe, so sagt er, hat mir den Glauben an die Menschlichkeit zurückgegeben.

So wie er sind viele der Betroffenen voller Zuversicht, dass sie ihr Ahrtal wieder aufbauen können. Anders als es früher gewesen war, aber hoffentlich besser und schöner.

Flutgeschichten. Schicksale aus dem Ahrtal, herausgegeben von Julian Dela, 13,99 Euro, ISBN 978-3-7562-1042-8. Die Erlöse aus dem Verkauf werden an gemeinnützige Fluthilfe-Organisationen gespendet